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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Deutsche Jeldzüge gegen Frankreich.
Von Max Jähns.
II.

Unter Otto dem Großen hatte Deutschland den Höhepunkt seiner politi¬
schen Machtstellung im Mittelalter erreicht, während gleichzeitig in Frankreich
das Erlöschen der Karolinger, das langsame Emporkommen des Capetingischen
Hauses, die Bekämpfung der Vasallen und der Engländer alle Kräfte in An¬
spruch nahmen und nicht gestatteten, angreifend gegen Deutschland vorzugehn.
Dies selbst aber begann seit den Ottonen politisch zu sinken; denn mit dem
Wachsthum der Territorialmächte Hand in Hand ging das Absterben der
Centralgewalt, und so herrliche Gaben auch einzelne Kaiser schmücken mochten,
so bezaubernd der Glanz auch ist, welchen Ueberlieferung und Dichtung
namentlich um die Häupter der Hohenstaufen ausgegossen haben -- die un¬
selige Richtung auf Italien zog sie von allen practischen Fragen ab; Mehrer
des Reiches waren sie nicht mehr, und von deutscher Seite ist kein Angriff
auf Frankreich erfolgt. Denn jener Einfall der Niederländer und Briten, dem sich
der welfische Gegenkönig der Hohenstaufen, Otto von Braunschweig, ange¬
schlossen hatte und der bei Bouvines ein so trauriges Ende nahm, kann in
keiner Weise als ein Feldzug Deutschlands aufgefaßt werden; ebensowenig
wie die vorübergehende Theilnahme des bayerischen Markgrafen von Bran¬
denburg an dem Feldzuge Eduards III. gegen Philipp von Balois.*)

Niemals war indessen das traditionelle Streben nach der Nheingrenze
in den Franzosen erloschen. Bei jeder Gelegenheit regte es sich; und die



") In dem beginnenden Erbsolgekriege zwischen Frankreich und England schien letzteres
keinen besseren Bundesgenossen finden zu können, als das von Frankreich so oft beleidigte
deutsche Reich. In der That schlössen König Ednard III. und Kaiser Ludwig der Bayer zu
Coblenz ein Bündnis) gegen Philipp von Valois, und es gewann den Anschein, als ob gegen
Frankreich und das Papstthum zugleich ein entscheidender Schlag geschehn würde. Indeß kam
es nicht dazu; aus wenig rühmlichen Beweggründen zog sich der deutsche Kaiser zurück; nur
sein Sohn, der Kurfürst von Brandenburg, führte hundert Helme märkischer Ritter nach Frank-
reich, von denen später Einige in der berühmten romantischen d-rollt" <Z" trento bei Plocrmel
gefochten.
Grenzboten I. 187l. 57
Deutsche Jeldzüge gegen Frankreich.
Von Max Jähns.
II.

Unter Otto dem Großen hatte Deutschland den Höhepunkt seiner politi¬
schen Machtstellung im Mittelalter erreicht, während gleichzeitig in Frankreich
das Erlöschen der Karolinger, das langsame Emporkommen des Capetingischen
Hauses, die Bekämpfung der Vasallen und der Engländer alle Kräfte in An¬
spruch nahmen und nicht gestatteten, angreifend gegen Deutschland vorzugehn.
Dies selbst aber begann seit den Ottonen politisch zu sinken; denn mit dem
Wachsthum der Territorialmächte Hand in Hand ging das Absterben der
Centralgewalt, und so herrliche Gaben auch einzelne Kaiser schmücken mochten,
so bezaubernd der Glanz auch ist, welchen Ueberlieferung und Dichtung
namentlich um die Häupter der Hohenstaufen ausgegossen haben — die un¬
selige Richtung auf Italien zog sie von allen practischen Fragen ab; Mehrer
des Reiches waren sie nicht mehr, und von deutscher Seite ist kein Angriff
auf Frankreich erfolgt. Denn jener Einfall der Niederländer und Briten, dem sich
der welfische Gegenkönig der Hohenstaufen, Otto von Braunschweig, ange¬
schlossen hatte und der bei Bouvines ein so trauriges Ende nahm, kann in
keiner Weise als ein Feldzug Deutschlands aufgefaßt werden; ebensowenig
wie die vorübergehende Theilnahme des bayerischen Markgrafen von Bran¬
denburg an dem Feldzuge Eduards III. gegen Philipp von Balois.*)

Niemals war indessen das traditionelle Streben nach der Nheingrenze
in den Franzosen erloschen. Bei jeder Gelegenheit regte es sich; und die



") In dem beginnenden Erbsolgekriege zwischen Frankreich und England schien letzteres
keinen besseren Bundesgenossen finden zu können, als das von Frankreich so oft beleidigte
deutsche Reich. In der That schlössen König Ednard III. und Kaiser Ludwig der Bayer zu
Coblenz ein Bündnis) gegen Philipp von Valois, und es gewann den Anschein, als ob gegen
Frankreich und das Papstthum zugleich ein entscheidender Schlag geschehn würde. Indeß kam
es nicht dazu; aus wenig rühmlichen Beweggründen zog sich der deutsche Kaiser zurück; nur
sein Sohn, der Kurfürst von Brandenburg, führte hundert Helme märkischer Ritter nach Frank-
reich, von denen später Einige in der berühmten romantischen d-rollt» <Z« trento bei Plocrmel
gefochten.
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[0453] Deutsche Jeldzüge gegen Frankreich. Von Max Jähns. II. Unter Otto dem Großen hatte Deutschland den Höhepunkt seiner politi¬ schen Machtstellung im Mittelalter erreicht, während gleichzeitig in Frankreich das Erlöschen der Karolinger, das langsame Emporkommen des Capetingischen Hauses, die Bekämpfung der Vasallen und der Engländer alle Kräfte in An¬ spruch nahmen und nicht gestatteten, angreifend gegen Deutschland vorzugehn. Dies selbst aber begann seit den Ottonen politisch zu sinken; denn mit dem Wachsthum der Territorialmächte Hand in Hand ging das Absterben der Centralgewalt, und so herrliche Gaben auch einzelne Kaiser schmücken mochten, so bezaubernd der Glanz auch ist, welchen Ueberlieferung und Dichtung namentlich um die Häupter der Hohenstaufen ausgegossen haben — die un¬ selige Richtung auf Italien zog sie von allen practischen Fragen ab; Mehrer des Reiches waren sie nicht mehr, und von deutscher Seite ist kein Angriff auf Frankreich erfolgt. Denn jener Einfall der Niederländer und Briten, dem sich der welfische Gegenkönig der Hohenstaufen, Otto von Braunschweig, ange¬ schlossen hatte und der bei Bouvines ein so trauriges Ende nahm, kann in keiner Weise als ein Feldzug Deutschlands aufgefaßt werden; ebensowenig wie die vorübergehende Theilnahme des bayerischen Markgrafen von Bran¬ denburg an dem Feldzuge Eduards III. gegen Philipp von Balois.*) Niemals war indessen das traditionelle Streben nach der Nheingrenze in den Franzosen erloschen. Bei jeder Gelegenheit regte es sich; und die ") In dem beginnenden Erbsolgekriege zwischen Frankreich und England schien letzteres keinen besseren Bundesgenossen finden zu können, als das von Frankreich so oft beleidigte deutsche Reich. In der That schlössen König Ednard III. und Kaiser Ludwig der Bayer zu Coblenz ein Bündnis) gegen Philipp von Valois, und es gewann den Anschein, als ob gegen Frankreich und das Papstthum zugleich ein entscheidender Schlag geschehn würde. Indeß kam es nicht dazu; aus wenig rühmlichen Beweggründen zog sich der deutsche Kaiser zurück; nur sein Sohn, der Kurfürst von Brandenburg, führte hundert Helme märkischer Ritter nach Frank- reich, von denen später Einige in der berühmten romantischen d-rollt» <Z« trento bei Plocrmel gefochten. Grenzboten I. 187l. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/453>, abgerufen am 22.07.2024.