Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.deuten Schritt vorwärts gemacht; aber nur um so beunruhigender war es, Ihr Vertrauen hat sie denn auch nicht getäuscht. Lange vor dem Kriege Kriegs-Krisen mag das lebende Geschlecht dann ohne Vermessenheit hoffen A, Lammers. deuten Schritt vorwärts gemacht; aber nur um so beunruhigender war es, Ihr Vertrauen hat sie denn auch nicht getäuscht. Lange vor dem Kriege Kriegs-Krisen mag das lebende Geschlecht dann ohne Vermessenheit hoffen A, Lammers. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125682"/> <p xml:id="ID_1490" prev="#ID_1489"> deuten Schritt vorwärts gemacht; aber nur um so beunruhigender war es,<lb/> nicht gleich völlig ans Ziel gekommen zu sein. Diese unbehagliche Stimmung<lb/> machte vornehmlich, daß die deutschen Börsen im gewachsenen Gefühl ihrer<lb/> Zuversicht auf Preußens Politik und Armee und auf Deutschlands unver¬<lb/> wüstliche Nationalkraft beinahe aufjubelten, als es um die Mitte vorigen<lb/> Sommers dann endlich zur Entscheidung kam.</p><lb/> <p xml:id="ID_1491"> Ihr Vertrauen hat sie denn auch nicht getäuscht. Lange vor dem Kriege<lb/> hat die ihn begleitende Geschäftszerrütterung in Deutschland aufgehört. Der<lb/> Seehandel zwar leidet noch, und der Eisenbahnverkehr hat im ganzen west¬<lb/> lichen Deutschland seine alte Regelmäßigkeit noch nicht wiedergewinnen können,<lb/> zu beträchtlichem Schaden des Handels, ja zur Herbeiführung förmlicher Noth¬<lb/> stände in einzelnen Geschäftszweigen, z. B. der Kohlenversorgung. Aber dies<lb/> sind partielle und locale Beschwerden, die das nationale Allgemeinbefinden<lb/> wenig afficiren. Der preußische Finanzminister kann die Hoffnung aussprechen,<lb/> das Kriegsjahr ohne Deficit abzuschließen: das sagt genug. Mit dem Frieden<lb/> wird die vollständige Genesung unseres Wirthschaftslebens ebenso rasch als<lb/> sicher eintreten. Dann aber stehen wir, aller Wahrscheinlichkeit nach, auf<lb/> einem wie nie zuvor gesicherten Grunde politischer Sicherheit, vor einem ge¬<lb/> schäftlichen Aufschwung, bei welchem es eher zu zügeln als zu ermuntern und<lb/> anzuspornen geben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1492"> Kriegs-Krisen mag das lebende Geschlecht dann ohne Vermessenheit hoffen<lb/> sobald nicht wieder durchmachen zu müssen. Gewöhnliche Handels-Krisen<lb/> werden leichter wiederkehren; wenn man nach Englands Erfahrung folgern<lb/> darf, ist man ihnen sogar in dem Grunde mehr ausgesetzt, wie Kriege und<lb/> innere Umwälzungen das complicirte Credit-Getriebe der Gegenwart zu be¬<lb/> drohen aufhören. Aber die Krisen von 1866 und 1870 werden das Ihrige<lb/> dazu beigetragen haben, daß wir künftige commercielle Vertrauensstörungen<lb/> eher überwinden. Die erstere hat es bereits gethan, indem sie uns von den<lb/> Wuchergesetzen, dem Zunftzwang und den Freizügigkeitsschranken definitiv<lb/> befreite, das Zollwesen reformabel machte, Handels- und Post-Verträge in<lb/> großer Menge nach sich zog; die letztere wird es in dem Maße thun, wie sie<lb/> die noch ungelösten Aufgaben einheitlichen zeitgemäßen Münzwesens, mannig¬<lb/> faltig-freier Entwickelung des Bankwesens und Vollendung des Freihandels<lb/> bald und glücklich löst.</p><lb/> <note type="byline"> A, Lammers.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0438]
deuten Schritt vorwärts gemacht; aber nur um so beunruhigender war es,
nicht gleich völlig ans Ziel gekommen zu sein. Diese unbehagliche Stimmung
machte vornehmlich, daß die deutschen Börsen im gewachsenen Gefühl ihrer
Zuversicht auf Preußens Politik und Armee und auf Deutschlands unver¬
wüstliche Nationalkraft beinahe aufjubelten, als es um die Mitte vorigen
Sommers dann endlich zur Entscheidung kam.
Ihr Vertrauen hat sie denn auch nicht getäuscht. Lange vor dem Kriege
hat die ihn begleitende Geschäftszerrütterung in Deutschland aufgehört. Der
Seehandel zwar leidet noch, und der Eisenbahnverkehr hat im ganzen west¬
lichen Deutschland seine alte Regelmäßigkeit noch nicht wiedergewinnen können,
zu beträchtlichem Schaden des Handels, ja zur Herbeiführung förmlicher Noth¬
stände in einzelnen Geschäftszweigen, z. B. der Kohlenversorgung. Aber dies
sind partielle und locale Beschwerden, die das nationale Allgemeinbefinden
wenig afficiren. Der preußische Finanzminister kann die Hoffnung aussprechen,
das Kriegsjahr ohne Deficit abzuschließen: das sagt genug. Mit dem Frieden
wird die vollständige Genesung unseres Wirthschaftslebens ebenso rasch als
sicher eintreten. Dann aber stehen wir, aller Wahrscheinlichkeit nach, auf
einem wie nie zuvor gesicherten Grunde politischer Sicherheit, vor einem ge¬
schäftlichen Aufschwung, bei welchem es eher zu zügeln als zu ermuntern und
anzuspornen geben wird.
Kriegs-Krisen mag das lebende Geschlecht dann ohne Vermessenheit hoffen
sobald nicht wieder durchmachen zu müssen. Gewöhnliche Handels-Krisen
werden leichter wiederkehren; wenn man nach Englands Erfahrung folgern
darf, ist man ihnen sogar in dem Grunde mehr ausgesetzt, wie Kriege und
innere Umwälzungen das complicirte Credit-Getriebe der Gegenwart zu be¬
drohen aufhören. Aber die Krisen von 1866 und 1870 werden das Ihrige
dazu beigetragen haben, daß wir künftige commercielle Vertrauensstörungen
eher überwinden. Die erstere hat es bereits gethan, indem sie uns von den
Wuchergesetzen, dem Zunftzwang und den Freizügigkeitsschranken definitiv
befreite, das Zollwesen reformabel machte, Handels- und Post-Verträge in
großer Menge nach sich zog; die letztere wird es in dem Maße thun, wie sie
die noch ungelösten Aufgaben einheitlichen zeitgemäßen Münzwesens, mannig¬
faltig-freier Entwickelung des Bankwesens und Vollendung des Freihandels
bald und glücklich löst.
A, Lammers.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |