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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Im Norden Europas haben Mucka, Schleswig, Danzig und die übri¬
gen Städte des Hansabundes an dem Welthandel regen Antheil genommen.
Karls des Großen Handelsverbindungen mit dem Orient waren bald wieder
erloschen.

Die Verkehrsentwickelung in England befand sich noch im 13. Jahr¬
hundert in den ersten Stadien; sie war hauptsächlich durch innere Partei¬
kämpfe und durch die Kriegszüge nach Frankreich zurückgedrängt worden.
Erst 1577 erlangte England das Recht, unter eigener Flagge in den Häfen
der Levante zu erscheinen, seine Bedeutung aber wuchs sehr schnell, zumal die
Hansa an ihrem Krämer- und Monopolgeiste unterging (etwa 16W). Und
welche Handelsgröße ist aus den Keimen emporgewachsen! Die grüne Insel
-- auf der, wie die Italiener von heute sagen: seinen-s nsve, og-KL all Isgiw,
L'iÄn ignoi-allög,!! eng. äariÄi'o assai zu finden, umklammert mit ihrem Handels¬
gürtel die ganze Erde. Es war -- damit wir nunmehr die Verkehrsbeziehungen
Englands und Indiens etwas näher erörtern -- ein folgenschweres, für
die Culturbewegung wie für die politische Gestaltung zweier Welttheile höchst
bedeutsames Ereigniß, als die Krone Großbritannien am letzten Tage des
Jahres 1600 der "Londoner Ostindischen Compagnie" einen Freibrief aus¬
stellte: "zur Ehre der Nation, zur Bereicherung des Volks, zur Ermunterung
ihrer unternehmenden Unterthanen, wie zur Vermehrung der Schifffahrt, sowie
des gesetzlichen Handels." Die Compagnie erlangte dadurch das Monopol,
in allen Ländern östlich des Caps der guten Hoffnung bis zur Magellanstraße,
welche "nicht im Besitze christlicher Fürsten waren" Handel zu treiben und
Besitztümer (auch Landgebiet) zu erwerben. Die Britischen Kaufleute be¬
traten zuerst die Inseln des östlichen Indischen Archipelagus, breiteten sich
aber trotz des WIderstrebens der Portugiesen auch bald an der Westküste der
Indischen Halbinsel aus und errichteten 1612 in Surate, dem Sitze von An¬
hängern der Zoroasterschen Lehre, am Ausfluß des Tapti die erste Britische
Kaufhalle. Es muß dies als der unscheinbare Grundstein zum Aufbau des
Englisch-Indischen Reiches angesehen werden, das in langen Kämpfen die
Herrschaft fast über die ganze Halbinsel erlangte, -- immerhin ein trotz der
Vernichtung jener ehrwürdigen Kultur der Brahmanen doch anerkennens¬
werter Triumph Britischer Zähigkeit und Geistesüberlegenheit.

Welche riesigen Reichthümer die Länder von den Jndusmündungen hin¬
auf bis gen Peschawar und von Hyderabad bis zu dem Delta des heiligen
Ganges (Kalkutta) seit den Tagen der Nabobs und des zauberischen Delhi
bis zu unserem Zeitalter der Baumwollen-Industrie und der Schienenwege
und Telegraphen hervorgebracht haben, wer vermöchte dies, und wäre seine
Feder in Hafis' Gluthen getaucht, zu schildern! Von den sonnigen Alpen-
landschaften Nepals bis Cap Komorin ist in wunderbarer Schönheit das


Im Norden Europas haben Mucka, Schleswig, Danzig und die übri¬
gen Städte des Hansabundes an dem Welthandel regen Antheil genommen.
Karls des Großen Handelsverbindungen mit dem Orient waren bald wieder
erloschen.

Die Verkehrsentwickelung in England befand sich noch im 13. Jahr¬
hundert in den ersten Stadien; sie war hauptsächlich durch innere Partei¬
kämpfe und durch die Kriegszüge nach Frankreich zurückgedrängt worden.
Erst 1577 erlangte England das Recht, unter eigener Flagge in den Häfen
der Levante zu erscheinen, seine Bedeutung aber wuchs sehr schnell, zumal die
Hansa an ihrem Krämer- und Monopolgeiste unterging (etwa 16W). Und
welche Handelsgröße ist aus den Keimen emporgewachsen! Die grüne Insel
— auf der, wie die Italiener von heute sagen: seinen-s nsve, og-KL all Isgiw,
L'iÄn ignoi-allög,!! eng. äariÄi'o assai zu finden, umklammert mit ihrem Handels¬
gürtel die ganze Erde. Es war — damit wir nunmehr die Verkehrsbeziehungen
Englands und Indiens etwas näher erörtern — ein folgenschweres, für
die Culturbewegung wie für die politische Gestaltung zweier Welttheile höchst
bedeutsames Ereigniß, als die Krone Großbritannien am letzten Tage des
Jahres 1600 der „Londoner Ostindischen Compagnie" einen Freibrief aus¬
stellte: „zur Ehre der Nation, zur Bereicherung des Volks, zur Ermunterung
ihrer unternehmenden Unterthanen, wie zur Vermehrung der Schifffahrt, sowie
des gesetzlichen Handels." Die Compagnie erlangte dadurch das Monopol,
in allen Ländern östlich des Caps der guten Hoffnung bis zur Magellanstraße,
welche „nicht im Besitze christlicher Fürsten waren" Handel zu treiben und
Besitztümer (auch Landgebiet) zu erwerben. Die Britischen Kaufleute be¬
traten zuerst die Inseln des östlichen Indischen Archipelagus, breiteten sich
aber trotz des WIderstrebens der Portugiesen auch bald an der Westküste der
Indischen Halbinsel aus und errichteten 1612 in Surate, dem Sitze von An¬
hängern der Zoroasterschen Lehre, am Ausfluß des Tapti die erste Britische
Kaufhalle. Es muß dies als der unscheinbare Grundstein zum Aufbau des
Englisch-Indischen Reiches angesehen werden, das in langen Kämpfen die
Herrschaft fast über die ganze Halbinsel erlangte, — immerhin ein trotz der
Vernichtung jener ehrwürdigen Kultur der Brahmanen doch anerkennens¬
werter Triumph Britischer Zähigkeit und Geistesüberlegenheit.

Welche riesigen Reichthümer die Länder von den Jndusmündungen hin¬
auf bis gen Peschawar und von Hyderabad bis zu dem Delta des heiligen
Ganges (Kalkutta) seit den Tagen der Nabobs und des zauberischen Delhi
bis zu unserem Zeitalter der Baumwollen-Industrie und der Schienenwege
und Telegraphen hervorgebracht haben, wer vermöchte dies, und wäre seine
Feder in Hafis' Gluthen getaucht, zu schildern! Von den sonnigen Alpen-
landschaften Nepals bis Cap Komorin ist in wunderbarer Schönheit das


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[0423] Im Norden Europas haben Mucka, Schleswig, Danzig und die übri¬ gen Städte des Hansabundes an dem Welthandel regen Antheil genommen. Karls des Großen Handelsverbindungen mit dem Orient waren bald wieder erloschen. Die Verkehrsentwickelung in England befand sich noch im 13. Jahr¬ hundert in den ersten Stadien; sie war hauptsächlich durch innere Partei¬ kämpfe und durch die Kriegszüge nach Frankreich zurückgedrängt worden. Erst 1577 erlangte England das Recht, unter eigener Flagge in den Häfen der Levante zu erscheinen, seine Bedeutung aber wuchs sehr schnell, zumal die Hansa an ihrem Krämer- und Monopolgeiste unterging (etwa 16W). Und welche Handelsgröße ist aus den Keimen emporgewachsen! Die grüne Insel — auf der, wie die Italiener von heute sagen: seinen-s nsve, og-KL all Isgiw, L'iÄn ignoi-allög,!! eng. äariÄi'o assai zu finden, umklammert mit ihrem Handels¬ gürtel die ganze Erde. Es war — damit wir nunmehr die Verkehrsbeziehungen Englands und Indiens etwas näher erörtern — ein folgenschweres, für die Culturbewegung wie für die politische Gestaltung zweier Welttheile höchst bedeutsames Ereigniß, als die Krone Großbritannien am letzten Tage des Jahres 1600 der „Londoner Ostindischen Compagnie" einen Freibrief aus¬ stellte: „zur Ehre der Nation, zur Bereicherung des Volks, zur Ermunterung ihrer unternehmenden Unterthanen, wie zur Vermehrung der Schifffahrt, sowie des gesetzlichen Handels." Die Compagnie erlangte dadurch das Monopol, in allen Ländern östlich des Caps der guten Hoffnung bis zur Magellanstraße, welche „nicht im Besitze christlicher Fürsten waren" Handel zu treiben und Besitztümer (auch Landgebiet) zu erwerben. Die Britischen Kaufleute be¬ traten zuerst die Inseln des östlichen Indischen Archipelagus, breiteten sich aber trotz des WIderstrebens der Portugiesen auch bald an der Westküste der Indischen Halbinsel aus und errichteten 1612 in Surate, dem Sitze von An¬ hängern der Zoroasterschen Lehre, am Ausfluß des Tapti die erste Britische Kaufhalle. Es muß dies als der unscheinbare Grundstein zum Aufbau des Englisch-Indischen Reiches angesehen werden, das in langen Kämpfen die Herrschaft fast über die ganze Halbinsel erlangte, — immerhin ein trotz der Vernichtung jener ehrwürdigen Kultur der Brahmanen doch anerkennens¬ werter Triumph Britischer Zähigkeit und Geistesüberlegenheit. Welche riesigen Reichthümer die Länder von den Jndusmündungen hin¬ auf bis gen Peschawar und von Hyderabad bis zu dem Delta des heiligen Ganges (Kalkutta) seit den Tagen der Nabobs und des zauberischen Delhi bis zu unserem Zeitalter der Baumwollen-Industrie und der Schienenwege und Telegraphen hervorgebracht haben, wer vermöchte dies, und wäre seine Feder in Hafis' Gluthen getaucht, zu schildern! Von den sonnigen Alpen- landschaften Nepals bis Cap Komorin ist in wunderbarer Schönheit das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/423>, abgerufen am 23.07.2024.