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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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aus Indien durch den Persischen Meerbusen am Euphrat entlang über Basra
(eins der 4 Paradiese der Moslems, 636 von Omar gegründet) und Bagdad,
von da aber entweder mit Karavanen direct nach dem Bosporus oder über
Trapezunt (Tarabuzun) durch das Schwarze Meer. Die letztere Route war
namentlich zur Zeit der Komnenen gepflegt. Wichtige Punkte für den Ver¬
kehr waren auch Damaskus "das Thor Mekkas" und Aleppo, wo die Kara¬
vanen aus dem nabathäischen Arabien einmündeten. Bagdad's Verbindungen
reichten im Osten bis Peking, im Westen bis Marokko. Bei den Unruhen
im Reiche der Khalifen aber wandte sich der Verkehr, welchen die Araber von
Alexandrien auf die Route über Basra und Bagdad verlegt hatten, mehr
nach Osten; und es kam die schon oben beschriebene älteste Handelsstraße:
Indus-Orus-Kaspisches Meer wieder in Aufnahme.

Nach Roms Falle ragen von Italienischen Städten durch wichtige Handels.
Verbindungen Amalfi, Pisa, dann Genua hervor, letzteres von 1284 ab. Die
berühmteste Colonie der Genueser war Kaffa in der Krim, welches, durch den
mittelasiatischen Verkehr gehoben, in seiner Blüthezeit über 100.000 Einwohner
zählte; die Genueser, durch ihre Unternehmungen gewissermaßen Vorläufer der
späteren Ostindischen Compagnie, leiteten den Indischen Handel nach dem
Schwarzen Meere (Trapezunt -- Byzanz), wo sie allmächtig waren und
breiteten sich so weit aus, daß sie sogar mit den Mongolischen Khans Han-
delstractate abschließen konnten. Genua unterlag nach 130jährigem Kampfe
den Venetianern (1387), welche unter den ungünstigsten Umständen eine be¬
wunderungswürdige Umsicht und Energie entwickelt hatten. Venedigs Politik
zog den Indischen Transit anfangs nach Agazzo, am Jssischen Busen des
Mittelmeers, später aber auf die Route über Alexandrien. In Suez und
Aden (am Rothen Meere) wurden Venetianische Factoreien erreichtet; bei
letzterem Orte mußten die Indischen Waaren auf kleinere Schiffe überladen
werden, mit denen man den Arabischen Meerbusen in 20 Tagen durchschnitt;
dann gelangten sie auf Kamelen an den Nil und von dort auf dem Kanal
Kalizene nach Alexandrien. Von Venedig gingen im 13. und 14. Jahrhundert
die Hauptstraßen nach Deutschland über den Brenner. Füssen, Augsburg und
über Nürnberg und Erfurt weiter nach dem Norden. Mit dem Falle der
Venetianischen Seeherrschaft hing die Entdeckung des Seeweges um das Cap
der guten Hoffnung nach Indien durch Vasco de Gama und die Blüthe der
Portugiesischen Suprematie zur See unter dem König Emanuel eng zusam¬
men. Nach dieser Entdeckung, die zur Verlegung der Indischen Verkehrsstraßen
auf den Seeweg um das Cap führte, dachten die Venetianer "zu spät" daran,
die Enge von Suez zu durchstechen, wenngleich Zweifel bestehen, ob es ihnen
überhaupt jemals mit diesem Plane Ernst gewesen ist, dessen Ausführung der
Neuzeit vorbehalten war.


aus Indien durch den Persischen Meerbusen am Euphrat entlang über Basra
(eins der 4 Paradiese der Moslems, 636 von Omar gegründet) und Bagdad,
von da aber entweder mit Karavanen direct nach dem Bosporus oder über
Trapezunt (Tarabuzun) durch das Schwarze Meer. Die letztere Route war
namentlich zur Zeit der Komnenen gepflegt. Wichtige Punkte für den Ver¬
kehr waren auch Damaskus „das Thor Mekkas" und Aleppo, wo die Kara¬
vanen aus dem nabathäischen Arabien einmündeten. Bagdad's Verbindungen
reichten im Osten bis Peking, im Westen bis Marokko. Bei den Unruhen
im Reiche der Khalifen aber wandte sich der Verkehr, welchen die Araber von
Alexandrien auf die Route über Basra und Bagdad verlegt hatten, mehr
nach Osten; und es kam die schon oben beschriebene älteste Handelsstraße:
Indus-Orus-Kaspisches Meer wieder in Aufnahme.

Nach Roms Falle ragen von Italienischen Städten durch wichtige Handels.
Verbindungen Amalfi, Pisa, dann Genua hervor, letzteres von 1284 ab. Die
berühmteste Colonie der Genueser war Kaffa in der Krim, welches, durch den
mittelasiatischen Verkehr gehoben, in seiner Blüthezeit über 100.000 Einwohner
zählte; die Genueser, durch ihre Unternehmungen gewissermaßen Vorläufer der
späteren Ostindischen Compagnie, leiteten den Indischen Handel nach dem
Schwarzen Meere (Trapezunt — Byzanz), wo sie allmächtig waren und
breiteten sich so weit aus, daß sie sogar mit den Mongolischen Khans Han-
delstractate abschließen konnten. Genua unterlag nach 130jährigem Kampfe
den Venetianern (1387), welche unter den ungünstigsten Umständen eine be¬
wunderungswürdige Umsicht und Energie entwickelt hatten. Venedigs Politik
zog den Indischen Transit anfangs nach Agazzo, am Jssischen Busen des
Mittelmeers, später aber auf die Route über Alexandrien. In Suez und
Aden (am Rothen Meere) wurden Venetianische Factoreien erreichtet; bei
letzterem Orte mußten die Indischen Waaren auf kleinere Schiffe überladen
werden, mit denen man den Arabischen Meerbusen in 20 Tagen durchschnitt;
dann gelangten sie auf Kamelen an den Nil und von dort auf dem Kanal
Kalizene nach Alexandrien. Von Venedig gingen im 13. und 14. Jahrhundert
die Hauptstraßen nach Deutschland über den Brenner. Füssen, Augsburg und
über Nürnberg und Erfurt weiter nach dem Norden. Mit dem Falle der
Venetianischen Seeherrschaft hing die Entdeckung des Seeweges um das Cap
der guten Hoffnung nach Indien durch Vasco de Gama und die Blüthe der
Portugiesischen Suprematie zur See unter dem König Emanuel eng zusam¬
men. Nach dieser Entdeckung, die zur Verlegung der Indischen Verkehrsstraßen
auf den Seeweg um das Cap führte, dachten die Venetianer „zu spät" daran,
die Enge von Suez zu durchstechen, wenngleich Zweifel bestehen, ob es ihnen
überhaupt jemals mit diesem Plane Ernst gewesen ist, dessen Ausführung der
Neuzeit vorbehalten war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/422>, abgerufen am 23.07.2024.