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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Geschenk voraus, um sich guten Empfang zu bereiten, und den fand er auch;
doch vernahm er den strengen Spruch: Ludwig solle König sein in seinem
Lande! Und Otto wußte, was es hieß, ein König sein. Am Otterhund und
in der Ungarnschlacht am Lech umwand er sich die Stirn mit immergrünem
Eichenlaub und endlich schmückte ihm das Haupt zu Rom das höchste Diadem:
die Kaiserkrone des heiligen Reiches deutscher Nation.

Man sollte glauben, daß die französischen Karolinger dem sächsischen
Kaiserhause dankbar sein mußten für die Rettung ihrer Königsstellung; leider
aber zeigte sich das Gegentheil. Der Nachfolger Ludwig's, König Lothar
von Frankreich, spielte Otto dem Zweiten einen geradezu gemeinen Streich. --
Im tiefsten Frieden und vollkommen forglos feierte dieser Kaiser im Jahre
978 mit Thcophania, feiner griechischen Gemahlin, zu Aachen das Johannis-
fest. Sie saßen just fröhlich bei Tafel, als athemlose Boten das Herannahen
französischer Heeressäulen meldeten: von den Thürmen seien sie bereits er¬
kennbar. Der Kaiser wollte das anfangs nicht glauben; lag doch kein An¬
laß zum Kriege vor und gab es doch kein Beispiel, daß ein Nachbar dem
anderen ohne Ankündigung so ruchlos in's Land gefallen wäre. Und den¬
noch verhielt es sich so: in der Stille hatte Lothar ein Heer gesammelt und
plötzlich mit 30,000 Mann einen Einbruch in Lothringen verübt, um dies
vielumworbene Land für Frankreich zu erobern. Wirklich stand seine Vorhut
vor Aachen. Otto und Theophania entrannen mit genauer Noth nach Köln.
Lothar aber zog in Aachen ein; seine Troßknechte thaten sich gütlich am
Johannismahl des Kaisers, und das französische Kriegsvolk plünderte Palast
und Königsstadt. Indeß war den Franzosen doch nicht geheuer am Sitze
Charlemagnes; schon nach drei Tagen brachen sie wieder auf. Um aber an¬
zudeuten, daß er Lothringen als erobert betrachte, ließ Lothar den ehernen
Adler, welcher oben auf der Kaiserpfalz nach Osten gewendet stand, mit dem
Blick nach Westen richten; denn das Land gehöre nun wieder zum Wester¬
reiche. -- Nicht lange sollte es so bleiben. Noch ehe Lothar die Champagne
erreicht, traf ihn ein Waffenherold Otto's, der ihm verkündete: List und Hin¬
terhalt verschmähe der Kaiser; offen erkläre er ihm den Krieg, und am 1.
October werde er ihm den unerwarteten Besuch erwidern. Bei Dortmund
sammelte sich ein Heer, wie Deutschland es lange nicht gesehn: man berechnete
es auf 60.000 Mann, wovon die Hälfte gewappnete Ritter; und genau am
1. October brach es in Frankreich ein. Leichte Schaaren, die Centurionen,
schweiften voraus. König Lothar floh nach Estampes, Graf Hugo Capet
warf sich in die Hauptstadt Paris. Gradwegs gegen diese richtete sich über
Rheims, Laon und Soissons des Kaisers Zug; denn schon damals schien Paris
Frankreichs Herz zu sein. Das ganze Land um die Hauptstadt ward ver¬
wüstet; die Faubourgs gingen in Flammen auf und die Belagerung der


Geschenk voraus, um sich guten Empfang zu bereiten, und den fand er auch;
doch vernahm er den strengen Spruch: Ludwig solle König sein in seinem
Lande! Und Otto wußte, was es hieß, ein König sein. Am Otterhund und
in der Ungarnschlacht am Lech umwand er sich die Stirn mit immergrünem
Eichenlaub und endlich schmückte ihm das Haupt zu Rom das höchste Diadem:
die Kaiserkrone des heiligen Reiches deutscher Nation.

Man sollte glauben, daß die französischen Karolinger dem sächsischen
Kaiserhause dankbar sein mußten für die Rettung ihrer Königsstellung; leider
aber zeigte sich das Gegentheil. Der Nachfolger Ludwig's, König Lothar
von Frankreich, spielte Otto dem Zweiten einen geradezu gemeinen Streich. —
Im tiefsten Frieden und vollkommen forglos feierte dieser Kaiser im Jahre
978 mit Thcophania, feiner griechischen Gemahlin, zu Aachen das Johannis-
fest. Sie saßen just fröhlich bei Tafel, als athemlose Boten das Herannahen
französischer Heeressäulen meldeten: von den Thürmen seien sie bereits er¬
kennbar. Der Kaiser wollte das anfangs nicht glauben; lag doch kein An¬
laß zum Kriege vor und gab es doch kein Beispiel, daß ein Nachbar dem
anderen ohne Ankündigung so ruchlos in's Land gefallen wäre. Und den¬
noch verhielt es sich so: in der Stille hatte Lothar ein Heer gesammelt und
plötzlich mit 30,000 Mann einen Einbruch in Lothringen verübt, um dies
vielumworbene Land für Frankreich zu erobern. Wirklich stand seine Vorhut
vor Aachen. Otto und Theophania entrannen mit genauer Noth nach Köln.
Lothar aber zog in Aachen ein; seine Troßknechte thaten sich gütlich am
Johannismahl des Kaisers, und das französische Kriegsvolk plünderte Palast
und Königsstadt. Indeß war den Franzosen doch nicht geheuer am Sitze
Charlemagnes; schon nach drei Tagen brachen sie wieder auf. Um aber an¬
zudeuten, daß er Lothringen als erobert betrachte, ließ Lothar den ehernen
Adler, welcher oben auf der Kaiserpfalz nach Osten gewendet stand, mit dem
Blick nach Westen richten; denn das Land gehöre nun wieder zum Wester¬
reiche. — Nicht lange sollte es so bleiben. Noch ehe Lothar die Champagne
erreicht, traf ihn ein Waffenherold Otto's, der ihm verkündete: List und Hin¬
terhalt verschmähe der Kaiser; offen erkläre er ihm den Krieg, und am 1.
October werde er ihm den unerwarteten Besuch erwidern. Bei Dortmund
sammelte sich ein Heer, wie Deutschland es lange nicht gesehn: man berechnete
es auf 60.000 Mann, wovon die Hälfte gewappnete Ritter; und genau am
1. October brach es in Frankreich ein. Leichte Schaaren, die Centurionen,
schweiften voraus. König Lothar floh nach Estampes, Graf Hugo Capet
warf sich in die Hauptstadt Paris. Gradwegs gegen diese richtete sich über
Rheims, Laon und Soissons des Kaisers Zug; denn schon damals schien Paris
Frankreichs Herz zu sein. Das ganze Land um die Hauptstadt ward ver¬
wüstet; die Faubourgs gingen in Flammen auf und die Belagerung der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/418>, abgerufen am 23.07.2024.