Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

für den legitimen König von Frankreich gegen die Revolution. Diese Be¬
ziehungen sind merkwürdig genug, namentlich durch die vermittelnde Gestalt
der Gerberga, welche so sehr an Marie Antoinette, die Schwester eines an¬
dern deutschen Kaisers mahnt -- aber der Ausgang des alten Kampfs war
glücklicher.

Otto sammelte das Reichsaufgebot. Zwar erschien Hugo von Franzien
in seinem Lager, um den Streich abzuwenden; aber der König ließ ihn nicht
vor; er sandte den Lothringerherzog vor die Thür, dem möge er sein Anliegen
melden. Da wußte Hugo, was ihm beschieden sei, und das stolze Herz schwoll
ihm vor Zorn; doch als er Otto's Heer erblickt, wuchs es ihm auch vor
Siegeszuversicht; denn dies Heer erschien ihm ärmlich. In der That mochte
die Masse desselben in ihrer bäuerlichen Unscheinbarkeit und geringen Bewaff¬
nung mit altgermanischen Kurzspeeren ungünstig abstechen gegen die wohl¬
gewappneten Schaaren des französischen Hochadels, und spottend ließ Herzog
Hugo dem deutschen Könige künden: ihm bange nicht; denn bei seines Vaters
Seele schwöre er, mehr Harnische und Helme blinkten ihm im Heere als Otto
je gesehn in seinem Leben; und er werd' ihm bald beweisen, daß die Sachsen
keine Krieger seien; sieben ihrer Spieße, vermäße er sich, mit einem Becher¬
schlucke auszutrinken. Der deutsche König aber ließ erwidern: er werde ihm
eine solche Menge von Strohhüten in's Land führen, wie Hugo sammt seinem
Vater nie beisammen sahn; und noch lange ging dies Wort im Volk herum;
denn mit den "Strohhüten" war das sächsische Fußvolk gemeint, das zur
Sommerzeit solche leichten Breithute trug, die nun des Königs Scherz- und
Drohwort ehrte. -- Im August rückte man in die Champagne; bald warf
sich Ludwig in Otto's Arm, und nach einem Anlauf gegen Laon und der
Eroberung des wichtigen Rheims zogen die Könige vereint vor des Herzogs
von Franzien Hauptstadt Paris. Aber obgleich die Jnselveste eng umlagert
und der Seinefluß auf einer Schiffbrücke überschritten wurde: die mauertüchtige
Cleo widerstand, und zwar um so leichter, als Otto sein Heer theilte und mit
einer auserlesenen Schaar zugleich die "Darmstadt" Rouen belagerte. In¬
dessen war der Winter herangekommen; der Feind hielt das offne Feld nicht
mehr; Ludwig war befreit; er hatte in Rheims einen festen Stützpunkt ge¬
wonnen, wo ihm manche seiner Großen auf's Neue huldigten, und so war
der nächste Zweck des Feldzugs erreicht. Der deutsche König zog wieder heim
und überließ die Weiterführung des Krieges dem Herzoge von Lothringen,
Conrad von Worms. Aus dessen Händen empfing denn auch wirklich Frank¬
reichs König seine Krone zurück. -- Gewaltig war der Eindruck von der
Sachsen Macht, und als bald darauf Hugo sich abermals unruhig regte, da
genügte Otto's Befehl, um den stolzen Herrn der Jsle de France vor seinen
Richterstuhl zu ziehn. Beflissen sandte Hugo zwei Löwen nach Aachen als


für den legitimen König von Frankreich gegen die Revolution. Diese Be¬
ziehungen sind merkwürdig genug, namentlich durch die vermittelnde Gestalt
der Gerberga, welche so sehr an Marie Antoinette, die Schwester eines an¬
dern deutschen Kaisers mahnt — aber der Ausgang des alten Kampfs war
glücklicher.

Otto sammelte das Reichsaufgebot. Zwar erschien Hugo von Franzien
in seinem Lager, um den Streich abzuwenden; aber der König ließ ihn nicht
vor; er sandte den Lothringerherzog vor die Thür, dem möge er sein Anliegen
melden. Da wußte Hugo, was ihm beschieden sei, und das stolze Herz schwoll
ihm vor Zorn; doch als er Otto's Heer erblickt, wuchs es ihm auch vor
Siegeszuversicht; denn dies Heer erschien ihm ärmlich. In der That mochte
die Masse desselben in ihrer bäuerlichen Unscheinbarkeit und geringen Bewaff¬
nung mit altgermanischen Kurzspeeren ungünstig abstechen gegen die wohl¬
gewappneten Schaaren des französischen Hochadels, und spottend ließ Herzog
Hugo dem deutschen Könige künden: ihm bange nicht; denn bei seines Vaters
Seele schwöre er, mehr Harnische und Helme blinkten ihm im Heere als Otto
je gesehn in seinem Leben; und er werd' ihm bald beweisen, daß die Sachsen
keine Krieger seien; sieben ihrer Spieße, vermäße er sich, mit einem Becher¬
schlucke auszutrinken. Der deutsche König aber ließ erwidern: er werde ihm
eine solche Menge von Strohhüten in's Land führen, wie Hugo sammt seinem
Vater nie beisammen sahn; und noch lange ging dies Wort im Volk herum;
denn mit den „Strohhüten" war das sächsische Fußvolk gemeint, das zur
Sommerzeit solche leichten Breithute trug, die nun des Königs Scherz- und
Drohwort ehrte. — Im August rückte man in die Champagne; bald warf
sich Ludwig in Otto's Arm, und nach einem Anlauf gegen Laon und der
Eroberung des wichtigen Rheims zogen die Könige vereint vor des Herzogs
von Franzien Hauptstadt Paris. Aber obgleich die Jnselveste eng umlagert
und der Seinefluß auf einer Schiffbrücke überschritten wurde: die mauertüchtige
Cleo widerstand, und zwar um so leichter, als Otto sein Heer theilte und mit
einer auserlesenen Schaar zugleich die „Darmstadt" Rouen belagerte. In¬
dessen war der Winter herangekommen; der Feind hielt das offne Feld nicht
mehr; Ludwig war befreit; er hatte in Rheims einen festen Stützpunkt ge¬
wonnen, wo ihm manche seiner Großen auf's Neue huldigten, und so war
der nächste Zweck des Feldzugs erreicht. Der deutsche König zog wieder heim
und überließ die Weiterführung des Krieges dem Herzoge von Lothringen,
Conrad von Worms. Aus dessen Händen empfing denn auch wirklich Frank¬
reichs König seine Krone zurück. — Gewaltig war der Eindruck von der
Sachsen Macht, und als bald darauf Hugo sich abermals unruhig regte, da
genügte Otto's Befehl, um den stolzen Herrn der Jsle de France vor seinen
Richterstuhl zu ziehn. Beflissen sandte Hugo zwei Löwen nach Aachen als


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0417" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125661"/>
            <p xml:id="ID_1446" prev="#ID_1445"> für den legitimen König von Frankreich gegen die Revolution. Diese Be¬<lb/>
ziehungen sind merkwürdig genug, namentlich durch die vermittelnde Gestalt<lb/>
der Gerberga, welche so sehr an Marie Antoinette, die Schwester eines an¬<lb/>
dern deutschen Kaisers mahnt &#x2014; aber der Ausgang des alten Kampfs war<lb/>
glücklicher.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1447" next="#ID_1448"> Otto sammelte das Reichsaufgebot. Zwar erschien Hugo von Franzien<lb/>
in seinem Lager, um den Streich abzuwenden; aber der König ließ ihn nicht<lb/>
vor; er sandte den Lothringerherzog vor die Thür, dem möge er sein Anliegen<lb/>
melden. Da wußte Hugo, was ihm beschieden sei, und das stolze Herz schwoll<lb/>
ihm vor Zorn; doch als er Otto's Heer erblickt, wuchs es ihm auch vor<lb/>
Siegeszuversicht; denn dies Heer erschien ihm ärmlich. In der That mochte<lb/>
die Masse desselben in ihrer bäuerlichen Unscheinbarkeit und geringen Bewaff¬<lb/>
nung mit altgermanischen Kurzspeeren ungünstig abstechen gegen die wohl¬<lb/>
gewappneten Schaaren des französischen Hochadels, und spottend ließ Herzog<lb/>
Hugo dem deutschen Könige künden: ihm bange nicht; denn bei seines Vaters<lb/>
Seele schwöre er, mehr Harnische und Helme blinkten ihm im Heere als Otto<lb/>
je gesehn in seinem Leben; und er werd' ihm bald beweisen, daß die Sachsen<lb/>
keine Krieger seien; sieben ihrer Spieße, vermäße er sich, mit einem Becher¬<lb/>
schlucke auszutrinken. Der deutsche König aber ließ erwidern: er werde ihm<lb/>
eine solche Menge von Strohhüten in's Land führen, wie Hugo sammt seinem<lb/>
Vater nie beisammen sahn; und noch lange ging dies Wort im Volk herum;<lb/>
denn mit den &#x201E;Strohhüten" war das sächsische Fußvolk gemeint, das zur<lb/>
Sommerzeit solche leichten Breithute trug, die nun des Königs Scherz- und<lb/>
Drohwort ehrte. &#x2014; Im August rückte man in die Champagne; bald warf<lb/>
sich Ludwig in Otto's Arm, und nach einem Anlauf gegen Laon und der<lb/>
Eroberung des wichtigen Rheims zogen die Könige vereint vor des Herzogs<lb/>
von Franzien Hauptstadt Paris. Aber obgleich die Jnselveste eng umlagert<lb/>
und der Seinefluß auf einer Schiffbrücke überschritten wurde: die mauertüchtige<lb/>
Cleo widerstand, und zwar um so leichter, als Otto sein Heer theilte und mit<lb/>
einer auserlesenen Schaar zugleich die &#x201E;Darmstadt" Rouen belagerte. In¬<lb/>
dessen war der Winter herangekommen; der Feind hielt das offne Feld nicht<lb/>
mehr; Ludwig war befreit; er hatte in Rheims einen festen Stützpunkt ge¬<lb/>
wonnen, wo ihm manche seiner Großen auf's Neue huldigten, und so war<lb/>
der nächste Zweck des Feldzugs erreicht. Der deutsche König zog wieder heim<lb/>
und überließ die Weiterführung des Krieges dem Herzoge von Lothringen,<lb/>
Conrad von Worms. Aus dessen Händen empfing denn auch wirklich Frank¬<lb/>
reichs König seine Krone zurück. &#x2014; Gewaltig war der Eindruck von der<lb/>
Sachsen Macht, und als bald darauf Hugo sich abermals unruhig regte, da<lb/>
genügte Otto's Befehl, um den stolzen Herrn der Jsle de France vor seinen<lb/>
Richterstuhl zu ziehn. Beflissen sandte Hugo zwei Löwen nach Aachen als</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0417] für den legitimen König von Frankreich gegen die Revolution. Diese Be¬ ziehungen sind merkwürdig genug, namentlich durch die vermittelnde Gestalt der Gerberga, welche so sehr an Marie Antoinette, die Schwester eines an¬ dern deutschen Kaisers mahnt — aber der Ausgang des alten Kampfs war glücklicher. Otto sammelte das Reichsaufgebot. Zwar erschien Hugo von Franzien in seinem Lager, um den Streich abzuwenden; aber der König ließ ihn nicht vor; er sandte den Lothringerherzog vor die Thür, dem möge er sein Anliegen melden. Da wußte Hugo, was ihm beschieden sei, und das stolze Herz schwoll ihm vor Zorn; doch als er Otto's Heer erblickt, wuchs es ihm auch vor Siegeszuversicht; denn dies Heer erschien ihm ärmlich. In der That mochte die Masse desselben in ihrer bäuerlichen Unscheinbarkeit und geringen Bewaff¬ nung mit altgermanischen Kurzspeeren ungünstig abstechen gegen die wohl¬ gewappneten Schaaren des französischen Hochadels, und spottend ließ Herzog Hugo dem deutschen Könige künden: ihm bange nicht; denn bei seines Vaters Seele schwöre er, mehr Harnische und Helme blinkten ihm im Heere als Otto je gesehn in seinem Leben; und er werd' ihm bald beweisen, daß die Sachsen keine Krieger seien; sieben ihrer Spieße, vermäße er sich, mit einem Becher¬ schlucke auszutrinken. Der deutsche König aber ließ erwidern: er werde ihm eine solche Menge von Strohhüten in's Land führen, wie Hugo sammt seinem Vater nie beisammen sahn; und noch lange ging dies Wort im Volk herum; denn mit den „Strohhüten" war das sächsische Fußvolk gemeint, das zur Sommerzeit solche leichten Breithute trug, die nun des Königs Scherz- und Drohwort ehrte. — Im August rückte man in die Champagne; bald warf sich Ludwig in Otto's Arm, und nach einem Anlauf gegen Laon und der Eroberung des wichtigen Rheims zogen die Könige vereint vor des Herzogs von Franzien Hauptstadt Paris. Aber obgleich die Jnselveste eng umlagert und der Seinefluß auf einer Schiffbrücke überschritten wurde: die mauertüchtige Cleo widerstand, und zwar um so leichter, als Otto sein Heer theilte und mit einer auserlesenen Schaar zugleich die „Darmstadt" Rouen belagerte. In¬ dessen war der Winter herangekommen; der Feind hielt das offne Feld nicht mehr; Ludwig war befreit; er hatte in Rheims einen festen Stützpunkt ge¬ wonnen, wo ihm manche seiner Großen auf's Neue huldigten, und so war der nächste Zweck des Feldzugs erreicht. Der deutsche König zog wieder heim und überließ die Weiterführung des Krieges dem Herzoge von Lothringen, Conrad von Worms. Aus dessen Händen empfing denn auch wirklich Frank¬ reichs König seine Krone zurück. — Gewaltig war der Eindruck von der Sachsen Macht, und als bald darauf Hugo sich abermals unruhig regte, da genügte Otto's Befehl, um den stolzen Herrn der Jsle de France vor seinen Richterstuhl zu ziehn. Beflissen sandte Hugo zwei Löwen nach Aachen als

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/417
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/417>, abgerufen am 23.07.2024.