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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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können abschießt, gibt diesen Blättern Gelegenheit zu Lobsprüchen auf den
Heldenmuth und die Tapferkeit der italienischen Truppen.

Die Schritte, welche Herr von Arnim unternommen, um einen gewalt¬
samen Angriff gegen Rom, wenn nicht zu verhindern, so doch zu verzögern,
waren aus dem Wunsche hervorgegangen, einer Beschießung der Stadt vor¬
zubeugen, da er einsah, daß sich die Stadt doch nicht halten könnte.
Cadorna hatte ihm erwidert, er habe die größte Langmuth walten lassen und
jede mögliche Rücksicht genommen, er dürfe aber nicht verhehlen, daß er An¬
gesichts der dem Parlamentär gegebenen, wenig passenden Antwort nicht län¬
ger zögern könnte, mit den fremden Truppen, welche die Stadt und den Willen
des Papstes beherrschen, ein Ende zu machen. Er bewilligte endlich einen
24stündigen Aufschub einer entscheidenden Operation. Am 19. September
zeigte von Arnim dem General brieflich an, daß die Versuche zum Aufgeben
des bewaffneten Widerstandes gescheitert seien und dankte für den gewährten
Aufschub. "Unter diesen Umständen", meint die Gazzetta uffiziale, "sei un¬
zweifelhaft ein Druck Seitens der fremden Truppen auf die römischen Behör¬
den ausgeübt worden. Es erübrige Cadorna nur, mit Gewalt zu erreichen,
was auf dem Wege d-er Versöhnung nicht zu erzielen war." Es wurden nun
alle Maßregeln getroffen, daß, falls ein Sturm nothwendig würde, Rom
möglichst geringen Schaden erleide, und die Ordnung aufrecht erhalten werde.
In der Stadt hatte sich eine Deputation römischer Bürger an Antonelli mit
der Bitte gewandt, jedes Blutvergießen beim Einrücken der Truppen zu ver¬
hindern und namentlich Maßregeln zu treffen, um die von den Zuaven kund¬
gegebene Absicht, den italienischen Truppen in den Straßen Roms Wider¬
stand zu leisten, zu vereiteln.

Obwohl in den ersten Stunden des 20. September die Vertheidigung
der von drei Seiten angegriffenen Stadt durchgeführt wurde, so war doch
der Widerstand nicht lange möglich. Nach fünfstündiger gegenseitiger Kano¬
nade, bei welcher einige Häuser durch Granaden in Brand gesteckt wurden,
wurde der Sturm auf die bei dem Piusthore geschossene Bresche ausgeführt
und nach einer halben Stunde war den Italienern der Einzug nach Rom offen.
Als sie nun, ein Regiment nach dem andern, einmarschirten, strömte ihnen
auf der langen Straße, welche vom Piusthor nach dem Quirinal führt, eine
freudige Volksmasse entgegen; dann sprengte ein Piquet päpstlicher Dragoner
heran, an der Spitze der Stabsofficier mit einer weißen Fahne und der vom
Papste erhaltenen Einwilligung der Uebergabe Roms. Dieser Schritt war
bereits überflüssig geworden. Das Feuer wurde auf allen Seiten eingestellt,
und eine lange Reihe von Wagen, welche das auswärtige diplomatische Corps
enthielten, überbrachten im Namen Pius IX. einen Protest, welcher dem Ge¬
neral Cadorna übergeben werden sollte. Unter dem Jubel des Volkes our-


können abschießt, gibt diesen Blättern Gelegenheit zu Lobsprüchen auf den
Heldenmuth und die Tapferkeit der italienischen Truppen.

Die Schritte, welche Herr von Arnim unternommen, um einen gewalt¬
samen Angriff gegen Rom, wenn nicht zu verhindern, so doch zu verzögern,
waren aus dem Wunsche hervorgegangen, einer Beschießung der Stadt vor¬
zubeugen, da er einsah, daß sich die Stadt doch nicht halten könnte.
Cadorna hatte ihm erwidert, er habe die größte Langmuth walten lassen und
jede mögliche Rücksicht genommen, er dürfe aber nicht verhehlen, daß er An¬
gesichts der dem Parlamentär gegebenen, wenig passenden Antwort nicht län¬
ger zögern könnte, mit den fremden Truppen, welche die Stadt und den Willen
des Papstes beherrschen, ein Ende zu machen. Er bewilligte endlich einen
24stündigen Aufschub einer entscheidenden Operation. Am 19. September
zeigte von Arnim dem General brieflich an, daß die Versuche zum Aufgeben
des bewaffneten Widerstandes gescheitert seien und dankte für den gewährten
Aufschub. „Unter diesen Umständen", meint die Gazzetta uffiziale, „sei un¬
zweifelhaft ein Druck Seitens der fremden Truppen auf die römischen Behör¬
den ausgeübt worden. Es erübrige Cadorna nur, mit Gewalt zu erreichen,
was auf dem Wege d-er Versöhnung nicht zu erzielen war." Es wurden nun
alle Maßregeln getroffen, daß, falls ein Sturm nothwendig würde, Rom
möglichst geringen Schaden erleide, und die Ordnung aufrecht erhalten werde.
In der Stadt hatte sich eine Deputation römischer Bürger an Antonelli mit
der Bitte gewandt, jedes Blutvergießen beim Einrücken der Truppen zu ver¬
hindern und namentlich Maßregeln zu treffen, um die von den Zuaven kund¬
gegebene Absicht, den italienischen Truppen in den Straßen Roms Wider¬
stand zu leisten, zu vereiteln.

Obwohl in den ersten Stunden des 20. September die Vertheidigung
der von drei Seiten angegriffenen Stadt durchgeführt wurde, so war doch
der Widerstand nicht lange möglich. Nach fünfstündiger gegenseitiger Kano¬
nade, bei welcher einige Häuser durch Granaden in Brand gesteckt wurden,
wurde der Sturm auf die bei dem Piusthore geschossene Bresche ausgeführt
und nach einer halben Stunde war den Italienern der Einzug nach Rom offen.
Als sie nun, ein Regiment nach dem andern, einmarschirten, strömte ihnen
auf der langen Straße, welche vom Piusthor nach dem Quirinal führt, eine
freudige Volksmasse entgegen; dann sprengte ein Piquet päpstlicher Dragoner
heran, an der Spitze der Stabsofficier mit einer weißen Fahne und der vom
Papste erhaltenen Einwilligung der Uebergabe Roms. Dieser Schritt war
bereits überflüssig geworden. Das Feuer wurde auf allen Seiten eingestellt,
und eine lange Reihe von Wagen, welche das auswärtige diplomatische Corps
enthielten, überbrachten im Namen Pius IX. einen Protest, welcher dem Ge¬
neral Cadorna übergeben werden sollte. Unter dem Jubel des Volkes our-


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[0366] können abschießt, gibt diesen Blättern Gelegenheit zu Lobsprüchen auf den Heldenmuth und die Tapferkeit der italienischen Truppen. Die Schritte, welche Herr von Arnim unternommen, um einen gewalt¬ samen Angriff gegen Rom, wenn nicht zu verhindern, so doch zu verzögern, waren aus dem Wunsche hervorgegangen, einer Beschießung der Stadt vor¬ zubeugen, da er einsah, daß sich die Stadt doch nicht halten könnte. Cadorna hatte ihm erwidert, er habe die größte Langmuth walten lassen und jede mögliche Rücksicht genommen, er dürfe aber nicht verhehlen, daß er An¬ gesichts der dem Parlamentär gegebenen, wenig passenden Antwort nicht län¬ ger zögern könnte, mit den fremden Truppen, welche die Stadt und den Willen des Papstes beherrschen, ein Ende zu machen. Er bewilligte endlich einen 24stündigen Aufschub einer entscheidenden Operation. Am 19. September zeigte von Arnim dem General brieflich an, daß die Versuche zum Aufgeben des bewaffneten Widerstandes gescheitert seien und dankte für den gewährten Aufschub. „Unter diesen Umständen", meint die Gazzetta uffiziale, „sei un¬ zweifelhaft ein Druck Seitens der fremden Truppen auf die römischen Behör¬ den ausgeübt worden. Es erübrige Cadorna nur, mit Gewalt zu erreichen, was auf dem Wege d-er Versöhnung nicht zu erzielen war." Es wurden nun alle Maßregeln getroffen, daß, falls ein Sturm nothwendig würde, Rom möglichst geringen Schaden erleide, und die Ordnung aufrecht erhalten werde. In der Stadt hatte sich eine Deputation römischer Bürger an Antonelli mit der Bitte gewandt, jedes Blutvergießen beim Einrücken der Truppen zu ver¬ hindern und namentlich Maßregeln zu treffen, um die von den Zuaven kund¬ gegebene Absicht, den italienischen Truppen in den Straßen Roms Wider¬ stand zu leisten, zu vereiteln. Obwohl in den ersten Stunden des 20. September die Vertheidigung der von drei Seiten angegriffenen Stadt durchgeführt wurde, so war doch der Widerstand nicht lange möglich. Nach fünfstündiger gegenseitiger Kano¬ nade, bei welcher einige Häuser durch Granaden in Brand gesteckt wurden, wurde der Sturm auf die bei dem Piusthore geschossene Bresche ausgeführt und nach einer halben Stunde war den Italienern der Einzug nach Rom offen. Als sie nun, ein Regiment nach dem andern, einmarschirten, strömte ihnen auf der langen Straße, welche vom Piusthor nach dem Quirinal führt, eine freudige Volksmasse entgegen; dann sprengte ein Piquet päpstlicher Dragoner heran, an der Spitze der Stabsofficier mit einer weißen Fahne und der vom Papste erhaltenen Einwilligung der Uebergabe Roms. Dieser Schritt war bereits überflüssig geworden. Das Feuer wurde auf allen Seiten eingestellt, und eine lange Reihe von Wagen, welche das auswärtige diplomatische Corps enthielten, überbrachten im Namen Pius IX. einen Protest, welcher dem Ge¬ neral Cadorna übergeben werden sollte. Unter dem Jubel des Volkes our-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/366>, abgerufen am 23.07.2024.