Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.lich Politik und Religion von ihren Verhandlungen aus; aber dennoch blieben Dennoch ward diese Zeit des Kampfes die eigentliche Blüthezeit der Ver¬ Mit dem Jahre 1866 läßt die Scheelsucht der Regierungen gegen diese Während das Mißtrauen der Regierungen gegen die Bildungsvereine lich Politik und Religion von ihren Verhandlungen aus; aber dennoch blieben Dennoch ward diese Zeit des Kampfes die eigentliche Blüthezeit der Ver¬ Mit dem Jahre 1866 läßt die Scheelsucht der Regierungen gegen diese Während das Mißtrauen der Regierungen gegen die Bildungsvereine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125280"/> <p xml:id="ID_109" prev="#ID_108"> lich Politik und Religion von ihren Verhandlungen aus; aber dennoch blieben<lb/> sie in den Augen der Regierenden verpönt, und nicht wenige abhängige<lb/> Männer, die im edlen Eifer für Volksbildung solchen Vereinen ihre Thätig¬<lb/> keit in Mußestunden widmeten, erfuhren amtliche Zurechtweisungen und Zurück¬<lb/> setzungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_110"> Dennoch ward diese Zeit des Kampfes die eigentliche Blüthezeit der Ver¬<lb/> eine dieser Art. Es gibt deren in Provinzialstädten wie z> B. Elberfeld, Hil¬<lb/> desheim u. a. in., welche in diesen Jahren aus eigenen Mitteln gute Volks¬<lb/> bibliotheken von 4—6000 Bänden geschaffen haben. Was Berlin nach dieser<lb/> Seite unter der Theilnahme seines hochsinnigen, politisch reifen und thätigen<lb/> Gelehrtenstandes für die Gründung von zahlreichen und erlesenen Volksbiblio¬<lb/> theken gethan hat, ist musterhaft und ganz außerordentlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_111"> Mit dem Jahre 1866 läßt die Scheelsucht der Regierungen gegen diese<lb/> Vereine, die ohne sie und zum Theil trotz ihrer geworden waren, etwas nach.<lb/> Es lag dies in der damals alle Parteien durchziehenden versöhnlichen Stim¬<lb/> mung und in der von Feind und Freund ausgesprochenen Erkenntniß, was<lb/> ein gebildetes Volk und also auch ein gebildetes Heer werth sei. Die Redens¬<lb/> art vom preußischen Schulmeister, der den östreichischen geschlagen habe, wurde,<lb/> obwohl amtlich berichtigt, dennoch ein volksthümliches Schlagwort, das man<lb/> sich nach oben hin um so mehr gefallen lassen konnte, je mehr die liberale<lb/> Partei gegen das Volksschulwesen der Regulative Sturm lief. Diesem Hoch¬<lb/> gefühle setzte die pariser Industrieausstellung des Jahres 1867 einen starken<lb/> Dämpfer auf. Man erkannte mit Beschämung, wie die deutsche Industrie,<lb/> bei aller ihrer Tüchtigkeit und Großartigkeit im Einzelnen, dennoch im Ganzen<lb/> in den Künsten des Geschmacks hinter anderen Nationen zurück war. Jetzt<lb/> verstummten die Anklagen, jetzt hörte das Achselzucken über die Vereine auf,<lb/> die sich des Jünglings angenommen hatten, der nach der kümmerlichen Volks¬<lb/> schule ein Mehr an Wissen und Können verlangt hatte. So entstanden,<lb/> freilich nicht auf Veranlassung des Unterrichts-, sondern des Handels -<lb/> Ministers, jene neuen, höchst vortrefflich eingerichteten und sofort überflutheten<lb/> gewerblichen Zeichenschulen, welche den freiwilligen Bildungsvereinen grade<lb/> denjenigen Zweig ihrer Thätigkeit abnahmen, dem sie nach ihrer engen An¬<lb/> lage und bei den mangelnden Mitteln bisher in der Regel am wenigsten hatten<lb/> gerecht werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_112" next="#ID_113"> Während das Mißtrauen der Regierungen gegen die Bildungsvereine<lb/> schwand, erwachte im Schoße derselben ein neuer gefährlicherer Gegner. Das<lb/> Jahr 66 hatte das allgemeine Stimmrecht und damit die Entfesselung der<lb/> socialistischen Agitation gebracht. Die Führer dieser Bewegung schrieben die<lb/> Feindschaft gegen die Bildung auf ihre Fahne. Wo bliebe auch in einem<lb/> gebildeten Volke noch Boden für die phantastischen Capriolen socialistischer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
lich Politik und Religion von ihren Verhandlungen aus; aber dennoch blieben
sie in den Augen der Regierenden verpönt, und nicht wenige abhängige
Männer, die im edlen Eifer für Volksbildung solchen Vereinen ihre Thätig¬
keit in Mußestunden widmeten, erfuhren amtliche Zurechtweisungen und Zurück¬
setzungen.
Dennoch ward diese Zeit des Kampfes die eigentliche Blüthezeit der Ver¬
eine dieser Art. Es gibt deren in Provinzialstädten wie z> B. Elberfeld, Hil¬
desheim u. a. in., welche in diesen Jahren aus eigenen Mitteln gute Volks¬
bibliotheken von 4—6000 Bänden geschaffen haben. Was Berlin nach dieser
Seite unter der Theilnahme seines hochsinnigen, politisch reifen und thätigen
Gelehrtenstandes für die Gründung von zahlreichen und erlesenen Volksbiblio¬
theken gethan hat, ist musterhaft und ganz außerordentlich.
Mit dem Jahre 1866 läßt die Scheelsucht der Regierungen gegen diese
Vereine, die ohne sie und zum Theil trotz ihrer geworden waren, etwas nach.
Es lag dies in der damals alle Parteien durchziehenden versöhnlichen Stim¬
mung und in der von Feind und Freund ausgesprochenen Erkenntniß, was
ein gebildetes Volk und also auch ein gebildetes Heer werth sei. Die Redens¬
art vom preußischen Schulmeister, der den östreichischen geschlagen habe, wurde,
obwohl amtlich berichtigt, dennoch ein volksthümliches Schlagwort, das man
sich nach oben hin um so mehr gefallen lassen konnte, je mehr die liberale
Partei gegen das Volksschulwesen der Regulative Sturm lief. Diesem Hoch¬
gefühle setzte die pariser Industrieausstellung des Jahres 1867 einen starken
Dämpfer auf. Man erkannte mit Beschämung, wie die deutsche Industrie,
bei aller ihrer Tüchtigkeit und Großartigkeit im Einzelnen, dennoch im Ganzen
in den Künsten des Geschmacks hinter anderen Nationen zurück war. Jetzt
verstummten die Anklagen, jetzt hörte das Achselzucken über die Vereine auf,
die sich des Jünglings angenommen hatten, der nach der kümmerlichen Volks¬
schule ein Mehr an Wissen und Können verlangt hatte. So entstanden,
freilich nicht auf Veranlassung des Unterrichts-, sondern des Handels -
Ministers, jene neuen, höchst vortrefflich eingerichteten und sofort überflutheten
gewerblichen Zeichenschulen, welche den freiwilligen Bildungsvereinen grade
denjenigen Zweig ihrer Thätigkeit abnahmen, dem sie nach ihrer engen An¬
lage und bei den mangelnden Mitteln bisher in der Regel am wenigsten hatten
gerecht werden können.
Während das Mißtrauen der Regierungen gegen die Bildungsvereine
schwand, erwachte im Schoße derselben ein neuer gefährlicherer Gegner. Das
Jahr 66 hatte das allgemeine Stimmrecht und damit die Entfesselung der
socialistischen Agitation gebracht. Die Führer dieser Bewegung schrieben die
Feindschaft gegen die Bildung auf ihre Fahne. Wo bliebe auch in einem
gebildeten Volke noch Boden für die phantastischen Capriolen socialistischer
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