Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.äste." -- Im Allgemeinen aber herrscht doch in deutscher Sage, soweit sie An vielen Orten Deutschlands nämlich weiß man von einem Kriegs¬ "In der zum Kampf sich finden Der Baum, an den der auferstandene Götterkönig den Heerschild äste." — Im Allgemeinen aber herrscht doch in deutscher Sage, soweit sie An vielen Orten Deutschlands nämlich weiß man von einem Kriegs¬ „In der zum Kampf sich finden Der Baum, an den der auferstandene Götterkönig den Heerschild <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125557"/> <p xml:id="ID_1123" prev="#ID_1122"> äste." — Im Allgemeinen aber herrscht doch in deutscher Sage, soweit sie<lb/> uns erhalten ist, die schon entstellte Form des Mythus vor, die den Gott in<lb/> irdischen Bergen ruhen läßt, und gerade in dieser Gestalt hat sie eine unge-<lb/> mein reiche Entwickelung erfahren, indem sie hundertfältig localistrt und —<lb/> gerade wie der Mythus von der wilden Jagd — historischen Lieblings¬<lb/> gestalten des Volkes aufs Innigste verbunden wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1124"> An vielen Orten Deutschlands nämlich weiß man von einem Kriegs¬<lb/> heer, das in dem Berge schläft, mit irgend einem Helden an der Spitze,<lb/> sei es Carolus Magnus, Heinrich der Vogler oder Otto der Große, an dessen<lb/> manches Jahrhundert durch inne gehabte Stelle im Kyfhäuser später Friedrich<lb/> Rothbart trat. Jedermann in Norddeutschland ist bekannt, wie Barba¬<lb/> rossa, unten im Berge mit seinen Helden schlummernd, jenes Auferstehungs¬<lb/> tages harrt, an dem die Raben (Wodans Vögel) nicht -mehr um den Berg<lb/> fliegen werden, und jeder Süddeutsche hofft auf den Tag, an dem der Kaiser<lb/> Karl an der Spitze eines gewaltigen Heeres ans dem Untersberg bei Salz¬<lb/> burg hervorbrechen wird, um die letzte aller Schlachten zu schlagen, und nach<lb/> dem Siege seinen glänzenden Heerschild aufzuhängen an jenem längst abge¬<lb/> storbenen dürren Birnbaum auf dem Walserfeld, der in dem Augenblicke dann<lb/> ergrünen, und Deutschlands neue Größe durch dies lichte Frühlingswunder<lb/> künden wird. — Diese letzte Schlacht des Kaisers aber, sie ist ursprünglich<lb/> auch nichts anderes, als der in den Lenz stürmen auszufechtende Kcünpf<lb/> zwischen Winter und Sommer, und in weiter entwickelter kosmischer Auffassung<lb/> die Götterdämmerung, die Weltschlacht beim Anbruch des jüngsten Tages,<lb/> jene Wigridsschlacht der Edda,</p><lb/> <quote> „In der zum Kampf sich finden<lb/> Surtur und die ewigen Götter." —</quote><lb/> <p xml:id="ID_1125"> Der Baum, an den der auferstandene Götterkönig den Heerschild<lb/> hängen wird, das ist der Welten dann, an welchem die siegende Sonne<lb/> leuchtend erscheint, so daß er, der verdorrte, neu aufgrünt bei ihrem warmen<lb/> himmlischen Strahl; sei dieser Strahl nun das Neulicht des einzelnen Jahrs,<lb/> oder das Licht einer neu anbrechenden Weltepoche. In beiden Fällen<lb/> ists recht eigentlich der Weihn achtsba um; und so steht denn dies volks¬<lb/> tümliche, uns allen so liebe und vielvertraute festliche Symbol an der<lb/> Schwelle, wie am Ausgang des reichen Sagenkreises, der sich geschaart hat<lb/> um Wodan als Jahrgott.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0313]
äste." — Im Allgemeinen aber herrscht doch in deutscher Sage, soweit sie
uns erhalten ist, die schon entstellte Form des Mythus vor, die den Gott in
irdischen Bergen ruhen läßt, und gerade in dieser Gestalt hat sie eine unge-
mein reiche Entwickelung erfahren, indem sie hundertfältig localistrt und —
gerade wie der Mythus von der wilden Jagd — historischen Lieblings¬
gestalten des Volkes aufs Innigste verbunden wurde.
An vielen Orten Deutschlands nämlich weiß man von einem Kriegs¬
heer, das in dem Berge schläft, mit irgend einem Helden an der Spitze,
sei es Carolus Magnus, Heinrich der Vogler oder Otto der Große, an dessen
manches Jahrhundert durch inne gehabte Stelle im Kyfhäuser später Friedrich
Rothbart trat. Jedermann in Norddeutschland ist bekannt, wie Barba¬
rossa, unten im Berge mit seinen Helden schlummernd, jenes Auferstehungs¬
tages harrt, an dem die Raben (Wodans Vögel) nicht -mehr um den Berg
fliegen werden, und jeder Süddeutsche hofft auf den Tag, an dem der Kaiser
Karl an der Spitze eines gewaltigen Heeres ans dem Untersberg bei Salz¬
burg hervorbrechen wird, um die letzte aller Schlachten zu schlagen, und nach
dem Siege seinen glänzenden Heerschild aufzuhängen an jenem längst abge¬
storbenen dürren Birnbaum auf dem Walserfeld, der in dem Augenblicke dann
ergrünen, und Deutschlands neue Größe durch dies lichte Frühlingswunder
künden wird. — Diese letzte Schlacht des Kaisers aber, sie ist ursprünglich
auch nichts anderes, als der in den Lenz stürmen auszufechtende Kcünpf
zwischen Winter und Sommer, und in weiter entwickelter kosmischer Auffassung
die Götterdämmerung, die Weltschlacht beim Anbruch des jüngsten Tages,
jene Wigridsschlacht der Edda,
„In der zum Kampf sich finden
Surtur und die ewigen Götter." —
Der Baum, an den der auferstandene Götterkönig den Heerschild
hängen wird, das ist der Welten dann, an welchem die siegende Sonne
leuchtend erscheint, so daß er, der verdorrte, neu aufgrünt bei ihrem warmen
himmlischen Strahl; sei dieser Strahl nun das Neulicht des einzelnen Jahrs,
oder das Licht einer neu anbrechenden Weltepoche. In beiden Fällen
ists recht eigentlich der Weihn achtsba um; und so steht denn dies volks¬
tümliche, uns allen so liebe und vielvertraute festliche Symbol an der
Schwelle, wie am Ausgang des reichen Sagenkreises, der sich geschaart hat
um Wodan als Jahrgott.
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