Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.I. Württemberg bis zum Ausbvuch des Kriegs. Mit dem Jahre 187! beginnt für Schwaben eine neue politische Epoche. Die Noch vor wenigen Monaten stand die Staatsregierung thatsächlich unter Um dieses gemeinsamen Zieles willen hatten sich die schwäbischen An¬ I. Württemberg bis zum Ausbvuch des Kriegs. Mit dem Jahre 187! beginnt für Schwaben eine neue politische Epoche. Die Noch vor wenigen Monaten stand die Staatsregierung thatsächlich unter Um dieses gemeinsamen Zieles willen hatten sich die schwäbischen An¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125480"/> </div> <div n="1"> <head> </head><lb/> <div n="2"> <head> I. Württemberg bis zum Ausbvuch des Kriegs.</head><lb/> <p xml:id="ID_893"> Mit dem Jahre 187! beginnt für Schwaben eine neue politische Epoche. Die<lb/> Erfolge, welche der nationale Gedanke seit den welthistorischen Ereignissen der letz'<lb/> ten Monate bei uns errungen hat, und die Wandlungen, welche seitdem in Haupt<lb/> und Gliedern des Staats vor sich gegangen sind, übersteigen die kühnsten<lb/> Erwartungen. Württemberg hat damit wieder in diejenige Bahn eingelenkt,<lb/> aus welche die Geschichte dreier Jahrhunderte seine Politik verwiesen hat, und<lb/> von welcher nur die Verblendung der Partcileidenschaft Regierung und Volk<lb/> auf einige Jahre abbringen konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_894"> Noch vor wenigen Monaten stand die Staatsregierung thatsächlich unter<lb/> dem Einfluß einer Kammermajorität, welche, geleitet von dem aus dem Zoll<lb/> Parlament bekannten „Appellschwaben" Probst und dem Föderativrepubli-<lb/> kaner Carl Mayer, von Württemberg aus die Geschicke Europas bestimmen<lb/> zu können glaubte. Die Unfehlbarkeit des Papstes und die Unfehlbarkeit der<lb/> Demokratie sollte in den „vereinigten Staaten von Europa" ihre Verwirk¬<lb/> lichung finden, und da man in dem preußischen Staat das größte Hinderniß<lb/> für die Erreichung dieses Ziels erkannte, war das „Lillvwrum «eng««, Lo-<lb/> i'U88>!zur W8s ckklonätmr" des Pariser Literaten Ludwig Pfau der Wahlspruch<lb/> des demokratischen „Beobachters", wie des ultramontanen „Deutschen Volks¬<lb/> blatts". In Württemberg sollte zuerst mit dem Unternehmen begonnen wer¬<lb/> den durch Sprengung der Fesseln, mit welchen in den Bündnißverträgen der<lb/> „Militarismus" das freie Schwaben an den Nordbund gekettet hatte. War erst<lb/> einmal unser Land dieser Banden ledig, so hoffte man „unter Ablösung der<lb/> Monarchie als einer Feudallast" im Verein mit den bayerischen Patrioten,<lb/> deren Führer schon längst erklärt hatten, daß die Wittelsbacher und die Mon¬<lb/> archie überhaupt keinen wesentlichen Theil ihres Programms bilden, die<lb/> süddeutsche Republik zu gründen. Für die Vernichtung des nordischen „Cä-<lb/> sarenstaats" rechnete man dagegen auf die Allianz des Welsenthums, welches<lb/> durch I. Frese und die demokratische Correspondenz, an deren Stelle später<lb/> die „Wiener Tagespresse" trat, im engsten Zusammenhang mit unseren De¬<lb/> mokraten und Ultramontanen blieb.</p><lb/> <p xml:id="ID_895" next="#ID_896"> Um dieses gemeinsamen Zieles willen hatten sich die schwäbischen An¬<lb/> hänger Jacoby's. Bebel's und Liebknecht's gänzlich an die Ultramontanen<lb/> verkauft. Das benachbarte, im preußischen Helotenthum befangene Baden</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0236]
I. Württemberg bis zum Ausbvuch des Kriegs.
Mit dem Jahre 187! beginnt für Schwaben eine neue politische Epoche. Die
Erfolge, welche der nationale Gedanke seit den welthistorischen Ereignissen der letz'
ten Monate bei uns errungen hat, und die Wandlungen, welche seitdem in Haupt
und Gliedern des Staats vor sich gegangen sind, übersteigen die kühnsten
Erwartungen. Württemberg hat damit wieder in diejenige Bahn eingelenkt,
aus welche die Geschichte dreier Jahrhunderte seine Politik verwiesen hat, und
von welcher nur die Verblendung der Partcileidenschaft Regierung und Volk
auf einige Jahre abbringen konnte.
Noch vor wenigen Monaten stand die Staatsregierung thatsächlich unter
dem Einfluß einer Kammermajorität, welche, geleitet von dem aus dem Zoll
Parlament bekannten „Appellschwaben" Probst und dem Föderativrepubli-
kaner Carl Mayer, von Württemberg aus die Geschicke Europas bestimmen
zu können glaubte. Die Unfehlbarkeit des Papstes und die Unfehlbarkeit der
Demokratie sollte in den „vereinigten Staaten von Europa" ihre Verwirk¬
lichung finden, und da man in dem preußischen Staat das größte Hinderniß
für die Erreichung dieses Ziels erkannte, war das „Lillvwrum «eng««, Lo-
i'U88>!zur W8s ckklonätmr" des Pariser Literaten Ludwig Pfau der Wahlspruch
des demokratischen „Beobachters", wie des ultramontanen „Deutschen Volks¬
blatts". In Württemberg sollte zuerst mit dem Unternehmen begonnen wer¬
den durch Sprengung der Fesseln, mit welchen in den Bündnißverträgen der
„Militarismus" das freie Schwaben an den Nordbund gekettet hatte. War erst
einmal unser Land dieser Banden ledig, so hoffte man „unter Ablösung der
Monarchie als einer Feudallast" im Verein mit den bayerischen Patrioten,
deren Führer schon längst erklärt hatten, daß die Wittelsbacher und die Mon¬
archie überhaupt keinen wesentlichen Theil ihres Programms bilden, die
süddeutsche Republik zu gründen. Für die Vernichtung des nordischen „Cä-
sarenstaats" rechnete man dagegen auf die Allianz des Welsenthums, welches
durch I. Frese und die demokratische Correspondenz, an deren Stelle später
die „Wiener Tagespresse" trat, im engsten Zusammenhang mit unseren De¬
mokraten und Ultramontanen blieb.
Um dieses gemeinsamen Zieles willen hatten sich die schwäbischen An¬
hänger Jacoby's. Bebel's und Liebknecht's gänzlich an die Ultramontanen
verkauft. Das benachbarte, im preußischen Helotenthum befangene Baden
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