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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Dreikönigstage gefeiert, weil man die Geburt des ersten Adams, welcher am
sechsten Tage der Schöpfungswoche geboren worden, in Beziehung setzen
wollte mit der Erscheinung des Heilands als des zweiten Adam, der die
Wiedergeburt der Menschen bewirkt und darum nannte man diesen Tag
Epiphania, das Fest der Erscheinung Christi. Später aber verlegte man
das Geburtsfest des Herrn auf den 2S. December, also in die Zwölften,
denn man wollte -- und dies war eine sehr schöne Idee -- die Geburts¬
feier der sinnlichen Sonne adeln und zu einem christlichen Feste erheben, in¬
dem man gleichzeitig mit ihr die Geburt des geistigen Neulichts feierte, das
allen Menschen aufgegangen sei aus dunkler Nacht und nun von Tage zu
Tage wachsen werde, um nimmer zu erlöschen.

Dieser Anschauung gemäß wurden alsbald auch die altgermanischen
Symbole des Weihnachtsfestes umgedeutet. Wodans Heiligthümer waren
gold geschmückt; und noch heut schmücken die Kinder mit Schaumgold ihren
Weihnachtsbaum. Dieser äpfelbehangene erleuchtete Baum bedeutete
aber ursprünglich die Weltesche, den Wetterbaum, der die Jdunas-Aepfel
ewiger Jugend trug, und dem die Wintersonnenwende den ersehnten Glanz
neuen Frühlingslichtes verkündete und verhieß.

Bald freilich wurde er von den christgewordenen Germanen als jener
Baum Edens aufgefaßt, an dessen Aepfeln sich der Mensch den Tod gegessen,
der aber nun im neuen Lichte strahle, da der welterleuchtende Christus den
Menschen das Paradies wiedergewonnen habe. -- Jene uralten Cultusge¬
bräuche der Germanen, welche den Umzug Wodans in dramatischen
Spielen gefeiert hatten, wurden jetzt mit den Christmetten des heiligen
Abends verbunden, bei welchen ohnedies bereits herkömmlicherweise dramatische
Darstellungen, namentlich solche von der Geburt Christi zur Aufführung
kamen, naive Schauspiele, denen die betreffenden, von den Evangelisten er¬
zählten Nebenumstände zu Grunde gelegt und in der mannigfachsten Weise
ausgeschmückt und erweitert wurden. In Folge dieser Verbindung haben sich
die Reste der altheidnischen Cultus-Spiele, die den Umzug des Sonnenwend-
Wodans dargestellt, sehr lange erhalten, ja sie treten, freilich als höchst ein¬
fache und unkünstlerische Darstellungen, noch bis heut zu Tage unter den
Weihnachtsgebräuchen des Volkes auf. -- In manchen östreichischen Dörfern
reitet z. B. zu Weihnachten der "Sunnenwendfeuermann auf dem
golda Rossi" von einem Markstein des Dorfes zum andern, legt den
Kindern Gaben auf's Fenstergesims und bringt auch Erwachsenen, die an
das golda Rossi glauben, "a Feiertag'wand, und a Zwieguld'n" -- In West¬
falen kommt, dem Volksglauben nach "das Christkind" auf einem Schimmel
geritten, und man setzt Heu und Hafer vor die Thür, damit das Pferd
fressen könne.


Dreikönigstage gefeiert, weil man die Geburt des ersten Adams, welcher am
sechsten Tage der Schöpfungswoche geboren worden, in Beziehung setzen
wollte mit der Erscheinung des Heilands als des zweiten Adam, der die
Wiedergeburt der Menschen bewirkt und darum nannte man diesen Tag
Epiphania, das Fest der Erscheinung Christi. Später aber verlegte man
das Geburtsfest des Herrn auf den 2S. December, also in die Zwölften,
denn man wollte — und dies war eine sehr schöne Idee — die Geburts¬
feier der sinnlichen Sonne adeln und zu einem christlichen Feste erheben, in¬
dem man gleichzeitig mit ihr die Geburt des geistigen Neulichts feierte, das
allen Menschen aufgegangen sei aus dunkler Nacht und nun von Tage zu
Tage wachsen werde, um nimmer zu erlöschen.

Dieser Anschauung gemäß wurden alsbald auch die altgermanischen
Symbole des Weihnachtsfestes umgedeutet. Wodans Heiligthümer waren
gold geschmückt; und noch heut schmücken die Kinder mit Schaumgold ihren
Weihnachtsbaum. Dieser äpfelbehangene erleuchtete Baum bedeutete
aber ursprünglich die Weltesche, den Wetterbaum, der die Jdunas-Aepfel
ewiger Jugend trug, und dem die Wintersonnenwende den ersehnten Glanz
neuen Frühlingslichtes verkündete und verhieß.

Bald freilich wurde er von den christgewordenen Germanen als jener
Baum Edens aufgefaßt, an dessen Aepfeln sich der Mensch den Tod gegessen,
der aber nun im neuen Lichte strahle, da der welterleuchtende Christus den
Menschen das Paradies wiedergewonnen habe. — Jene uralten Cultusge¬
bräuche der Germanen, welche den Umzug Wodans in dramatischen
Spielen gefeiert hatten, wurden jetzt mit den Christmetten des heiligen
Abends verbunden, bei welchen ohnedies bereits herkömmlicherweise dramatische
Darstellungen, namentlich solche von der Geburt Christi zur Aufführung
kamen, naive Schauspiele, denen die betreffenden, von den Evangelisten er¬
zählten Nebenumstände zu Grunde gelegt und in der mannigfachsten Weise
ausgeschmückt und erweitert wurden. In Folge dieser Verbindung haben sich
die Reste der altheidnischen Cultus-Spiele, die den Umzug des Sonnenwend-
Wodans dargestellt, sehr lange erhalten, ja sie treten, freilich als höchst ein¬
fache und unkünstlerische Darstellungen, noch bis heut zu Tage unter den
Weihnachtsgebräuchen des Volkes auf. — In manchen östreichischen Dörfern
reitet z. B. zu Weihnachten der „Sunnenwendfeuermann auf dem
golda Rossi" von einem Markstein des Dorfes zum andern, legt den
Kindern Gaben auf's Fenstergesims und bringt auch Erwachsenen, die an
das golda Rossi glauben, „a Feiertag'wand, und a Zwieguld'n" — In West¬
falen kommt, dem Volksglauben nach „das Christkind" auf einem Schimmel
geritten, und man setzt Heu und Hafer vor die Thür, damit das Pferd
fressen könne.


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[0178] Dreikönigstage gefeiert, weil man die Geburt des ersten Adams, welcher am sechsten Tage der Schöpfungswoche geboren worden, in Beziehung setzen wollte mit der Erscheinung des Heilands als des zweiten Adam, der die Wiedergeburt der Menschen bewirkt und darum nannte man diesen Tag Epiphania, das Fest der Erscheinung Christi. Später aber verlegte man das Geburtsfest des Herrn auf den 2S. December, also in die Zwölften, denn man wollte — und dies war eine sehr schöne Idee — die Geburts¬ feier der sinnlichen Sonne adeln und zu einem christlichen Feste erheben, in¬ dem man gleichzeitig mit ihr die Geburt des geistigen Neulichts feierte, das allen Menschen aufgegangen sei aus dunkler Nacht und nun von Tage zu Tage wachsen werde, um nimmer zu erlöschen. Dieser Anschauung gemäß wurden alsbald auch die altgermanischen Symbole des Weihnachtsfestes umgedeutet. Wodans Heiligthümer waren gold geschmückt; und noch heut schmücken die Kinder mit Schaumgold ihren Weihnachtsbaum. Dieser äpfelbehangene erleuchtete Baum bedeutete aber ursprünglich die Weltesche, den Wetterbaum, der die Jdunas-Aepfel ewiger Jugend trug, und dem die Wintersonnenwende den ersehnten Glanz neuen Frühlingslichtes verkündete und verhieß. Bald freilich wurde er von den christgewordenen Germanen als jener Baum Edens aufgefaßt, an dessen Aepfeln sich der Mensch den Tod gegessen, der aber nun im neuen Lichte strahle, da der welterleuchtende Christus den Menschen das Paradies wiedergewonnen habe. — Jene uralten Cultusge¬ bräuche der Germanen, welche den Umzug Wodans in dramatischen Spielen gefeiert hatten, wurden jetzt mit den Christmetten des heiligen Abends verbunden, bei welchen ohnedies bereits herkömmlicherweise dramatische Darstellungen, namentlich solche von der Geburt Christi zur Aufführung kamen, naive Schauspiele, denen die betreffenden, von den Evangelisten er¬ zählten Nebenumstände zu Grunde gelegt und in der mannigfachsten Weise ausgeschmückt und erweitert wurden. In Folge dieser Verbindung haben sich die Reste der altheidnischen Cultus-Spiele, die den Umzug des Sonnenwend- Wodans dargestellt, sehr lange erhalten, ja sie treten, freilich als höchst ein¬ fache und unkünstlerische Darstellungen, noch bis heut zu Tage unter den Weihnachtsgebräuchen des Volkes auf. — In manchen östreichischen Dörfern reitet z. B. zu Weihnachten der „Sunnenwendfeuermann auf dem golda Rossi" von einem Markstein des Dorfes zum andern, legt den Kindern Gaben auf's Fenstergesims und bringt auch Erwachsenen, die an das golda Rossi glauben, „a Feiertag'wand, und a Zwieguld'n" — In West¬ falen kommt, dem Volksglauben nach „das Christkind" auf einem Schimmel geritten, und man setzt Heu und Hafer vor die Thür, damit das Pferd fressen könne.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/178>, abgerufen am 25.08.2024.