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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Hochverraths gemacht hätte, "um es Moment public A. Weh <?se me-
NÄe6" rief es denuncirend, den Blick nach Paris gewendet, "II appartient
an gouvornement lap6liat (!) as voir s'it veut per'aceti'ö ä un gouvzr-
nemknt (Zone I'exi8tenee 6exenä <Ze Imi (!) as xrotsser on tout an moins
toller plus lontzstvms la piovagancio active yui se kalt maintenant contre
la ?ranee u, s. w." So konnte man nur in Frankreich selbst sprechen, und
in der That hatte auch der Kaiser Napoleon bei Eröffnung der Kammern
am 1. Februar erklärt: "er habe für die Sicherheit des Kaiserthums die
französische Seite (!) der Alpen reclamirt, weil die Verwandlung Nord-Italiens
in einen mächtigen Staat diesem alle Pässe (?) der Alpen in die Hände gegeben
habe". Fortan wurde dann auch das Haus des französischen Consuls in
Nizza der offizielle Heerd der Annerionsbewegung und der Niedertretung des
italienischen Ehr- und Schamgefühls, wodurch er als echter Franzose die
Bürger der Stadt offenbar am besten auf die ihnen zugedachte Würde des
französischen Bürgerrechts vorzubereiten und anzulernen glaubte. Am 14. Mai
enthielt das "Avenir de Rice" schon die "ganz sichere" Mittheilung über den
Abschluß des Annerions-Vertrags, kündigte das baldige Eintreffen französi¬
scher Truppen an, und schloß mit der unverschämten Zuversicht, daß "der
Behörde bis zum letzten Augenblick gelingen würde, die Ordnung gegen die
Aufreizungen ihrer eigenen Anhänger aufrecht zu erhalten."

Die Gemeindebehörden beschlossen in dieser Lage -- vermuthlich mehr
um die Wahrheit an der Quelle zu erfahren, als aus großer Hoffnung auf
Erfolg -- einen directen Bittgang zum König nach Turin. Durchaus würdevoll
war die von der Junta gegen eine einzige Stimme beschlossene Adresse, wenn
sie sagte: "Sire! hören Sie auf unsere Stimme, denn sie wendet sich an Sie
im Namen der Geschichte, die Nizza seit fünf Jahrhunderten mit Ihrem Ge"
schlechte gemein hat, im Namen der steten und unveränderlichen Treue, die
es Ew. Majestät Vorgängern und Ew. Maj. selbst unverbrüchlich bewiesen,
endlich im Namen der Opfer und Leiden, die es für seine Treue ertrug. Un¬
möglich ist, daß der Gedanke, sich von so treuen und uralten Unterthanen zu
trennen, nicht Ew. Maj. großmüthiges Herz erschüttre. Sire, folgen Sie
diesem Gefühl und hinterlassen Sie Ihren Nachkommen diesen Theil des
ruhmvollen Erbes, das Sie von Ihren Ahnen erhielten." Weniger würdevoll
verlangte die Adresse für den schlimmsten Fall die Neutralisirung Nizzas.
Am I7ten März 1860 verließ die Adreßdeputation unter dem jubelnden Zu¬
rufe Tausender ihre Vaterstadt, am 21ten wurde sie bereits vom Grafen Ca-
vour empfangen, mit Wärme und Freundlichkeit natürlich, aber auch mit
schrankenloser Offenheit über die Hoffnungslosigkeit ihrer Bitten. Er sprach
ihnen von den "gebieterischen (imperieux) Beweggründen, welche den König
bewogen hätten, den Forderungen (exigenoes) Frankreichs nachzugeben", und


Hochverraths gemacht hätte, „um es Moment public A. Weh <?se me-
NÄe6" rief es denuncirend, den Blick nach Paris gewendet, „II appartient
an gouvornement lap6liat (!) as voir s'it veut per'aceti'ö ä un gouvzr-
nemknt (Zone I'exi8tenee 6exenä <Ze Imi (!) as xrotsser on tout an moins
toller plus lontzstvms la piovagancio active yui se kalt maintenant contre
la ?ranee u, s. w." So konnte man nur in Frankreich selbst sprechen, und
in der That hatte auch der Kaiser Napoleon bei Eröffnung der Kammern
am 1. Februar erklärt: „er habe für die Sicherheit des Kaiserthums die
französische Seite (!) der Alpen reclamirt, weil die Verwandlung Nord-Italiens
in einen mächtigen Staat diesem alle Pässe (?) der Alpen in die Hände gegeben
habe". Fortan wurde dann auch das Haus des französischen Consuls in
Nizza der offizielle Heerd der Annerionsbewegung und der Niedertretung des
italienischen Ehr- und Schamgefühls, wodurch er als echter Franzose die
Bürger der Stadt offenbar am besten auf die ihnen zugedachte Würde des
französischen Bürgerrechts vorzubereiten und anzulernen glaubte. Am 14. Mai
enthielt das „Avenir de Rice" schon die „ganz sichere" Mittheilung über den
Abschluß des Annerions-Vertrags, kündigte das baldige Eintreffen französi¬
scher Truppen an, und schloß mit der unverschämten Zuversicht, daß „der
Behörde bis zum letzten Augenblick gelingen würde, die Ordnung gegen die
Aufreizungen ihrer eigenen Anhänger aufrecht zu erhalten."

Die Gemeindebehörden beschlossen in dieser Lage — vermuthlich mehr
um die Wahrheit an der Quelle zu erfahren, als aus großer Hoffnung auf
Erfolg — einen directen Bittgang zum König nach Turin. Durchaus würdevoll
war die von der Junta gegen eine einzige Stimme beschlossene Adresse, wenn
sie sagte: „Sire! hören Sie auf unsere Stimme, denn sie wendet sich an Sie
im Namen der Geschichte, die Nizza seit fünf Jahrhunderten mit Ihrem Ge»
schlechte gemein hat, im Namen der steten und unveränderlichen Treue, die
es Ew. Majestät Vorgängern und Ew. Maj. selbst unverbrüchlich bewiesen,
endlich im Namen der Opfer und Leiden, die es für seine Treue ertrug. Un¬
möglich ist, daß der Gedanke, sich von so treuen und uralten Unterthanen zu
trennen, nicht Ew. Maj. großmüthiges Herz erschüttre. Sire, folgen Sie
diesem Gefühl und hinterlassen Sie Ihren Nachkommen diesen Theil des
ruhmvollen Erbes, das Sie von Ihren Ahnen erhielten." Weniger würdevoll
verlangte die Adresse für den schlimmsten Fall die Neutralisirung Nizzas.
Am I7ten März 1860 verließ die Adreßdeputation unter dem jubelnden Zu¬
rufe Tausender ihre Vaterstadt, am 21ten wurde sie bereits vom Grafen Ca-
vour empfangen, mit Wärme und Freundlichkeit natürlich, aber auch mit
schrankenloser Offenheit über die Hoffnungslosigkeit ihrer Bitten. Er sprach
ihnen von den „gebieterischen (imperieux) Beweggründen, welche den König
bewogen hätten, den Forderungen (exigenoes) Frankreichs nachzugeben", und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/135>, abgerufen am 25.07.2024.