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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Ausbildung in der Weise nur zu natürlich, daß sich Männer und Specu-
lanten fanden, welche Blätter besonders gründeten, um sich mit Hilfe dieser
finanziellen Sporteln zu bereichern. Ich spreche hier nicht von den Hoch¬
staplern, wie Girardin, Gibiat und Genty, die ihre drei Journale, die Liberte',
den Constitutionnel und die France zu einer Finanzliga zusammenthaten
und gemeinsam das Eigenthum der ersten Finanzwochenschrift Frankreichs, der
"semaine ftnanciere", für eine Million erwarben, um diese Goldmine
mit allen Kniffen und Künsten auszubeuten. Diese Herren spielten in das
Gebiet der Politik über; sie hatten Senatoren und Botschafter zu stillen
Compagnons, und wenn es galt, einige Millionen in ihre Taschen zu locken,
kam es ihnen auf einen kleinen Krieg, eine Schürung der orientalischen Frage
und dergleichen nicht im Geringsten an. Sie verfuhren im großen Stil und
haben sich, ganz wie Franz Moor, nie mit Lappalien abgegeben.

Aber die kleineren Leute, die nicht ganz leer ausgehen wollten, mußten
zu weniger heroischen Mitteln ihre Zuflucht nehmen, um auf einen grünen
Zweig zu kommen. Unter ihnen war Herr Paradis, der Gründer des "Moni-
teur des Tirages", zweifelsohne der Geschickteste. Bis zum Tage seiner Erleuch¬
tungwar er ein bescheidener Börsenreporter des Constitutionnel gewesen; nicht
schlimmer und nicht besser, wie Andere seines Zeichens auch. Da plötzlich ver¬
lor er seine Stellung, und er ging hin und gründete ein Ziehungslistenblatt,
mit welchem er eine billige und populäre Wochen-Börsenzeitung verband, im
Gegensatz zu den mehr aristokratischen Fincmzwochenblättern, die meist nur
für die sogenannte Häute Banque geschrieben waren. Herr Paradis hatte den
richtigen Gedanken, daß zu einer Zeit, da die Rente plebejisch wurde, auch ein
populär gehaltenes Börsenjournal zum längst gefühlten Bedürfniß geworden,
und flugs basirte er seine Speculation auf die Geldbeutel der kleinen Leute.
Da Verstand nun schon von jeher nur bei Wenigen zu finden war, so mußte
eine Operation, welche sich auf die Massen stützte, natürlich eine höchst glück¬
liche sein, sobald es sich darum handelte, diese Massen auszubeuten.

Anfänglich beschränkte er sich, um Vertrauen zu erwecken, auf seine Ver-
loosungslisten gezogener Staatspapiere, denen er einen kleinen raisonnirenden
Text beifügte. Da sein Abonnementspreis billig war, und er überdies ein
Jnseratensystem mit "langem Athemzuge" in allen gelesenen Zeitungen unter¬
hielt, so schaffte er sich schnell genug Clienten in den Kreisen der kleinen Ca-
pitalisten, die bei ihm ihr Blatt bestellten, sich bald von ihm Raths erholten
über vorzunehmende Capitalanlagen ze. und die ihn schließlich gar bald zu ihrem
Agenten, Commissivnair und Banquier in Paris bestellten. Nun war der große
Moment gekommen. Der "Moniteur des Tirages" war ein vielarmiges Bankhaus
geworden, und empfahl er bisher die Unternehmungen Anderer, wenn diese
bei ihm in das nöthige goldglänzende Licht gestellt waren, so gelangte er


Ausbildung in der Weise nur zu natürlich, daß sich Männer und Specu-
lanten fanden, welche Blätter besonders gründeten, um sich mit Hilfe dieser
finanziellen Sporteln zu bereichern. Ich spreche hier nicht von den Hoch¬
staplern, wie Girardin, Gibiat und Genty, die ihre drei Journale, die Liberte',
den Constitutionnel und die France zu einer Finanzliga zusammenthaten
und gemeinsam das Eigenthum der ersten Finanzwochenschrift Frankreichs, der
„semaine ftnanciere", für eine Million erwarben, um diese Goldmine
mit allen Kniffen und Künsten auszubeuten. Diese Herren spielten in das
Gebiet der Politik über; sie hatten Senatoren und Botschafter zu stillen
Compagnons, und wenn es galt, einige Millionen in ihre Taschen zu locken,
kam es ihnen auf einen kleinen Krieg, eine Schürung der orientalischen Frage
und dergleichen nicht im Geringsten an. Sie verfuhren im großen Stil und
haben sich, ganz wie Franz Moor, nie mit Lappalien abgegeben.

Aber die kleineren Leute, die nicht ganz leer ausgehen wollten, mußten
zu weniger heroischen Mitteln ihre Zuflucht nehmen, um auf einen grünen
Zweig zu kommen. Unter ihnen war Herr Paradis, der Gründer des „Moni-
teur des Tirages", zweifelsohne der Geschickteste. Bis zum Tage seiner Erleuch¬
tungwar er ein bescheidener Börsenreporter des Constitutionnel gewesen; nicht
schlimmer und nicht besser, wie Andere seines Zeichens auch. Da plötzlich ver¬
lor er seine Stellung, und er ging hin und gründete ein Ziehungslistenblatt,
mit welchem er eine billige und populäre Wochen-Börsenzeitung verband, im
Gegensatz zu den mehr aristokratischen Fincmzwochenblättern, die meist nur
für die sogenannte Häute Banque geschrieben waren. Herr Paradis hatte den
richtigen Gedanken, daß zu einer Zeit, da die Rente plebejisch wurde, auch ein
populär gehaltenes Börsenjournal zum längst gefühlten Bedürfniß geworden,
und flugs basirte er seine Speculation auf die Geldbeutel der kleinen Leute.
Da Verstand nun schon von jeher nur bei Wenigen zu finden war, so mußte
eine Operation, welche sich auf die Massen stützte, natürlich eine höchst glück¬
liche sein, sobald es sich darum handelte, diese Massen auszubeuten.

Anfänglich beschränkte er sich, um Vertrauen zu erwecken, auf seine Ver-
loosungslisten gezogener Staatspapiere, denen er einen kleinen raisonnirenden
Text beifügte. Da sein Abonnementspreis billig war, und er überdies ein
Jnseratensystem mit „langem Athemzuge" in allen gelesenen Zeitungen unter¬
hielt, so schaffte er sich schnell genug Clienten in den Kreisen der kleinen Ca-
pitalisten, die bei ihm ihr Blatt bestellten, sich bald von ihm Raths erholten
über vorzunehmende Capitalanlagen ze. und die ihn schließlich gar bald zu ihrem
Agenten, Commissivnair und Banquier in Paris bestellten. Nun war der große
Moment gekommen. Der „Moniteur des Tirages" war ein vielarmiges Bankhaus
geworden, und empfahl er bisher die Unternehmungen Anderer, wenn diese
bei ihm in das nöthige goldglänzende Licht gestellt waren, so gelangte er


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[0116] Ausbildung in der Weise nur zu natürlich, daß sich Männer und Specu- lanten fanden, welche Blätter besonders gründeten, um sich mit Hilfe dieser finanziellen Sporteln zu bereichern. Ich spreche hier nicht von den Hoch¬ staplern, wie Girardin, Gibiat und Genty, die ihre drei Journale, die Liberte', den Constitutionnel und die France zu einer Finanzliga zusammenthaten und gemeinsam das Eigenthum der ersten Finanzwochenschrift Frankreichs, der „semaine ftnanciere", für eine Million erwarben, um diese Goldmine mit allen Kniffen und Künsten auszubeuten. Diese Herren spielten in das Gebiet der Politik über; sie hatten Senatoren und Botschafter zu stillen Compagnons, und wenn es galt, einige Millionen in ihre Taschen zu locken, kam es ihnen auf einen kleinen Krieg, eine Schürung der orientalischen Frage und dergleichen nicht im Geringsten an. Sie verfuhren im großen Stil und haben sich, ganz wie Franz Moor, nie mit Lappalien abgegeben. Aber die kleineren Leute, die nicht ganz leer ausgehen wollten, mußten zu weniger heroischen Mitteln ihre Zuflucht nehmen, um auf einen grünen Zweig zu kommen. Unter ihnen war Herr Paradis, der Gründer des „Moni- teur des Tirages", zweifelsohne der Geschickteste. Bis zum Tage seiner Erleuch¬ tungwar er ein bescheidener Börsenreporter des Constitutionnel gewesen; nicht schlimmer und nicht besser, wie Andere seines Zeichens auch. Da plötzlich ver¬ lor er seine Stellung, und er ging hin und gründete ein Ziehungslistenblatt, mit welchem er eine billige und populäre Wochen-Börsenzeitung verband, im Gegensatz zu den mehr aristokratischen Fincmzwochenblättern, die meist nur für die sogenannte Häute Banque geschrieben waren. Herr Paradis hatte den richtigen Gedanken, daß zu einer Zeit, da die Rente plebejisch wurde, auch ein populär gehaltenes Börsenjournal zum längst gefühlten Bedürfniß geworden, und flugs basirte er seine Speculation auf die Geldbeutel der kleinen Leute. Da Verstand nun schon von jeher nur bei Wenigen zu finden war, so mußte eine Operation, welche sich auf die Massen stützte, natürlich eine höchst glück¬ liche sein, sobald es sich darum handelte, diese Massen auszubeuten. Anfänglich beschränkte er sich, um Vertrauen zu erwecken, auf seine Ver- loosungslisten gezogener Staatspapiere, denen er einen kleinen raisonnirenden Text beifügte. Da sein Abonnementspreis billig war, und er überdies ein Jnseratensystem mit „langem Athemzuge" in allen gelesenen Zeitungen unter¬ hielt, so schaffte er sich schnell genug Clienten in den Kreisen der kleinen Ca- pitalisten, die bei ihm ihr Blatt bestellten, sich bald von ihm Raths erholten über vorzunehmende Capitalanlagen ze. und die ihn schließlich gar bald zu ihrem Agenten, Commissivnair und Banquier in Paris bestellten. Nun war der große Moment gekommen. Der „Moniteur des Tirages" war ein vielarmiges Bankhaus geworden, und empfahl er bisher die Unternehmungen Anderer, wenn diese bei ihm in das nöthige goldglänzende Licht gestellt waren, so gelangte er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/116>, abgerufen am 23.07.2024.