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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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rüstung und äußeren Dienst unter den militärischen Autoritäten -- dem
Kriegscommissär --, während das Personal von der Postbehörde ausgewählt
wurde. Aus der mangelhaften Abgrenzung der Befugnisse beider Verwal¬
tungen ergaben sich vielfache Uebelstände und Streitigkeiten. Unterm 4. Sep¬
tember 1813 schreibt das Generalpostamt in Berlin: "daß es zum Behufe
der zwischen dem Hauptquartier des Kronprinzen von Schweden und der
Hauptarmee einzurichtenden Courierpost kein Geld habe." Der Feldpost¬
meister Podlech klagt aus dem Hauptquartier in Luckau: "weder Pferde und
Postillons, noch Briefträger sind da -- Alles, gar das Geld fehlt." Die
"Postofficianten" hatten keine Nachrichten darüber, welche Regimenter, Ba¬
taillone ze. sich bei einer jeden Brigade befanden. Auch sollen die Friedens¬
postämter (d.h. die im Inlands befindlichen) "nicht gehörig eingegriffen haben."
Der Generalmajor von Lottum z. B. hatte nur eine 2 mal wöchentlich eour-
sirende Post über Nimptsch nach Strehlen zur Disposition. Die Ausrüstung
der Feldpostanstalten für das Tauenzien'sche Corps dauerte ungemein lange.
Schließlich erschien eine Kabinetsordre Friedrich Wilhelm's III., welche sich
sehr ungnädig über das Feldpostwesen aussprach. Dasselbe wurde nunmehr
in Bezug auf die gesammte Technik des Betriebes und in Hinsicht auf Per
sonalverhältnisse ausschließlich dem Generalpostamte zugewiesen, während die
Ausrüstung, der äußere Organismus und die Geldverpflegung dem Ressort
des Kriegsdepartements verbleiben, -- ein Verhältniß, welches im Wesentlichen
noch jetzt besteht.

Jemehr die Neuzeit die Entwickelung der Individualität begünstigt
und der Persönlichkeit das Gepräge tieferen Gehalts gegeben hat, um so mehr
ist das Bedürfniß des Einzelnen nach geistigem Verkehr ohne Rücksicht auf
räumliche Entfernungen gestiegen. Vollends der Deutsche mit seiner Inner¬
lichkeit, seiner Liebe zur Heimath und seinem reichen Familienleben bedarf
auch im Kriege -- fern vom Baterlande -- fortdauernd reger Vermittelung
aller dieser Beziehungen durch das Medium der Briefe. In demselben Maße,
wie dieses Bedürfniß sich vermehrt hat, haben auch die Anforderungen an die
Leistungen der Feldpost sich gesteigert und nachgerade einen Umfang ange¬
nommen, der recht eigentlich die Signatur der Jetztzeit ausprägt. In
der langen Friedenszeit von 1815 ab bot sich wenig Gelegenheit, die Or¬
ganisation des preußischen Feldpostwesens gegenüber den durch die mächtige
Entwickelung des Culturlebens -- namentlich durch die großen Verkehrsadern
der Neuzeit, die Eisenbahnen, -- gesteigerten Bedürfnissen zu erproben. In
den Jahren 1849/50 fand nur eine theilweise Mobilmachung der preußischen
Feldpost statt. Nach der Instruction vom 1, Mai 1854 sollte die letztere
auf vollem Kriegsfuß aus einem Feldoberpostmeister, 9 Feldpostmeistern,
3 Feldoberpostsecretären, 63 Feldpostsecretären, 54 Feldposterpedienten, 46 Feld-


rüstung und äußeren Dienst unter den militärischen Autoritäten — dem
Kriegscommissär —, während das Personal von der Postbehörde ausgewählt
wurde. Aus der mangelhaften Abgrenzung der Befugnisse beider Verwal¬
tungen ergaben sich vielfache Uebelstände und Streitigkeiten. Unterm 4. Sep¬
tember 1813 schreibt das Generalpostamt in Berlin: „daß es zum Behufe
der zwischen dem Hauptquartier des Kronprinzen von Schweden und der
Hauptarmee einzurichtenden Courierpost kein Geld habe." Der Feldpost¬
meister Podlech klagt aus dem Hauptquartier in Luckau: „weder Pferde und
Postillons, noch Briefträger sind da — Alles, gar das Geld fehlt." Die
„Postofficianten" hatten keine Nachrichten darüber, welche Regimenter, Ba¬
taillone ze. sich bei einer jeden Brigade befanden. Auch sollen die Friedens¬
postämter (d.h. die im Inlands befindlichen) „nicht gehörig eingegriffen haben."
Der Generalmajor von Lottum z. B. hatte nur eine 2 mal wöchentlich eour-
sirende Post über Nimptsch nach Strehlen zur Disposition. Die Ausrüstung
der Feldpostanstalten für das Tauenzien'sche Corps dauerte ungemein lange.
Schließlich erschien eine Kabinetsordre Friedrich Wilhelm's III., welche sich
sehr ungnädig über das Feldpostwesen aussprach. Dasselbe wurde nunmehr
in Bezug auf die gesammte Technik des Betriebes und in Hinsicht auf Per
sonalverhältnisse ausschließlich dem Generalpostamte zugewiesen, während die
Ausrüstung, der äußere Organismus und die Geldverpflegung dem Ressort
des Kriegsdepartements verbleiben, — ein Verhältniß, welches im Wesentlichen
noch jetzt besteht.

Jemehr die Neuzeit die Entwickelung der Individualität begünstigt
und der Persönlichkeit das Gepräge tieferen Gehalts gegeben hat, um so mehr
ist das Bedürfniß des Einzelnen nach geistigem Verkehr ohne Rücksicht auf
räumliche Entfernungen gestiegen. Vollends der Deutsche mit seiner Inner¬
lichkeit, seiner Liebe zur Heimath und seinem reichen Familienleben bedarf
auch im Kriege — fern vom Baterlande — fortdauernd reger Vermittelung
aller dieser Beziehungen durch das Medium der Briefe. In demselben Maße,
wie dieses Bedürfniß sich vermehrt hat, haben auch die Anforderungen an die
Leistungen der Feldpost sich gesteigert und nachgerade einen Umfang ange¬
nommen, der recht eigentlich die Signatur der Jetztzeit ausprägt. In
der langen Friedenszeit von 1815 ab bot sich wenig Gelegenheit, die Or¬
ganisation des preußischen Feldpostwesens gegenüber den durch die mächtige
Entwickelung des Culturlebens — namentlich durch die großen Verkehrsadern
der Neuzeit, die Eisenbahnen, — gesteigerten Bedürfnissen zu erproben. In
den Jahren 1849/50 fand nur eine theilweise Mobilmachung der preußischen
Feldpost statt. Nach der Instruction vom 1, Mai 1854 sollte die letztere
auf vollem Kriegsfuß aus einem Feldoberpostmeister, 9 Feldpostmeistern,
3 Feldoberpostsecretären, 63 Feldpostsecretären, 54 Feldposterpedienten, 46 Feld-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/106>, abgerufen am 23.07.2024.