Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.13 seinen unvertilgbaren, unvergleichlichen Frühlingsreiz auch für alles Ge¬ Trotz alledem: auch wir sind heut in einer Genesung; waren es nicht fremde Man hat bet uns in Deutschland über den Vortritt von Einheit oder a/D. Die deutsche ZnoMden^Stiftung. Noch im vollen Jubelrausch über die Kunde von Sedan traf uns ein 13 seinen unvertilgbaren, unvergleichlichen Frühlingsreiz auch für alles Ge¬ Trotz alledem: auch wir sind heut in einer Genesung; waren es nicht fremde Man hat bet uns in Deutschland über den Vortritt von Einheit oder a/D. Die deutsche ZnoMden^Stiftung. Noch im vollen Jubelrausch über die Kunde von Sedan traf uns ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124799"/> <p xml:id="ID_290" prev="#ID_289"> 13 seinen unvertilgbaren, unvergleichlichen Frühlingsreiz auch für alles Ge¬<lb/> denken der Nachwelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_291"> Trotz alledem: auch wir sind heut in einer Genesung; waren es nicht fremde<lb/> Sklavenketten, so haben wir doch auch Ketten jauchzend zerrissen, die Sperr¬<lb/> ketten, die wir zänkisch und neidisch gezogen hatten zwischen unserem brüder¬<lb/> lichen Heimwesen. Aber auch lernen wollen wir endlich einmal von unserer<lb/> großen Vergangenheit, damit unsere Freude daran eine Mannesfreude sei,<lb/> keine Kindesfreude. Wie die Freiheitskriege nicht die wahre, die ganze Frei¬<lb/> heit brachten, weil wir der Einheit entbehrten, so müssen wir im größten<lb/> unserer Einheitskriege nicht der Freiheit vergessen. Wie schien nicht einst die<lb/> Einheit Amerika's in seinem Freiheitskriege so unerschütterlich fest begründet,<lb/> unerschütterlich, weil sie auf Einheitsgesinnung, auf Einmuth und Eintracht<lb/> beruhte! Aber die neugegründete Freiheit selbst hatte eine kranke Stelle, die<lb/> man auszuschneiden versäumt hatte. Das Geschwür der freiheitsschänderischen<lb/> Duldung der Sklaverei fraß um sich, bis es auch die Einheit dieses gewal¬<lb/> tigen Staatsorganismus für ewig zu zerstören drohte. Unter namenlosem<lb/> Blutverluste nur ist sie gerettet worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_292"> Man hat bet uns in Deutschland über den Vortritt von Einheit oder<lb/> Freiheit lange gestritten, wie einst bei unseren traurigen Reichstagen über<lb/> den Vortritt dieser oder jener kurfürstlichen oder fürstlichen Gesandtenperücke;<lb/> am Ende sind sie denn alle beide draußen stehen geblieben. Jetzt, denk' ich,<lb/> ist das Thor weit genug geöffnet, zu dem unsere Hunderttausende ausgezogen<lb/> sind, um beide Göttinnen Hand in Hand einzulassen. Darf noch den Geist<lb/> bannen, wer das Schwert freigiebt, darf man das Recht noch verhüllen, wenn<lb/> man die Fahnen wehen läßt? Wie kläglich wär' es, wenn dereinst wieder<lb/> die Leute austreten dürften und sagen: es war kein Einheitskrieg, der von<lb/> 1870, es war höchstens ein Einigungskrieg; denn zur Einheit hat es an der<lb/> Freiheit gefehlt! —</p><lb/> <note type="byline"> a/D.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die deutsche ZnoMden^Stiftung.</head><lb/> <p xml:id="ID_293" next="#ID_294"> Noch im vollen Jubelrausch über die Kunde von Sedan traf uns ein<lb/> ernstes Mahnwort aus dem Felde. Der Kronprinz von Preußen hat am<lb/> 6. September vom Hauptquartier Rheims aus einen Aufruf zur Bildung<lb/> einer allg em el ne n In v all d e n-S ttftun g für Deutschland ergehen<lb/> lassen. Im Drang des Moments, im unaufhaltsamen Vormarsch auf die<lb/> eindliche Hauptstadt, erhob der fieggekrönte Heerführer die Stimme für jene</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
13 seinen unvertilgbaren, unvergleichlichen Frühlingsreiz auch für alles Ge¬
denken der Nachwelt.
Trotz alledem: auch wir sind heut in einer Genesung; waren es nicht fremde
Sklavenketten, so haben wir doch auch Ketten jauchzend zerrissen, die Sperr¬
ketten, die wir zänkisch und neidisch gezogen hatten zwischen unserem brüder¬
lichen Heimwesen. Aber auch lernen wollen wir endlich einmal von unserer
großen Vergangenheit, damit unsere Freude daran eine Mannesfreude sei,
keine Kindesfreude. Wie die Freiheitskriege nicht die wahre, die ganze Frei¬
heit brachten, weil wir der Einheit entbehrten, so müssen wir im größten
unserer Einheitskriege nicht der Freiheit vergessen. Wie schien nicht einst die
Einheit Amerika's in seinem Freiheitskriege so unerschütterlich fest begründet,
unerschütterlich, weil sie auf Einheitsgesinnung, auf Einmuth und Eintracht
beruhte! Aber die neugegründete Freiheit selbst hatte eine kranke Stelle, die
man auszuschneiden versäumt hatte. Das Geschwür der freiheitsschänderischen
Duldung der Sklaverei fraß um sich, bis es auch die Einheit dieses gewal¬
tigen Staatsorganismus für ewig zu zerstören drohte. Unter namenlosem
Blutverluste nur ist sie gerettet worden.
Man hat bet uns in Deutschland über den Vortritt von Einheit oder
Freiheit lange gestritten, wie einst bei unseren traurigen Reichstagen über
den Vortritt dieser oder jener kurfürstlichen oder fürstlichen Gesandtenperücke;
am Ende sind sie denn alle beide draußen stehen geblieben. Jetzt, denk' ich,
ist das Thor weit genug geöffnet, zu dem unsere Hunderttausende ausgezogen
sind, um beide Göttinnen Hand in Hand einzulassen. Darf noch den Geist
bannen, wer das Schwert freigiebt, darf man das Recht noch verhüllen, wenn
man die Fahnen wehen läßt? Wie kläglich wär' es, wenn dereinst wieder
die Leute austreten dürften und sagen: es war kein Einheitskrieg, der von
1870, es war höchstens ein Einigungskrieg; denn zur Einheit hat es an der
Freiheit gefehlt! —
a/D.
Die deutsche ZnoMden^Stiftung.
Noch im vollen Jubelrausch über die Kunde von Sedan traf uns ein
ernstes Mahnwort aus dem Felde. Der Kronprinz von Preußen hat am
6. September vom Hauptquartier Rheims aus einen Aufruf zur Bildung
einer allg em el ne n In v all d e n-S ttftun g für Deutschland ergehen
lassen. Im Drang des Moments, im unaufhaltsamen Vormarsch auf die
eindliche Hauptstadt, erhob der fieggekrönte Heerführer die Stimme für jene
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