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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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hat aber nicht allein in sittlicher, sondern auch in volkswirtschaftlicher Be¬
ziehung eine ganz außerordentliche Bedeutung, denn sie giebt den ersten
Impuls zur Heranbildung eines freien und sittlichen Arbeiterstandes,
ohne welchen insbesondere die Landwirthschaft in Zukunft gar nicht be¬
stehen kann.

Die Lehrer der Schule und Kirche können aber auf keine Weise besser
unterstützt werden, als durch Diejenigen, die in dem Stande, dem sie ange¬
hören, sich achten und diese ihre Selbstachtung auch in ihren Wohnungen zum
Ausdruck bringen.

In Folgendem sollen nun die Grundzüge zur Einrichtung möglichst
billiger, einfacher, jedoch bequemer und freundlicher Arbeiter-Wohnungen dar¬
gelegt werden.

Sowohl im Interesse der Nützlichkeit, als auch der Gesundheit wird es
liegen, wenn zur Anlage solcher Asyle in möglichster Nähe eines Dorfes oder
Fleckens nicht nur der beste Boden verabfolgt wird, sondern daß auch fließen¬
des Wasser zugeführt werden kann. Kann letzteres jedoch nicht geschehen, so
muß wenigstens das nöthige Wasser durch einen künstlichen Brunnen mit
Pumpe beschafft werden können. Ist ein solcher Platz gesunden, so muß der
selbe durch eine fahrbare Straße mit der Hauptstraße des Dorfes verbunden
werden, an welcher das Haus dieser Arbeiter-Colonie mit seiner südlichen
oder nördlichen Giebelsront zu liegen kommt, was selbstredend ganz von
localen Verhältnissen abhängt.

Der Situationsplan soll eine Fläche von 3 Morgen umfassen, in welcher
das Haus mit einem gemeinschaftlichen Saale und 8 möglichst isolirten
Wohnungen, sowie 8 dazu gehörige Gärten zu liegen kommen. Hierbei
erfolgt die Eintheilung dieser Fläche in der Weise, daß außer dem gemein¬
schaftlichen Saal zur Berathung gemeinnützlicher Angelegenheiten und einem
30 Quadratruthen großen Turm- oder Trockenplatz, welcher auch als Spiel¬
platz sür die Kinder benutzt werden kann, für jeden Arbeiter noch 13 Qua¬
dratruthen zu Wohnung. Stall und Hofraum, 30 Quadratruthen zu einem
Gemüsegarten und 10 Quadratruthen zur Anlage eines Obstgartens verwen¬
det werden.

(Folgt die Zeichnung und nähere Beschreibung dieser Asyle, deren Mo¬
dell für das k. k. landwirthschaftliche Museum in Wien angefertigt worden
ist; wonach der Verfasser dann weiter fortfährt):

Jeder invalide Arbeiter oder arm gewordene Krieger aus dem Arbeiier-
stande wird mit einer solchen Einrichtung seiner Wohnung zufrieden sein,
gewiß zufriedener, als wenn er in einem kostbaren Jnvalidenpalaste eincaser-
nirt wird, um ein Leben ohne Freiheit und Arbeit zu führen, ein Leben,
welches seiner Natur und seinen Gewohnheiten widerstrebt.


hat aber nicht allein in sittlicher, sondern auch in volkswirtschaftlicher Be¬
ziehung eine ganz außerordentliche Bedeutung, denn sie giebt den ersten
Impuls zur Heranbildung eines freien und sittlichen Arbeiterstandes,
ohne welchen insbesondere die Landwirthschaft in Zukunft gar nicht be¬
stehen kann.

Die Lehrer der Schule und Kirche können aber auf keine Weise besser
unterstützt werden, als durch Diejenigen, die in dem Stande, dem sie ange¬
hören, sich achten und diese ihre Selbstachtung auch in ihren Wohnungen zum
Ausdruck bringen.

In Folgendem sollen nun die Grundzüge zur Einrichtung möglichst
billiger, einfacher, jedoch bequemer und freundlicher Arbeiter-Wohnungen dar¬
gelegt werden.

Sowohl im Interesse der Nützlichkeit, als auch der Gesundheit wird es
liegen, wenn zur Anlage solcher Asyle in möglichster Nähe eines Dorfes oder
Fleckens nicht nur der beste Boden verabfolgt wird, sondern daß auch fließen¬
des Wasser zugeführt werden kann. Kann letzteres jedoch nicht geschehen, so
muß wenigstens das nöthige Wasser durch einen künstlichen Brunnen mit
Pumpe beschafft werden können. Ist ein solcher Platz gesunden, so muß der
selbe durch eine fahrbare Straße mit der Hauptstraße des Dorfes verbunden
werden, an welcher das Haus dieser Arbeiter-Colonie mit seiner südlichen
oder nördlichen Giebelsront zu liegen kommt, was selbstredend ganz von
localen Verhältnissen abhängt.

Der Situationsplan soll eine Fläche von 3 Morgen umfassen, in welcher
das Haus mit einem gemeinschaftlichen Saale und 8 möglichst isolirten
Wohnungen, sowie 8 dazu gehörige Gärten zu liegen kommen. Hierbei
erfolgt die Eintheilung dieser Fläche in der Weise, daß außer dem gemein¬
schaftlichen Saal zur Berathung gemeinnützlicher Angelegenheiten und einem
30 Quadratruthen großen Turm- oder Trockenplatz, welcher auch als Spiel¬
platz sür die Kinder benutzt werden kann, für jeden Arbeiter noch 13 Qua¬
dratruthen zu Wohnung. Stall und Hofraum, 30 Quadratruthen zu einem
Gemüsegarten und 10 Quadratruthen zur Anlage eines Obstgartens verwen¬
det werden.

(Folgt die Zeichnung und nähere Beschreibung dieser Asyle, deren Mo¬
dell für das k. k. landwirthschaftliche Museum in Wien angefertigt worden
ist; wonach der Verfasser dann weiter fortfährt):

Jeder invalide Arbeiter oder arm gewordene Krieger aus dem Arbeiier-
stande wird mit einer solchen Einrichtung seiner Wohnung zufrieden sein,
gewiß zufriedener, als wenn er in einem kostbaren Jnvalidenpalaste eincaser-
nirt wird, um ein Leben ohne Freiheit und Arbeit zu führen, ein Leben,
welches seiner Natur und seinen Gewohnheiten widerstrebt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/80>, abgerufen am 22.12.2024.