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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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großen Bezirkes -- man kann sagen des südwestdeutschen und elsässischen Ge¬
bietes -- ein, trägt diese in ihre Bücher ein und setzt sich so in den Stand,
einmal auf hier eingehende Anfragen nach Verwundeten Bescheid zu geben
und dann die Rapporte zu bearbeiten, welche monatlich drei Mal an das
Central-Nachweise-Bureau in Berlin abgehen. Es hat täglich auf unzählige
persönliche oder briefliche Anfragen nach Kranken und Verwundeten Auskunft
zu geben; es hat täglich Hunderte von Briefen, Geldsendungen u. s. w. an
die aus seinen Büchern ersichtlichen Adressen nach den Lazarethen oder aus
den Lazarethen an die Angehörigen der Kranken und Verwundeten zu be¬
fördern ; es steht in lebhaftestem Verkehr mit der Agence internationale in
Basel, von welcher es Briefe an in deutscher Gewalt befindliche Franzosen
aus Frankreich empfängt, und welcher es die von jenen oder für sie geschrie¬
benen Briefe zur Versendung in die französische Heimath übergiebt. Es ent¬
faltet so in der That eine segensreiche Thätigkeit; es ist die Vermittlerin des
geistigen Verkehrs zwischen Denen, welche der Krieg grausam von einander
getrennt hat. Unsäglich ist oft die Mühe, welche ein einziger Brief verur¬
sacht, bis er an die rechte Adresse gelangt. Aber groß auch die Freude, wenn
solche Mühe mit Erfolg gekrönt wird. Freilich oft genug geht von diesem
Bureau auch trauriger, erschütternder Bescheid aus; ost bleibt ihm nichts
übrig, als den in quälender Sorge Anfragenden die kleine Verlassenschaft
eines theuren Angehörigen -- einen Ring, eine Uhr, eine Brieftasche u. s. w.
-- zu übersenden.

Der Dienst des Verwundeten-Transportes liegt einer besonderen
Abtheilung unseres Männerhilss-Vereins ob. Und diese Abtheilung scheidet
sich wieder in ein Corps sür den localen und eines für den auswärtigen
Dienst. Das erstere ist seit neun Wochen stets, bei Tag und Nacht, durch
Posten am Bahnhofe vertreten. Dort steht ihm seine volle Ausrüstung an
Transport-Geräthen und Verbandzeug zur Verfügung. Sobald ein Verwun¬
deten-Zug gemeldet wird -- solche telegraphische Meldungen lauten leider in
der Regel sehr unbestimmt -- wird alles Erforderliche: Meublewagen,
Tragbahren, Kopfpolster, Matratzen und Decken, bei Nacht Laternen und
Pechsackeln, für alle Fälle vorgerichtet. Der Apparat muß für alle Fälle
passen, da die ärztliche Vertheilung der Gesammtzahl über die verschiedenen
Lazarethe der Stadt, oder etwa die Entscheidung, daß ein Theil der An¬
kommenden nur zu transitiren habe, erst nach Ankunft des Zuges erfolgen
kann. Die ankommenden Verwundeten werden zuerst erquickt. Inzwischen
treffen die Stationsärzte ihre Dispositionen. Dann beginnt das Geschäft
des Transportes, welches jetzt in der Regel schon mit solcher Promptheit
und Geschicklichkeit erledigt wird, daß man meinen sollte, die Herren Mini-
sterialräthe, Professoren, Handwerker, Künstler, Kaufleute u. s. w., die es,


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großen Bezirkes — man kann sagen des südwestdeutschen und elsässischen Ge¬
bietes — ein, trägt diese in ihre Bücher ein und setzt sich so in den Stand,
einmal auf hier eingehende Anfragen nach Verwundeten Bescheid zu geben
und dann die Rapporte zu bearbeiten, welche monatlich drei Mal an das
Central-Nachweise-Bureau in Berlin abgehen. Es hat täglich auf unzählige
persönliche oder briefliche Anfragen nach Kranken und Verwundeten Auskunft
zu geben; es hat täglich Hunderte von Briefen, Geldsendungen u. s. w. an
die aus seinen Büchern ersichtlichen Adressen nach den Lazarethen oder aus
den Lazarethen an die Angehörigen der Kranken und Verwundeten zu be¬
fördern ; es steht in lebhaftestem Verkehr mit der Agence internationale in
Basel, von welcher es Briefe an in deutscher Gewalt befindliche Franzosen
aus Frankreich empfängt, und welcher es die von jenen oder für sie geschrie¬
benen Briefe zur Versendung in die französische Heimath übergiebt. Es ent¬
faltet so in der That eine segensreiche Thätigkeit; es ist die Vermittlerin des
geistigen Verkehrs zwischen Denen, welche der Krieg grausam von einander
getrennt hat. Unsäglich ist oft die Mühe, welche ein einziger Brief verur¬
sacht, bis er an die rechte Adresse gelangt. Aber groß auch die Freude, wenn
solche Mühe mit Erfolg gekrönt wird. Freilich oft genug geht von diesem
Bureau auch trauriger, erschütternder Bescheid aus; ost bleibt ihm nichts
übrig, als den in quälender Sorge Anfragenden die kleine Verlassenschaft
eines theuren Angehörigen — einen Ring, eine Uhr, eine Brieftasche u. s. w.
— zu übersenden.

Der Dienst des Verwundeten-Transportes liegt einer besonderen
Abtheilung unseres Männerhilss-Vereins ob. Und diese Abtheilung scheidet
sich wieder in ein Corps sür den localen und eines für den auswärtigen
Dienst. Das erstere ist seit neun Wochen stets, bei Tag und Nacht, durch
Posten am Bahnhofe vertreten. Dort steht ihm seine volle Ausrüstung an
Transport-Geräthen und Verbandzeug zur Verfügung. Sobald ein Verwun¬
deten-Zug gemeldet wird — solche telegraphische Meldungen lauten leider in
der Regel sehr unbestimmt — wird alles Erforderliche: Meublewagen,
Tragbahren, Kopfpolster, Matratzen und Decken, bei Nacht Laternen und
Pechsackeln, für alle Fälle vorgerichtet. Der Apparat muß für alle Fälle
passen, da die ärztliche Vertheilung der Gesammtzahl über die verschiedenen
Lazarethe der Stadt, oder etwa die Entscheidung, daß ein Theil der An¬
kommenden nur zu transitiren habe, erst nach Ankunft des Zuges erfolgen
kann. Die ankommenden Verwundeten werden zuerst erquickt. Inzwischen
treffen die Stationsärzte ihre Dispositionen. Dann beginnt das Geschäft
des Transportes, welches jetzt in der Regel schon mit solcher Promptheit
und Geschicklichkeit erledigt wird, daß man meinen sollte, die Herren Mini-
sterialräthe, Professoren, Handwerker, Künstler, Kaufleute u. s. w., die es,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/59>, abgerufen am 23.12.2024.