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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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rothe Kreuz, und vor dem Stationsgebäude steht eine Reihe von Männern
mit mächtigen Brettern vor sich, welche besetzt mit Speise und Trank nun
endlich Erlösung von der Qual des Hungers und Durstes in Aussicht stellen.
Die Stationsmannschaft wandert von Wagen zu Wagen, je nach Bedarf
und Wunsch warme oder kalte Speisen und Getränke spendend, Jedem was
ihm frommt, oder wonach sein Herz begehrt, falls er es genießen darf. Glaubt
die Mannschaft alle Insassen mit Nahrungsmitteln und, daß wir's nicht
vergessen, mit Cigarren und Tabak befriedigt zu haben, so geht noch Einer
fragend von Waggon zu Waggon, so wird noch der oder jener dringende
Wunsch befriedigt, hier ein Verband nachgesehen und erneuert, dort ein Lager
zurechtgerückt, hier ein Geräth mitgegeben, dort ein anderes rasch gereinigt
und wieder in den Wagen gereicht -- das Signal ertönt und die "erquickte"
Schaar Mühseliger und Beladener fährt von dannen, oft unter lautem Hoch¬
rufen und Dankwinken für die freundlichen Restaurateurs.

Solcher Stationen befinden sich zur Zeit drei in unserer Verwaltung. Unser
Männerhilfsverein in Verbindung mit anderen solchen Vereinen des Landes
stellt die Mannschaft, die bei Tag und Nacht am Platze ist, im Elsaß sich erst
mit größter Mühe auf den Bahnhöfen Raum und Kochgelegenheit verschaffen
mußte, und bei den großen Anstrengungen des den Meisten ungewohnten
Dienstes -- denn da steht der Professor und der Schauspieler neben dem
Kaufmann und dem Handwerker, jeder an der gleichen Ltebes-Arbeit --
regelmäßiger Ablösung bedarf.

Was unter "Vere tus-D epot" zu verstehen ist, darüber brauche
ich mich nicht des Breiteren auszulassen; es sind eben Anstalten zur Ver¬
sorgung von Lazarethen, welche zu diesem Zwecke von einem Hilfsvereine die
erforderlichen Gegenstände erhalten. Wir haben ein solches Vereins-(Central-)
Depot in unserem Hilfsvereins-Palaste. Davon war schon die Rede. Von
diesem aus werden viele Lazarethe des Landes, werden aber auch diejenigen
Depots regelmäßig versorgt, welche wir im Elsaß da errichtet haben, wo die
meisten Feldlazarethe bestehen, zur Zeit also in Walburg zur Versorgung
der nach den Schlachten bei Weißenburg und Wörth errichteten Feldlazarethe,
dann in Hagenau zur Versorgung der dort und in Bischweiler und Umge¬
gend errichteten Lazarethe und in Kolbsheim bei Straßburg. Diese Depots,
von Mitgliedern unseres Männerhilfsvereins verwaltet, senden je an die
Lazarethe ihres Wirkungskreises oder an von ihnen aus begründete Filial-Depots
Alles, was zur Kranken- und Verwundetenpflege an Wäsche, Verbandzeug,
Kleidungsstücken, chirurgischen Apparaten, feineren Nahrungsmitteln und Er¬
frischungen nöthig ist. Wenn ihre Vorräthe schwinden, senden sie einen auf
vorschriftsmäßigen Formular ausgefertigten Wunschzettel an das Hilfsvereins-
Bureau, welches diesen Wunschzettel ebenso gewissenhaft erledigt wie zart-


rothe Kreuz, und vor dem Stationsgebäude steht eine Reihe von Männern
mit mächtigen Brettern vor sich, welche besetzt mit Speise und Trank nun
endlich Erlösung von der Qual des Hungers und Durstes in Aussicht stellen.
Die Stationsmannschaft wandert von Wagen zu Wagen, je nach Bedarf
und Wunsch warme oder kalte Speisen und Getränke spendend, Jedem was
ihm frommt, oder wonach sein Herz begehrt, falls er es genießen darf. Glaubt
die Mannschaft alle Insassen mit Nahrungsmitteln und, daß wir's nicht
vergessen, mit Cigarren und Tabak befriedigt zu haben, so geht noch Einer
fragend von Waggon zu Waggon, so wird noch der oder jener dringende
Wunsch befriedigt, hier ein Verband nachgesehen und erneuert, dort ein Lager
zurechtgerückt, hier ein Geräth mitgegeben, dort ein anderes rasch gereinigt
und wieder in den Wagen gereicht — das Signal ertönt und die „erquickte"
Schaar Mühseliger und Beladener fährt von dannen, oft unter lautem Hoch¬
rufen und Dankwinken für die freundlichen Restaurateurs.

Solcher Stationen befinden sich zur Zeit drei in unserer Verwaltung. Unser
Männerhilfsverein in Verbindung mit anderen solchen Vereinen des Landes
stellt die Mannschaft, die bei Tag und Nacht am Platze ist, im Elsaß sich erst
mit größter Mühe auf den Bahnhöfen Raum und Kochgelegenheit verschaffen
mußte, und bei den großen Anstrengungen des den Meisten ungewohnten
Dienstes — denn da steht der Professor und der Schauspieler neben dem
Kaufmann und dem Handwerker, jeder an der gleichen Ltebes-Arbeit —
regelmäßiger Ablösung bedarf.

Was unter „Vere tus-D epot" zu verstehen ist, darüber brauche
ich mich nicht des Breiteren auszulassen; es sind eben Anstalten zur Ver¬
sorgung von Lazarethen, welche zu diesem Zwecke von einem Hilfsvereine die
erforderlichen Gegenstände erhalten. Wir haben ein solches Vereins-(Central-)
Depot in unserem Hilfsvereins-Palaste. Davon war schon die Rede. Von
diesem aus werden viele Lazarethe des Landes, werden aber auch diejenigen
Depots regelmäßig versorgt, welche wir im Elsaß da errichtet haben, wo die
meisten Feldlazarethe bestehen, zur Zeit also in Walburg zur Versorgung
der nach den Schlachten bei Weißenburg und Wörth errichteten Feldlazarethe,
dann in Hagenau zur Versorgung der dort und in Bischweiler und Umge¬
gend errichteten Lazarethe und in Kolbsheim bei Straßburg. Diese Depots,
von Mitgliedern unseres Männerhilfsvereins verwaltet, senden je an die
Lazarethe ihres Wirkungskreises oder an von ihnen aus begründete Filial-Depots
Alles, was zur Kranken- und Verwundetenpflege an Wäsche, Verbandzeug,
Kleidungsstücken, chirurgischen Apparaten, feineren Nahrungsmitteln und Er¬
frischungen nöthig ist. Wenn ihre Vorräthe schwinden, senden sie einen auf
vorschriftsmäßigen Formular ausgefertigten Wunschzettel an das Hilfsvereins-
Bureau, welches diesen Wunschzettel ebenso gewissenhaft erledigt wie zart-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/53>, abgerufen am 23.12.2024.