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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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standesthätigkeit auf einer gewissen Linie, über die hinauszugehen dem Empirismus
zu unbequem ist, hat einer tiefern philosophischen Ansicht Platz gemacht, die allen
Erscheinungen, selbst den antipathischen ihr Recht widerfahren läßt. Dazu kommt
bei Hettner ein unendlich weiterer Horizont, der nicht nur speciell die schöne Literatur,
sondern überhaupt die ganze Literatur in allen ihren wissenschaftlichen und künst¬
lerischen Bethätigungen, und neben ihr alle schönen Künste selbst umfaßt und sie als
Zweige des einen großen Baumes der menschlichen Geistesthätigkeit betrachtet-, da¬
bei aber nicht blos unendlich weiter, sondern auch viel mannichfaltiger und geistig
reicher ist, indem sich in ihm ein geistreiches Verständniß, eine finnige Theilnahms¬
fähigkeit, eine naturwüchsige Kraft der Aneignung für die verschiedenartigsten Lebens¬
verhältnisse, Denk- und Empfindungsweisen, Charaktere und Persönlichkeiten, sinnliche
und geistige Potenzen vorfindet, wie sie bei der starren und einseitigen Subjektivität
Gervinus' ganz unmöglich sind. Ganz entsprechend dieser unendlich größeren Man-
nichfaltigkeit des Inhalts des Hettner'schen Werkes sowohl nach der Tiefe, wie nach
der Höhe und dem Umfange, ist auch dessen Darstellungsweise anschaulicher, sowohl
was die genetische Anordnung und Entwickelung des Stoffs, also die Komposition,
als was die charakteristische, plastische Schilderung und klare, fließende, manchmal
gar überquellende, immer aber angemessene Ausdrucksweise betrifft.
'

Alle diese Vorzüge der Hettnerschen literaturgeschichtlichen Auffassungs- und
Darstellungsweise treten uns in verdoppelter Macht in den beiden vorliegenden Bän¬
den entgegen, deren so höchst dankbarer Stoff, die klassische Epoche unserer Literatur,
in seiner so sehr anziehenden Natur auch auf den Verfasser eine wahrhaft animi-
rende Wirkung gehabt haben muß, so sehr zeichnen sich beide Bände durch gehobene
Stimmung. Schwung der Rede, Reichthum der Gedanken, liebevoll eingehendes Ur¬
theil und strömenden, manchmal selbst in die Breite überschwellender Fluß der Dar¬
stellung und Schilderung aus. Ja, selbst das, was man, wenn man auf einseitigen
Standpunkt sich stellen wollte, als Fehler hervorheben könnte, die vielfachen Wider¬
sprüche, die man aus den Ansichten und Urtheilen des Verfassers herauslesen kann,
das scheinbar Schwankende in manchen seiner Meinungen, ferner die manchmal bis
zum fast schattenlosen Jdealisiren seiner Helden gehende Begeisterung für dieselben,
endlich das im Eingehen auf interessanteres Detail häufig zu auffällige Verlierer
des das Ganze durchziehenden Fadens, sowie der mitunter nicht zu zügelnd? Ueber¬
schwang der Diction, die sich gern in verbindungsloser Aufeinanderfolge ^uzelnen
abrupter kurzer Perioden in besondern Absätzen ergeht -- alle diese scheinbaren
Fehler sind doch nur die Kehrseiten ebenso vieler guten Eigenschaften, die es nur
nicht vermochten, sich in harmonischer Uebereinstimmung mit dem Stoff und unter
einander selbst zu setzen. So fließen die meisten Widersprüche in Ansichten und
Urtheilen, das Schwankende in denselben, lediglich aus der vielseitigen Ueberzeugungs¬
und Empfindungstreue des Verfassers, der es vorzieht, lieber die Gegensätze, die er
noch nicht zu vermitteln, die Widersprüche, zu deren Lösung er noch nicht zu gelan¬
gen vermag, in ihrer gegensätzlichen Ursprünglichkeit vorzuführen, als gegen seine
Ueberzeugung einseitig die eine Meinung vor der andern mit parteilicher Konsequenz
zu begünstigen, während ihm doch sein natürliches Wahrheitsgefühl sagt, daß das,
was er auf der einen Seite als Axiom, als Resultat seiner Reflexion aufstellt, doch
auf der andern Seite nicht durch die unmittelbare historische Realität bestätigt wird
und nicht mit seiner intuitiver Empfindung durchweg harmonirt. So ist er z. B.
seiner Denkweise nach ein ausgesprochener Partisan der Aufklärungsbildung, deren
Ansichten als maßgebend und die Grundlage für unsern ganzen modernen Bildungs¬
zustand bildend anzuerkennen, ein Grundzug der historischen Auffassungsweise,
fast ein Lehrsatz Hertncr's ist. Ein Anderer würde dies einseitig, mit Verschweigung
alles dagegen Sprechenden rationalistisch doctrinair durchzuführen gesucht Habens; nicht


standesthätigkeit auf einer gewissen Linie, über die hinauszugehen dem Empirismus
zu unbequem ist, hat einer tiefern philosophischen Ansicht Platz gemacht, die allen
Erscheinungen, selbst den antipathischen ihr Recht widerfahren läßt. Dazu kommt
bei Hettner ein unendlich weiterer Horizont, der nicht nur speciell die schöne Literatur,
sondern überhaupt die ganze Literatur in allen ihren wissenschaftlichen und künst¬
lerischen Bethätigungen, und neben ihr alle schönen Künste selbst umfaßt und sie als
Zweige des einen großen Baumes der menschlichen Geistesthätigkeit betrachtet-, da¬
bei aber nicht blos unendlich weiter, sondern auch viel mannichfaltiger und geistig
reicher ist, indem sich in ihm ein geistreiches Verständniß, eine finnige Theilnahms¬
fähigkeit, eine naturwüchsige Kraft der Aneignung für die verschiedenartigsten Lebens¬
verhältnisse, Denk- und Empfindungsweisen, Charaktere und Persönlichkeiten, sinnliche
und geistige Potenzen vorfindet, wie sie bei der starren und einseitigen Subjektivität
Gervinus' ganz unmöglich sind. Ganz entsprechend dieser unendlich größeren Man-
nichfaltigkeit des Inhalts des Hettner'schen Werkes sowohl nach der Tiefe, wie nach
der Höhe und dem Umfange, ist auch dessen Darstellungsweise anschaulicher, sowohl
was die genetische Anordnung und Entwickelung des Stoffs, also die Komposition,
als was die charakteristische, plastische Schilderung und klare, fließende, manchmal
gar überquellende, immer aber angemessene Ausdrucksweise betrifft.
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Alle diese Vorzüge der Hettnerschen literaturgeschichtlichen Auffassungs- und
Darstellungsweise treten uns in verdoppelter Macht in den beiden vorliegenden Bän¬
den entgegen, deren so höchst dankbarer Stoff, die klassische Epoche unserer Literatur,
in seiner so sehr anziehenden Natur auch auf den Verfasser eine wahrhaft animi-
rende Wirkung gehabt haben muß, so sehr zeichnen sich beide Bände durch gehobene
Stimmung. Schwung der Rede, Reichthum der Gedanken, liebevoll eingehendes Ur¬
theil und strömenden, manchmal selbst in die Breite überschwellender Fluß der Dar¬
stellung und Schilderung aus. Ja, selbst das, was man, wenn man auf einseitigen
Standpunkt sich stellen wollte, als Fehler hervorheben könnte, die vielfachen Wider¬
sprüche, die man aus den Ansichten und Urtheilen des Verfassers herauslesen kann,
das scheinbar Schwankende in manchen seiner Meinungen, ferner die manchmal bis
zum fast schattenlosen Jdealisiren seiner Helden gehende Begeisterung für dieselben,
endlich das im Eingehen auf interessanteres Detail häufig zu auffällige Verlierer
des das Ganze durchziehenden Fadens, sowie der mitunter nicht zu zügelnd? Ueber¬
schwang der Diction, die sich gern in verbindungsloser Aufeinanderfolge ^uzelnen
abrupter kurzer Perioden in besondern Absätzen ergeht — alle diese scheinbaren
Fehler sind doch nur die Kehrseiten ebenso vieler guten Eigenschaften, die es nur
nicht vermochten, sich in harmonischer Uebereinstimmung mit dem Stoff und unter
einander selbst zu setzen. So fließen die meisten Widersprüche in Ansichten und
Urtheilen, das Schwankende in denselben, lediglich aus der vielseitigen Ueberzeugungs¬
und Empfindungstreue des Verfassers, der es vorzieht, lieber die Gegensätze, die er
noch nicht zu vermitteln, die Widersprüche, zu deren Lösung er noch nicht zu gelan¬
gen vermag, in ihrer gegensätzlichen Ursprünglichkeit vorzuführen, als gegen seine
Ueberzeugung einseitig die eine Meinung vor der andern mit parteilicher Konsequenz
zu begünstigen, während ihm doch sein natürliches Wahrheitsgefühl sagt, daß das,
was er auf der einen Seite als Axiom, als Resultat seiner Reflexion aufstellt, doch
auf der andern Seite nicht durch die unmittelbare historische Realität bestätigt wird
und nicht mit seiner intuitiver Empfindung durchweg harmonirt. So ist er z. B.
seiner Denkweise nach ein ausgesprochener Partisan der Aufklärungsbildung, deren
Ansichten als maßgebend und die Grundlage für unsern ganzen modernen Bildungs¬
zustand bildend anzuerkennen, ein Grundzug der historischen Auffassungsweise,
fast ein Lehrsatz Hertncr's ist. Ein Anderer würde dies einseitig, mit Verschweigung
alles dagegen Sprechenden rationalistisch doctrinair durchzuführen gesucht Habens; nicht


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[0517] standesthätigkeit auf einer gewissen Linie, über die hinauszugehen dem Empirismus zu unbequem ist, hat einer tiefern philosophischen Ansicht Platz gemacht, die allen Erscheinungen, selbst den antipathischen ihr Recht widerfahren läßt. Dazu kommt bei Hettner ein unendlich weiterer Horizont, der nicht nur speciell die schöne Literatur, sondern überhaupt die ganze Literatur in allen ihren wissenschaftlichen und künst¬ lerischen Bethätigungen, und neben ihr alle schönen Künste selbst umfaßt und sie als Zweige des einen großen Baumes der menschlichen Geistesthätigkeit betrachtet-, da¬ bei aber nicht blos unendlich weiter, sondern auch viel mannichfaltiger und geistig reicher ist, indem sich in ihm ein geistreiches Verständniß, eine finnige Theilnahms¬ fähigkeit, eine naturwüchsige Kraft der Aneignung für die verschiedenartigsten Lebens¬ verhältnisse, Denk- und Empfindungsweisen, Charaktere und Persönlichkeiten, sinnliche und geistige Potenzen vorfindet, wie sie bei der starren und einseitigen Subjektivität Gervinus' ganz unmöglich sind. Ganz entsprechend dieser unendlich größeren Man- nichfaltigkeit des Inhalts des Hettner'schen Werkes sowohl nach der Tiefe, wie nach der Höhe und dem Umfange, ist auch dessen Darstellungsweise anschaulicher, sowohl was die genetische Anordnung und Entwickelung des Stoffs, also die Komposition, als was die charakteristische, plastische Schilderung und klare, fließende, manchmal gar überquellende, immer aber angemessene Ausdrucksweise betrifft. ' Alle diese Vorzüge der Hettnerschen literaturgeschichtlichen Auffassungs- und Darstellungsweise treten uns in verdoppelter Macht in den beiden vorliegenden Bän¬ den entgegen, deren so höchst dankbarer Stoff, die klassische Epoche unserer Literatur, in seiner so sehr anziehenden Natur auch auf den Verfasser eine wahrhaft animi- rende Wirkung gehabt haben muß, so sehr zeichnen sich beide Bände durch gehobene Stimmung. Schwung der Rede, Reichthum der Gedanken, liebevoll eingehendes Ur¬ theil und strömenden, manchmal selbst in die Breite überschwellender Fluß der Dar¬ stellung und Schilderung aus. Ja, selbst das, was man, wenn man auf einseitigen Standpunkt sich stellen wollte, als Fehler hervorheben könnte, die vielfachen Wider¬ sprüche, die man aus den Ansichten und Urtheilen des Verfassers herauslesen kann, das scheinbar Schwankende in manchen seiner Meinungen, ferner die manchmal bis zum fast schattenlosen Jdealisiren seiner Helden gehende Begeisterung für dieselben, endlich das im Eingehen auf interessanteres Detail häufig zu auffällige Verlierer des das Ganze durchziehenden Fadens, sowie der mitunter nicht zu zügelnd? Ueber¬ schwang der Diction, die sich gern in verbindungsloser Aufeinanderfolge ^uzelnen abrupter kurzer Perioden in besondern Absätzen ergeht — alle diese scheinbaren Fehler sind doch nur die Kehrseiten ebenso vieler guten Eigenschaften, die es nur nicht vermochten, sich in harmonischer Uebereinstimmung mit dem Stoff und unter einander selbst zu setzen. So fließen die meisten Widersprüche in Ansichten und Urtheilen, das Schwankende in denselben, lediglich aus der vielseitigen Ueberzeugungs¬ und Empfindungstreue des Verfassers, der es vorzieht, lieber die Gegensätze, die er noch nicht zu vermitteln, die Widersprüche, zu deren Lösung er noch nicht zu gelan¬ gen vermag, in ihrer gegensätzlichen Ursprünglichkeit vorzuführen, als gegen seine Ueberzeugung einseitig die eine Meinung vor der andern mit parteilicher Konsequenz zu begünstigen, während ihm doch sein natürliches Wahrheitsgefühl sagt, daß das, was er auf der einen Seite als Axiom, als Resultat seiner Reflexion aufstellt, doch auf der andern Seite nicht durch die unmittelbare historische Realität bestätigt wird und nicht mit seiner intuitiver Empfindung durchweg harmonirt. So ist er z. B. seiner Denkweise nach ein ausgesprochener Partisan der Aufklärungsbildung, deren Ansichten als maßgebend und die Grundlage für unsern ganzen modernen Bildungs¬ zustand bildend anzuerkennen, ein Grundzug der historischen Auffassungsweise, fast ein Lehrsatz Hertncr's ist. Ein Anderer würde dies einseitig, mit Verschweigung alles dagegen Sprechenden rationalistisch doctrinair durchzuführen gesucht Habens; nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/517>, abgerufen am 22.12.2024.