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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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vom ersten Augenblick an so ganz und er mich verstanden hätte. ^Ueberall
trafen wir uns auf Einem Wege; nur in Einer Sache wegen Klopstocks
waren wir nicht einig; und auch hierinn scheint mir blos Misverstand zu
liegen. Ich weiß gewiß, daß sich wenige Menschen so stark und ewig lieben,
wie wir uns beyde. Er ist Abgesandter Gottes an die Menschen; Bevoll>
mächtigter Erforscher des Guten, Schönen, Großen, an jedem Ort und in
jedem Stand. Soviel Warheit, Kraft ohne Affektation, tiefen Seherblick, der
aus Einmal den ganzen Menschen durchschaut und versteht, soviel Güte, Liebe,
kurz alles, was ich mir aus einem Engel, der nicht fern vom Throne Gottes
steht, denke, hab ich noch in keinem Menschenbild vereint gesunden. Und
seine Allgegenwart, um Gutes aufzuloken und zu würken, alles unvollkommne
Wegzusengen. Unglaublich war mirs, hätt ich's nicht selbst gesehen und er¬
fahren. Der Zuruf eines solchen Menschen muntert auf wie unmitttelbarer
göttlicher Beruf. Gesegnet sey ewig der Tag, da er in meine Arme sank
und mein ward! Wieviel hundertmal will ich mit ihm bethen, daß uns
Gott noch oft zusammenführe! Unter allen Prädicaten, die ich schon vom
Maler Müller, Lavater u. a. auf Kaufmann hörte, finde ich keins so wahr,
als das was ihm Lavater in seiner Ankündigung an mich gab: der Einzige.

Ich war auch mit ihm auf dem Münster, wo er anbethete. Er hat mir
schon ein Blatt voll Liebe von Augspurg aus zugeschickt. Ich werd ihm
nächstens nach Dresden schreiben. Lies das alles meinem theuren Lavater
vor, dem ich heut nicht schreiben kann und dank Ihm 1000 mal für die Be¬
kanntmachung mit dem Einzigen! In dem Brief an Schubart schrieb Lavater
er zweifle, daß uns Kaufmann noch 10 Jahre werd erhalten werden.
Schreib mir doch, woraus sich dieser fürchterliche Zweifel gründet?

.........*) Lavatern, Pfenningern und Dich läßt er brüderlich
grüßen und Euch sagen, daß ihm wohl ist; Am Sonnabend reifste er mit
seiner Gesellschaft nach München. Daß er Schubarten nicht mehr hier fand,
that ihm und mir Leid, Seine Züchtigungen würden, wie Lavater auch schrieb
für den schwankenden und unbestimmten Menschen äußerst heilsam ge¬
wesen sein.

Das Gerücht von Schubarts Entführung ist vermuthlich auch schon nach
Zürich erschollen. Ein Teufel in menschlicher Gestalt, Klosteramtmann scholl
brachte ihn nach Blaubeuren, einem Würtembergischen Städtchen 3 Stunden
von hier, unter dem Vorwand, daß da Freunde wären, die ihn sprechen



*) Ich ergänze die unleserlich gemachten 6 Zeilen: Kaufmann hat lange nicht die übertrie¬
benen Ideen von Wieland, die Du eine Zeit her geäußert hast, da Du vom größten Mann und
Dergleichen sprachest. Es freute mich, daß er auch in diesem Stück mit mir völlig (in) Ueber¬
einstimmung dachte. Ueberhaupt ist er so ganz der Mann nach meinem Herzen, als ich noch
wenige oder Keinen kenne.

vom ersten Augenblick an so ganz und er mich verstanden hätte. ^Ueberall
trafen wir uns auf Einem Wege; nur in Einer Sache wegen Klopstocks
waren wir nicht einig; und auch hierinn scheint mir blos Misverstand zu
liegen. Ich weiß gewiß, daß sich wenige Menschen so stark und ewig lieben,
wie wir uns beyde. Er ist Abgesandter Gottes an die Menschen; Bevoll>
mächtigter Erforscher des Guten, Schönen, Großen, an jedem Ort und in
jedem Stand. Soviel Warheit, Kraft ohne Affektation, tiefen Seherblick, der
aus Einmal den ganzen Menschen durchschaut und versteht, soviel Güte, Liebe,
kurz alles, was ich mir aus einem Engel, der nicht fern vom Throne Gottes
steht, denke, hab ich noch in keinem Menschenbild vereint gesunden. Und
seine Allgegenwart, um Gutes aufzuloken und zu würken, alles unvollkommne
Wegzusengen. Unglaublich war mirs, hätt ich's nicht selbst gesehen und er¬
fahren. Der Zuruf eines solchen Menschen muntert auf wie unmitttelbarer
göttlicher Beruf. Gesegnet sey ewig der Tag, da er in meine Arme sank
und mein ward! Wieviel hundertmal will ich mit ihm bethen, daß uns
Gott noch oft zusammenführe! Unter allen Prädicaten, die ich schon vom
Maler Müller, Lavater u. a. auf Kaufmann hörte, finde ich keins so wahr,
als das was ihm Lavater in seiner Ankündigung an mich gab: der Einzige.

Ich war auch mit ihm auf dem Münster, wo er anbethete. Er hat mir
schon ein Blatt voll Liebe von Augspurg aus zugeschickt. Ich werd ihm
nächstens nach Dresden schreiben. Lies das alles meinem theuren Lavater
vor, dem ich heut nicht schreiben kann und dank Ihm 1000 mal für die Be¬
kanntmachung mit dem Einzigen! In dem Brief an Schubart schrieb Lavater
er zweifle, daß uns Kaufmann noch 10 Jahre werd erhalten werden.
Schreib mir doch, woraus sich dieser fürchterliche Zweifel gründet?

.........*) Lavatern, Pfenningern und Dich läßt er brüderlich
grüßen und Euch sagen, daß ihm wohl ist; Am Sonnabend reifste er mit
seiner Gesellschaft nach München. Daß er Schubarten nicht mehr hier fand,
that ihm und mir Leid, Seine Züchtigungen würden, wie Lavater auch schrieb
für den schwankenden und unbestimmten Menschen äußerst heilsam ge¬
wesen sein.

Das Gerücht von Schubarts Entführung ist vermuthlich auch schon nach
Zürich erschollen. Ein Teufel in menschlicher Gestalt, Klosteramtmann scholl
brachte ihn nach Blaubeuren, einem Würtembergischen Städtchen 3 Stunden
von hier, unter dem Vorwand, daß da Freunde wären, die ihn sprechen



*) Ich ergänze die unleserlich gemachten 6 Zeilen: Kaufmann hat lange nicht die übertrie¬
benen Ideen von Wieland, die Du eine Zeit her geäußert hast, da Du vom größten Mann und
Dergleichen sprachest. Es freute mich, daß er auch in diesem Stück mit mir völlig (in) Ueber¬
einstimmung dachte. Ueberhaupt ist er so ganz der Mann nach meinem Herzen, als ich noch
wenige oder Keinen kenne.
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[0511] vom ersten Augenblick an so ganz und er mich verstanden hätte. ^Ueberall trafen wir uns auf Einem Wege; nur in Einer Sache wegen Klopstocks waren wir nicht einig; und auch hierinn scheint mir blos Misverstand zu liegen. Ich weiß gewiß, daß sich wenige Menschen so stark und ewig lieben, wie wir uns beyde. Er ist Abgesandter Gottes an die Menschen; Bevoll> mächtigter Erforscher des Guten, Schönen, Großen, an jedem Ort und in jedem Stand. Soviel Warheit, Kraft ohne Affektation, tiefen Seherblick, der aus Einmal den ganzen Menschen durchschaut und versteht, soviel Güte, Liebe, kurz alles, was ich mir aus einem Engel, der nicht fern vom Throne Gottes steht, denke, hab ich noch in keinem Menschenbild vereint gesunden. Und seine Allgegenwart, um Gutes aufzuloken und zu würken, alles unvollkommne Wegzusengen. Unglaublich war mirs, hätt ich's nicht selbst gesehen und er¬ fahren. Der Zuruf eines solchen Menschen muntert auf wie unmitttelbarer göttlicher Beruf. Gesegnet sey ewig der Tag, da er in meine Arme sank und mein ward! Wieviel hundertmal will ich mit ihm bethen, daß uns Gott noch oft zusammenführe! Unter allen Prädicaten, die ich schon vom Maler Müller, Lavater u. a. auf Kaufmann hörte, finde ich keins so wahr, als das was ihm Lavater in seiner Ankündigung an mich gab: der Einzige. Ich war auch mit ihm auf dem Münster, wo er anbethete. Er hat mir schon ein Blatt voll Liebe von Augspurg aus zugeschickt. Ich werd ihm nächstens nach Dresden schreiben. Lies das alles meinem theuren Lavater vor, dem ich heut nicht schreiben kann und dank Ihm 1000 mal für die Be¬ kanntmachung mit dem Einzigen! In dem Brief an Schubart schrieb Lavater er zweifle, daß uns Kaufmann noch 10 Jahre werd erhalten werden. Schreib mir doch, woraus sich dieser fürchterliche Zweifel gründet? .........*) Lavatern, Pfenningern und Dich läßt er brüderlich grüßen und Euch sagen, daß ihm wohl ist; Am Sonnabend reifste er mit seiner Gesellschaft nach München. Daß er Schubarten nicht mehr hier fand, that ihm und mir Leid, Seine Züchtigungen würden, wie Lavater auch schrieb für den schwankenden und unbestimmten Menschen äußerst heilsam ge¬ wesen sein. Das Gerücht von Schubarts Entführung ist vermuthlich auch schon nach Zürich erschollen. Ein Teufel in menschlicher Gestalt, Klosteramtmann scholl brachte ihn nach Blaubeuren, einem Würtembergischen Städtchen 3 Stunden von hier, unter dem Vorwand, daß da Freunde wären, die ihn sprechen *) Ich ergänze die unleserlich gemachten 6 Zeilen: Kaufmann hat lange nicht die übertrie¬ benen Ideen von Wieland, die Du eine Zeit her geäußert hast, da Du vom größten Mann und Dergleichen sprachest. Es freute mich, daß er auch in diesem Stück mit mir völlig (in) Ueber¬ einstimmung dachte. Ueberhaupt ist er so ganz der Mann nach meinem Herzen, als ich noch wenige oder Keinen kenne.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/511>, abgerufen am 22.12.2024.