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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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gedenken. Jeder neue Krieg bereichert die Waffenabtheilung, jeder aber auch
die Abtheilung für chirurgische Kunst in den Weltindustrieausstellungen. Das
Meiste und das Beste in diesem Magazine, welches wir eben betreten, ist eine
Errungenschaft der Erfahrungen des längsten und vielleicht blutigsten Krieges
in unserem Zeitalter, des amerikanischen Bürgerkriegs.

Ein anderer mächtiger Raum im Erdgeschosse unseres Hilfsvereins-
palastes bildet den Sitz der verschiedenen mit der Annahme, Magazinirung,
Umpackung und Versendung der einkommenden Liebesgaben, oder der in
Massen angekauften Gegenstände beschäftigten Comites. Berge von Kisten
und Fässern erheben sich hier. Dröhnendes Gehämmer begleitet hier Tag
für Tag die stille, emsige Arbeit des Registrirens und Bunsens.

Steigst Du die breiten Steintreppen des Schlosses zum oberen Stock¬
werk hinauf, so findest Du auf der einen Seite die großen Arbeitssäle der
Frauen und die Magazine, in denen aufgespeichert wird, was emsige Hände
gefertigt oder ausgebessert, kundige Augen geprüft und sortirt -- seit Beginn
des Krieges walten hier von früh bis spät Schaaren von patriotischen Frauen
geschäftig mit Scheere und Nadel, mit der Bindenroll- und der Nähmaschine --,
auf der anderen Seite aber die ^Schreibstuben, Arbeitszimmer und Sitz¬
ungssäle der Männer. Denn soviel wir auch im Laufe der Zeit von
unserer Schreibseligkeit verloren haben, ein so weitverzweigtes, großarti¬
ges Geschäft wie dieses kann auch der Acten nicht entbehren, und die Acten-
fabrication braucht auch ihre Werkstätten. Hier freilich steht das quantitative
Ergebniß der Arbeit zu den Räumen, in denen sie sich vollzieht, in keinem
Verhältniß. Denn von den bei diesem Arbeitszweige -- der Korrespon¬
denz -- Betheiligten hat beinahe Jeder einen Salon zur Verfügung,
und alle lassen's sich angelegen iheilt, daß die Acten nicht zu hoch an¬
schwellen.

Manchmal freilich war's nicht übel, im Raume nicht beengt zu sein;
denn manchmal, im Anfange der Thätigkeit stets, strömten die Menschen
massenhaft in die Bureaux, mit den verschiedenartigsten, oft auch recht selt¬
samen Anliegen.

Wenn ich ein Tagewerk, wie es sich in diesen Räumen abwickelt, schil¬
dere, wird es unter Anderem klar werden, was zuweilen ganze Schaaren
von Menschen verschiedenen Alters und beiderlei Geschlechts in den Bureaux
unseres Hilssvereinspalastes zu suchen hatten, oder zu finden hofften.

Wir kommen nach 8 Uhr des Morgens aufs Bureau. Auf dem Tische
liegt die Post -- ein handhoher Haufe von Briefen. Daneben eine Partie
Telegramme. Während diese Korrespondenzen geöffnet werden, mehrt sich
im Vorzimmer die Zahl der Leute, welche persönlich ihre Wünsche an¬
bringen wollen, von Minute zu Minute. Aber bis das Räverwerk der


gedenken. Jeder neue Krieg bereichert die Waffenabtheilung, jeder aber auch
die Abtheilung für chirurgische Kunst in den Weltindustrieausstellungen. Das
Meiste und das Beste in diesem Magazine, welches wir eben betreten, ist eine
Errungenschaft der Erfahrungen des längsten und vielleicht blutigsten Krieges
in unserem Zeitalter, des amerikanischen Bürgerkriegs.

Ein anderer mächtiger Raum im Erdgeschosse unseres Hilfsvereins-
palastes bildet den Sitz der verschiedenen mit der Annahme, Magazinirung,
Umpackung und Versendung der einkommenden Liebesgaben, oder der in
Massen angekauften Gegenstände beschäftigten Comites. Berge von Kisten
und Fässern erheben sich hier. Dröhnendes Gehämmer begleitet hier Tag
für Tag die stille, emsige Arbeit des Registrirens und Bunsens.

Steigst Du die breiten Steintreppen des Schlosses zum oberen Stock¬
werk hinauf, so findest Du auf der einen Seite die großen Arbeitssäle der
Frauen und die Magazine, in denen aufgespeichert wird, was emsige Hände
gefertigt oder ausgebessert, kundige Augen geprüft und sortirt — seit Beginn
des Krieges walten hier von früh bis spät Schaaren von patriotischen Frauen
geschäftig mit Scheere und Nadel, mit der Bindenroll- und der Nähmaschine —,
auf der anderen Seite aber die ^Schreibstuben, Arbeitszimmer und Sitz¬
ungssäle der Männer. Denn soviel wir auch im Laufe der Zeit von
unserer Schreibseligkeit verloren haben, ein so weitverzweigtes, großarti¬
ges Geschäft wie dieses kann auch der Acten nicht entbehren, und die Acten-
fabrication braucht auch ihre Werkstätten. Hier freilich steht das quantitative
Ergebniß der Arbeit zu den Räumen, in denen sie sich vollzieht, in keinem
Verhältniß. Denn von den bei diesem Arbeitszweige — der Korrespon¬
denz — Betheiligten hat beinahe Jeder einen Salon zur Verfügung,
und alle lassen's sich angelegen iheilt, daß die Acten nicht zu hoch an¬
schwellen.

Manchmal freilich war's nicht übel, im Raume nicht beengt zu sein;
denn manchmal, im Anfange der Thätigkeit stets, strömten die Menschen
massenhaft in die Bureaux, mit den verschiedenartigsten, oft auch recht selt¬
samen Anliegen.

Wenn ich ein Tagewerk, wie es sich in diesen Räumen abwickelt, schil¬
dere, wird es unter Anderem klar werden, was zuweilen ganze Schaaren
von Menschen verschiedenen Alters und beiderlei Geschlechts in den Bureaux
unseres Hilssvereinspalastes zu suchen hatten, oder zu finden hofften.

Wir kommen nach 8 Uhr des Morgens aufs Bureau. Auf dem Tische
liegt die Post — ein handhoher Haufe von Briefen. Daneben eine Partie
Telegramme. Während diese Korrespondenzen geöffnet werden, mehrt sich
im Vorzimmer die Zahl der Leute, welche persönlich ihre Wünsche an¬
bringen wollen, von Minute zu Minute. Aber bis das Räverwerk der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/50>, abgerufen am 22.12.2024.