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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Einen bequemeren Herrn als den Kaiser konnten auch die Metzer sich
schwerlich wünschen, denn sehr gering waren ihre unmittelbaren Leistungen
für das Reich. Kam der Kaiser einmal in ihre Stadt, was seit dem drei¬
zehnten Jahrhunderte nur in langen Zwischenräumen zu geschehen pflegte,
so wurden ihm die Schlüssel feierlich entgegengetragen, Bürgerschaft und Geist¬
lichkeit empfing ihn, jede für sich, mit allem Prunke und geleitete ihn unter
einem von Edelleuten getragenen Thronhimmel durch die Straßen, ihm und
seinem zahlreichen Gefolge ward eine glänzende Bewirthung dargeboten, zu
welcher nothwendig auch Ehrengeschenke, meist in Goldstücken und Natural-
lieferungen bestehend, gehörten. Der Kaiser seinerseits beschwor bei dem
Eintritt die Freiheiten und Vorrechte der Stadt, über welche auch sonst von
Zeit zu Zeit urkundliche Besiegelungen erfolgten. Weitere Zumuthungen,
Zahlungen für das Reich oder die Stellung von Mannschaften wurden
jedoch beharrlich abgewiesen, indem die Metzer sich auf das entgegenstehende
Herkommen beriefen und sich berühmten auf eigene Kosten,und Gefahr ihre
Mauern in Stand zu halten und gegen jeden Feind allein zu vertheidigen.
Ihre Stadt aber, so erklärten sie noch im Jahre 1341 Karl V., sei eine der
besten Wachten, Festungen und Vormauern des heiligen Reiches (I'uvA usf
msilleurs dgllouarüs, toi'tersssös et xrvxugnaeles as votrv sg-incl Nmxirs),
weshalb es demselben zum unersetzlichen Schaden gereichen würde, wenn Metz
jemals, was Gott verhüte, durch irgend einen Unfall in fremde Hände ge¬
rathen sollte.

Die Bürger, welche diese stolze Sprache führten und damit ihre aufrich¬
tige Anhänglichkeit an das Reich kundgaben, hatten ein Recht dazu auf eigene
Kraft zu pochen, denn in vielen Kämpfen, theils mit dem eigenen Bischöfe
und seiner Klerisei, theils mit den benachbarten Fürsten, namentlich dem
Herzoge von Lothringen, mußten sie dieselbe erproben. Ein eigenthümlicher
Grund wirkte hierbei öfter mit. Obgleich Metz nämlich nicht viele Erzeug¬
nisse heimischen Gewerbfleißes aufzuweisen hatte, so blühte doch.durch die Gunst
der Lage und die Fruchtbarkeit der Gegend daselbst ein lebhafter Handel, zumal
mit Bodenerzeugnissen, und ganz besonders das Geld- und Wechselgeschäft,
bei dem auch Juden und Lombarden ihre Rechnung fanden. Die großen
Herren der Umlaute, wie die Herzoge von Lothringen und Bar, in steter
Geldverlegenheit, nahmen daher gern Anleihen in dem reichen Metz auf und
fingen, wenn sie dieselben nicht zurückzahlen konnten, oder ihr Credit erschöpft
war, Krieg mit der Stadt an, um den lästigen Gläubiger in etwas gewalt¬
samer Weise zu beschwichtigen. Eine schwere und leidvolle Belagerung und
Einschließung erduldete Metz 1324--26 durch einen Fürstenbund, an dem außer
jenen Beiden auch die andern Nachbarn, König Johann von Böhmen als Herzog
von Lützelburg und Erzbischof Baldewin von Trier betheiligt waren; nach


Einen bequemeren Herrn als den Kaiser konnten auch die Metzer sich
schwerlich wünschen, denn sehr gering waren ihre unmittelbaren Leistungen
für das Reich. Kam der Kaiser einmal in ihre Stadt, was seit dem drei¬
zehnten Jahrhunderte nur in langen Zwischenräumen zu geschehen pflegte,
so wurden ihm die Schlüssel feierlich entgegengetragen, Bürgerschaft und Geist¬
lichkeit empfing ihn, jede für sich, mit allem Prunke und geleitete ihn unter
einem von Edelleuten getragenen Thronhimmel durch die Straßen, ihm und
seinem zahlreichen Gefolge ward eine glänzende Bewirthung dargeboten, zu
welcher nothwendig auch Ehrengeschenke, meist in Goldstücken und Natural-
lieferungen bestehend, gehörten. Der Kaiser seinerseits beschwor bei dem
Eintritt die Freiheiten und Vorrechte der Stadt, über welche auch sonst von
Zeit zu Zeit urkundliche Besiegelungen erfolgten. Weitere Zumuthungen,
Zahlungen für das Reich oder die Stellung von Mannschaften wurden
jedoch beharrlich abgewiesen, indem die Metzer sich auf das entgegenstehende
Herkommen beriefen und sich berühmten auf eigene Kosten,und Gefahr ihre
Mauern in Stand zu halten und gegen jeden Feind allein zu vertheidigen.
Ihre Stadt aber, so erklärten sie noch im Jahre 1341 Karl V., sei eine der
besten Wachten, Festungen und Vormauern des heiligen Reiches (I'uvA usf
msilleurs dgllouarüs, toi'tersssös et xrvxugnaeles as votrv sg-incl Nmxirs),
weshalb es demselben zum unersetzlichen Schaden gereichen würde, wenn Metz
jemals, was Gott verhüte, durch irgend einen Unfall in fremde Hände ge¬
rathen sollte.

Die Bürger, welche diese stolze Sprache führten und damit ihre aufrich¬
tige Anhänglichkeit an das Reich kundgaben, hatten ein Recht dazu auf eigene
Kraft zu pochen, denn in vielen Kämpfen, theils mit dem eigenen Bischöfe
und seiner Klerisei, theils mit den benachbarten Fürsten, namentlich dem
Herzoge von Lothringen, mußten sie dieselbe erproben. Ein eigenthümlicher
Grund wirkte hierbei öfter mit. Obgleich Metz nämlich nicht viele Erzeug¬
nisse heimischen Gewerbfleißes aufzuweisen hatte, so blühte doch.durch die Gunst
der Lage und die Fruchtbarkeit der Gegend daselbst ein lebhafter Handel, zumal
mit Bodenerzeugnissen, und ganz besonders das Geld- und Wechselgeschäft,
bei dem auch Juden und Lombarden ihre Rechnung fanden. Die großen
Herren der Umlaute, wie die Herzoge von Lothringen und Bar, in steter
Geldverlegenheit, nahmen daher gern Anleihen in dem reichen Metz auf und
fingen, wenn sie dieselben nicht zurückzahlen konnten, oder ihr Credit erschöpft
war, Krieg mit der Stadt an, um den lästigen Gläubiger in etwas gewalt¬
samer Weise zu beschwichtigen. Eine schwere und leidvolle Belagerung und
Einschließung erduldete Metz 1324—26 durch einen Fürstenbund, an dem außer
jenen Beiden auch die andern Nachbarn, König Johann von Böhmen als Herzog
von Lützelburg und Erzbischof Baldewin von Trier betheiligt waren; nach


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[0494] Einen bequemeren Herrn als den Kaiser konnten auch die Metzer sich schwerlich wünschen, denn sehr gering waren ihre unmittelbaren Leistungen für das Reich. Kam der Kaiser einmal in ihre Stadt, was seit dem drei¬ zehnten Jahrhunderte nur in langen Zwischenräumen zu geschehen pflegte, so wurden ihm die Schlüssel feierlich entgegengetragen, Bürgerschaft und Geist¬ lichkeit empfing ihn, jede für sich, mit allem Prunke und geleitete ihn unter einem von Edelleuten getragenen Thronhimmel durch die Straßen, ihm und seinem zahlreichen Gefolge ward eine glänzende Bewirthung dargeboten, zu welcher nothwendig auch Ehrengeschenke, meist in Goldstücken und Natural- lieferungen bestehend, gehörten. Der Kaiser seinerseits beschwor bei dem Eintritt die Freiheiten und Vorrechte der Stadt, über welche auch sonst von Zeit zu Zeit urkundliche Besiegelungen erfolgten. Weitere Zumuthungen, Zahlungen für das Reich oder die Stellung von Mannschaften wurden jedoch beharrlich abgewiesen, indem die Metzer sich auf das entgegenstehende Herkommen beriefen und sich berühmten auf eigene Kosten,und Gefahr ihre Mauern in Stand zu halten und gegen jeden Feind allein zu vertheidigen. Ihre Stadt aber, so erklärten sie noch im Jahre 1341 Karl V., sei eine der besten Wachten, Festungen und Vormauern des heiligen Reiches (I'uvA usf msilleurs dgllouarüs, toi'tersssös et xrvxugnaeles as votrv sg-incl Nmxirs), weshalb es demselben zum unersetzlichen Schaden gereichen würde, wenn Metz jemals, was Gott verhüte, durch irgend einen Unfall in fremde Hände ge¬ rathen sollte. Die Bürger, welche diese stolze Sprache führten und damit ihre aufrich¬ tige Anhänglichkeit an das Reich kundgaben, hatten ein Recht dazu auf eigene Kraft zu pochen, denn in vielen Kämpfen, theils mit dem eigenen Bischöfe und seiner Klerisei, theils mit den benachbarten Fürsten, namentlich dem Herzoge von Lothringen, mußten sie dieselbe erproben. Ein eigenthümlicher Grund wirkte hierbei öfter mit. Obgleich Metz nämlich nicht viele Erzeug¬ nisse heimischen Gewerbfleißes aufzuweisen hatte, so blühte doch.durch die Gunst der Lage und die Fruchtbarkeit der Gegend daselbst ein lebhafter Handel, zumal mit Bodenerzeugnissen, und ganz besonders das Geld- und Wechselgeschäft, bei dem auch Juden und Lombarden ihre Rechnung fanden. Die großen Herren der Umlaute, wie die Herzoge von Lothringen und Bar, in steter Geldverlegenheit, nahmen daher gern Anleihen in dem reichen Metz auf und fingen, wenn sie dieselben nicht zurückzahlen konnten, oder ihr Credit erschöpft war, Krieg mit der Stadt an, um den lästigen Gläubiger in etwas gewalt¬ samer Weise zu beschwichtigen. Eine schwere und leidvolle Belagerung und Einschließung erduldete Metz 1324—26 durch einen Fürstenbund, an dem außer jenen Beiden auch die andern Nachbarn, König Johann von Böhmen als Herzog von Lützelburg und Erzbischof Baldewin von Trier betheiligt waren; nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/494>, abgerufen am 23.12.2024.