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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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lich das Feld und das Herzogthum Lothringen ohne Unterschied der Sprache
bildete die deutsche Vormauer gegen den Westen, der durch eigene Ohnmacht
für lange Zeit von allen Eroberungsgedanken ferngehalten wurde.

Metz, der Sitz eines Bischofes, der dem Trierer Erzbischofe untergeordnet
war. trug in dieser Periode mit seinen vielen Kirchen und Klöstern vor
allem den Charakter einer geistlichen Stadt, einen Charakter, der sich trotz
aller stattgehabten Wandlungen bis auf die Gegenwart noch nicht völlig ver¬
wischt hat. Vertraten auch der Herzog von Lothringen und der Graf von Metz
(bis 1223) der Gemeinde gegenüber die kaiserliche Autorität zunächst, mächtiger
als sie griff durch ausgebreiteten Besitz und mancherlei Herrschaftsrechte der Bi¬
schof ein, der als einer der angesehensten unter den Kirchenfürsten des Reiches
im Rathe wie mit den Waffen dem Kaiser zur Seite stand oder ihm auch
gelegentlich trotzte. Unter dem milden Walten des Krummstabes gehörte
Metz zu den ansehnlichsten Städten des Reiches, dichtbevölkert und wohl¬
habend durch seine fruchtbaren Umgebungen, wie durch gewinnreichen Handel.
Am meisten aber bewundert ein mönchischer Dichter des elften Jahrhunderts
(SIgebert von Gembloux), der oft durch ihre engen Gassen gewandert, die
Mauern aus starken Quadersteinen erbaut, nicht leicht zu brechen noch zu er¬
stürmen. Denn der Berg deckt die Mauer, der Fluß wieder den Berg,
Wälle erheben sich von innen und wo die Natur es an sich fehlen läßt, hat
menschliche Hand und Kunst nachgeholfen. Die Thürme erinnern ihn an
Babylon, nicht Sturmbock, Sichel oder Wurfgeschosse, noch irgend ein Mauern¬
brecher vermögen ihnen etwas anzuhaben. Die Häuser der Stadt ragen
gleich den Palästen Roms, wie Vorhöfe des Himmels ihre zahlreichen Kir¬
chen, deren vornehmste dem heiligen Stephan Lobgesänge anstimme. Nur
mäßig ansteigend wird die Stadt von der mehrfach gespaltenen Mosel und
von der kleinen senke durchströmt, die, zugleich eine Schutzwehr, mit sanftem
Gemurmel das Ohr ergötzen und Fische auf die Tafel liefern. Anmuthig
anzuschauen und reich von der Natur gesegnet sind die Berge, welche sie in
weitem Bogen umschließen mit ihrem Wechsel von Nebengeländen, laub¬
reichen Wäldern, setten Triften und Aeckern voll von Frucht, von fleißigen
Händen bebaut, durch Vögel und Bienenschwärme belebt in einer Luft, wie
es keine seltsamere gibt. Weder Homer noch Virgil. so meint unser Dichter,
könnten solche Reize würdig schildern. Worms und Tüll, Verdun und Lüttich,
Reims und Trier, sie alle müßten sich vor Metz beugen. --

In der Zeit der staufischen Kaiser, da überall in den Städten Italiens,
Frankreichs und Deutschlands frisches jugendkräftiges Leben sich regte, erstand,
auch in Metz eine freie Bürgergemeinde, die seit dem Ende des zwölften
Jahrhunderts von dem bischöflichen Joche sich losmachte und unter kaiser-


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lich das Feld und das Herzogthum Lothringen ohne Unterschied der Sprache
bildete die deutsche Vormauer gegen den Westen, der durch eigene Ohnmacht
für lange Zeit von allen Eroberungsgedanken ferngehalten wurde.

Metz, der Sitz eines Bischofes, der dem Trierer Erzbischofe untergeordnet
war. trug in dieser Periode mit seinen vielen Kirchen und Klöstern vor
allem den Charakter einer geistlichen Stadt, einen Charakter, der sich trotz
aller stattgehabten Wandlungen bis auf die Gegenwart noch nicht völlig ver¬
wischt hat. Vertraten auch der Herzog von Lothringen und der Graf von Metz
(bis 1223) der Gemeinde gegenüber die kaiserliche Autorität zunächst, mächtiger
als sie griff durch ausgebreiteten Besitz und mancherlei Herrschaftsrechte der Bi¬
schof ein, der als einer der angesehensten unter den Kirchenfürsten des Reiches
im Rathe wie mit den Waffen dem Kaiser zur Seite stand oder ihm auch
gelegentlich trotzte. Unter dem milden Walten des Krummstabes gehörte
Metz zu den ansehnlichsten Städten des Reiches, dichtbevölkert und wohl¬
habend durch seine fruchtbaren Umgebungen, wie durch gewinnreichen Handel.
Am meisten aber bewundert ein mönchischer Dichter des elften Jahrhunderts
(SIgebert von Gembloux), der oft durch ihre engen Gassen gewandert, die
Mauern aus starken Quadersteinen erbaut, nicht leicht zu brechen noch zu er¬
stürmen. Denn der Berg deckt die Mauer, der Fluß wieder den Berg,
Wälle erheben sich von innen und wo die Natur es an sich fehlen läßt, hat
menschliche Hand und Kunst nachgeholfen. Die Thürme erinnern ihn an
Babylon, nicht Sturmbock, Sichel oder Wurfgeschosse, noch irgend ein Mauern¬
brecher vermögen ihnen etwas anzuhaben. Die Häuser der Stadt ragen
gleich den Palästen Roms, wie Vorhöfe des Himmels ihre zahlreichen Kir¬
chen, deren vornehmste dem heiligen Stephan Lobgesänge anstimme. Nur
mäßig ansteigend wird die Stadt von der mehrfach gespaltenen Mosel und
von der kleinen senke durchströmt, die, zugleich eine Schutzwehr, mit sanftem
Gemurmel das Ohr ergötzen und Fische auf die Tafel liefern. Anmuthig
anzuschauen und reich von der Natur gesegnet sind die Berge, welche sie in
weitem Bogen umschließen mit ihrem Wechsel von Nebengeländen, laub¬
reichen Wäldern, setten Triften und Aeckern voll von Frucht, von fleißigen
Händen bebaut, durch Vögel und Bienenschwärme belebt in einer Luft, wie
es keine seltsamere gibt. Weder Homer noch Virgil. so meint unser Dichter,
könnten solche Reize würdig schildern. Worms und Tüll, Verdun und Lüttich,
Reims und Trier, sie alle müßten sich vor Metz beugen. —

In der Zeit der staufischen Kaiser, da überall in den Städten Italiens,
Frankreichs und Deutschlands frisches jugendkräftiges Leben sich regte, erstand,
auch in Metz eine freie Bürgergemeinde, die seit dem Ende des zwölften
Jahrhunderts von dem bischöflichen Joche sich losmachte und unter kaiser-


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[0491] lich das Feld und das Herzogthum Lothringen ohne Unterschied der Sprache bildete die deutsche Vormauer gegen den Westen, der durch eigene Ohnmacht für lange Zeit von allen Eroberungsgedanken ferngehalten wurde. Metz, der Sitz eines Bischofes, der dem Trierer Erzbischofe untergeordnet war. trug in dieser Periode mit seinen vielen Kirchen und Klöstern vor allem den Charakter einer geistlichen Stadt, einen Charakter, der sich trotz aller stattgehabten Wandlungen bis auf die Gegenwart noch nicht völlig ver¬ wischt hat. Vertraten auch der Herzog von Lothringen und der Graf von Metz (bis 1223) der Gemeinde gegenüber die kaiserliche Autorität zunächst, mächtiger als sie griff durch ausgebreiteten Besitz und mancherlei Herrschaftsrechte der Bi¬ schof ein, der als einer der angesehensten unter den Kirchenfürsten des Reiches im Rathe wie mit den Waffen dem Kaiser zur Seite stand oder ihm auch gelegentlich trotzte. Unter dem milden Walten des Krummstabes gehörte Metz zu den ansehnlichsten Städten des Reiches, dichtbevölkert und wohl¬ habend durch seine fruchtbaren Umgebungen, wie durch gewinnreichen Handel. Am meisten aber bewundert ein mönchischer Dichter des elften Jahrhunderts (SIgebert von Gembloux), der oft durch ihre engen Gassen gewandert, die Mauern aus starken Quadersteinen erbaut, nicht leicht zu brechen noch zu er¬ stürmen. Denn der Berg deckt die Mauer, der Fluß wieder den Berg, Wälle erheben sich von innen und wo die Natur es an sich fehlen läßt, hat menschliche Hand und Kunst nachgeholfen. Die Thürme erinnern ihn an Babylon, nicht Sturmbock, Sichel oder Wurfgeschosse, noch irgend ein Mauern¬ brecher vermögen ihnen etwas anzuhaben. Die Häuser der Stadt ragen gleich den Palästen Roms, wie Vorhöfe des Himmels ihre zahlreichen Kir¬ chen, deren vornehmste dem heiligen Stephan Lobgesänge anstimme. Nur mäßig ansteigend wird die Stadt von der mehrfach gespaltenen Mosel und von der kleinen senke durchströmt, die, zugleich eine Schutzwehr, mit sanftem Gemurmel das Ohr ergötzen und Fische auf die Tafel liefern. Anmuthig anzuschauen und reich von der Natur gesegnet sind die Berge, welche sie in weitem Bogen umschließen mit ihrem Wechsel von Nebengeländen, laub¬ reichen Wäldern, setten Triften und Aeckern voll von Frucht, von fleißigen Händen bebaut, durch Vögel und Bienenschwärme belebt in einer Luft, wie es keine seltsamere gibt. Weder Homer noch Virgil. so meint unser Dichter, könnten solche Reize würdig schildern. Worms und Tüll, Verdun und Lüttich, Reims und Trier, sie alle müßten sich vor Metz beugen. — In der Zeit der staufischen Kaiser, da überall in den Städten Italiens, Frankreichs und Deutschlands frisches jugendkräftiges Leben sich regte, erstand, auch in Metz eine freie Bürgergemeinde, die seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts von dem bischöflichen Joche sich losmachte und unter kaiser- 61 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/491>, abgerufen am 22.12.2024.