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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Blicke in die Werkstätten eines siidwestdcutfchen Hilfsvereins.
Winke für die Zukunft.

Man hat uns ein schönes, in einem Park gelegenes Schloß eingeräumt,
von dem seit dem Tode der fürstlichen Frau, welche es zuletzt bewohnte, nur
einzelne Räume, die einen zu einer Augenheilanstalt, die anderen zur Auf¬
bewahrung der aus der Kriegszeit des Jahres 1866 zurückgebliebenen Ver¬
bandzeug- und Wahns-Vorräthe, benutzt worden sind. Da ist denn Platz
genug für die Werkstätten der freiwilligen Hilfsthätigkeit. Nicht zwar zur
Stapelung der großen Schätze, welche uns zur Verwaltung anvertraut wur¬
den und fort und fort anvertraut werden, dazu bedürfte und bedarf es noch
mancher großer Schuppen und Magazinräume; aber doch zur zweckmäßigen
zeitweiligen Aufbewahrung dessen, was das Centraldepot von Woche zu
Woche abzugeben hat, zur Sortirung und Verpackung der ausgehenden
Sendungen, zur Vorbereitung des Leinen- und Wollzeugs für den Gebrauch
im Felde und in den Lazarethen, zur bequemen Unterbringung der verschie¬
denen Bureauabtheilungen, welche das gewaltige, plötzlich aus dem Bedarf
erwachsene und in der Eile nur nothdürftig organisirte Geschäft zu bewälti¬
gen haben.

Eine flüchtige Umschau in den großen prächtigen Räumen dieses für
Eventualitäten, vor denen uns die Vorsehung gütig bewahrt! hat, Mit der
Flagge der Genfer Convention versehenen Hilfsvereinspalastes zeigt dem Be-
sucher sofort, warum es sich hier handelt. Im Erdgeschoß ein großer Saal
mit chirurgischen Apparaten und Lazarethutensilien aller Art, von der ein¬
fachen Gypsscheere bis zum reich ausgestatteten Operationsetui, von der höl¬
zernen Krücke bis zum kunstvollen Hänge- und Schwebeapparat, von der ge¬
wöhnlichsten Spreuunterlage bis zu dem werthvollen Kautschuckwasserkissen.
Fast wie eine Ausstellung aller der sinnreichen Erfindungen, durch welche un¬
sere Zeit die Schmerzen zu lindern trachtet, welche durch andere Erfindungen
derselben Zeit geschaffen werden, nimmt sich dieses Magazin aus. Man
kann es nicht betreten, ohne der Zwiespältigkeit der Menschennatur, welche
eben so leidenschaftlich zu zerstören, wie liebevoll zu erhalten bestrebt ist, zu


Grenze, oder IV. 1370. 6
Blicke in die Werkstätten eines siidwestdcutfchen Hilfsvereins.
Winke für die Zukunft.

Man hat uns ein schönes, in einem Park gelegenes Schloß eingeräumt,
von dem seit dem Tode der fürstlichen Frau, welche es zuletzt bewohnte, nur
einzelne Räume, die einen zu einer Augenheilanstalt, die anderen zur Auf¬
bewahrung der aus der Kriegszeit des Jahres 1866 zurückgebliebenen Ver¬
bandzeug- und Wahns-Vorräthe, benutzt worden sind. Da ist denn Platz
genug für die Werkstätten der freiwilligen Hilfsthätigkeit. Nicht zwar zur
Stapelung der großen Schätze, welche uns zur Verwaltung anvertraut wur¬
den und fort und fort anvertraut werden, dazu bedürfte und bedarf es noch
mancher großer Schuppen und Magazinräume; aber doch zur zweckmäßigen
zeitweiligen Aufbewahrung dessen, was das Centraldepot von Woche zu
Woche abzugeben hat, zur Sortirung und Verpackung der ausgehenden
Sendungen, zur Vorbereitung des Leinen- und Wollzeugs für den Gebrauch
im Felde und in den Lazarethen, zur bequemen Unterbringung der verschie¬
denen Bureauabtheilungen, welche das gewaltige, plötzlich aus dem Bedarf
erwachsene und in der Eile nur nothdürftig organisirte Geschäft zu bewälti¬
gen haben.

Eine flüchtige Umschau in den großen prächtigen Räumen dieses für
Eventualitäten, vor denen uns die Vorsehung gütig bewahrt! hat, Mit der
Flagge der Genfer Convention versehenen Hilfsvereinspalastes zeigt dem Be-
sucher sofort, warum es sich hier handelt. Im Erdgeschoß ein großer Saal
mit chirurgischen Apparaten und Lazarethutensilien aller Art, von der ein¬
fachen Gypsscheere bis zum reich ausgestatteten Operationsetui, von der höl¬
zernen Krücke bis zum kunstvollen Hänge- und Schwebeapparat, von der ge¬
wöhnlichsten Spreuunterlage bis zu dem werthvollen Kautschuckwasserkissen.
Fast wie eine Ausstellung aller der sinnreichen Erfindungen, durch welche un¬
sere Zeit die Schmerzen zu lindern trachtet, welche durch andere Erfindungen
derselben Zeit geschaffen werden, nimmt sich dieses Magazin aus. Man
kann es nicht betreten, ohne der Zwiespältigkeit der Menschennatur, welche
eben so leidenschaftlich zu zerstören, wie liebevoll zu erhalten bestrebt ist, zu


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[0049] Blicke in die Werkstätten eines siidwestdcutfchen Hilfsvereins. Winke für die Zukunft. Man hat uns ein schönes, in einem Park gelegenes Schloß eingeräumt, von dem seit dem Tode der fürstlichen Frau, welche es zuletzt bewohnte, nur einzelne Räume, die einen zu einer Augenheilanstalt, die anderen zur Auf¬ bewahrung der aus der Kriegszeit des Jahres 1866 zurückgebliebenen Ver¬ bandzeug- und Wahns-Vorräthe, benutzt worden sind. Da ist denn Platz genug für die Werkstätten der freiwilligen Hilfsthätigkeit. Nicht zwar zur Stapelung der großen Schätze, welche uns zur Verwaltung anvertraut wur¬ den und fort und fort anvertraut werden, dazu bedürfte und bedarf es noch mancher großer Schuppen und Magazinräume; aber doch zur zweckmäßigen zeitweiligen Aufbewahrung dessen, was das Centraldepot von Woche zu Woche abzugeben hat, zur Sortirung und Verpackung der ausgehenden Sendungen, zur Vorbereitung des Leinen- und Wollzeugs für den Gebrauch im Felde und in den Lazarethen, zur bequemen Unterbringung der verschie¬ denen Bureauabtheilungen, welche das gewaltige, plötzlich aus dem Bedarf erwachsene und in der Eile nur nothdürftig organisirte Geschäft zu bewälti¬ gen haben. Eine flüchtige Umschau in den großen prächtigen Räumen dieses für Eventualitäten, vor denen uns die Vorsehung gütig bewahrt! hat, Mit der Flagge der Genfer Convention versehenen Hilfsvereinspalastes zeigt dem Be- sucher sofort, warum es sich hier handelt. Im Erdgeschoß ein großer Saal mit chirurgischen Apparaten und Lazarethutensilien aller Art, von der ein¬ fachen Gypsscheere bis zum reich ausgestatteten Operationsetui, von der höl¬ zernen Krücke bis zum kunstvollen Hänge- und Schwebeapparat, von der ge¬ wöhnlichsten Spreuunterlage bis zu dem werthvollen Kautschuckwasserkissen. Fast wie eine Ausstellung aller der sinnreichen Erfindungen, durch welche un¬ sere Zeit die Schmerzen zu lindern trachtet, welche durch andere Erfindungen derselben Zeit geschaffen werden, nimmt sich dieses Magazin aus. Man kann es nicht betreten, ohne der Zwiespältigkeit der Menschennatur, welche eben so leidenschaftlich zu zerstören, wie liebevoll zu erhalten bestrebt ist, zu Grenze, oder IV. 1370. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/49>, abgerufen am 22.12.2024.