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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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ein Leipziger Kanker geworden, dort Himmelsgesang, hier dumpfes . . . . .
Erdgekreusche........

Klaudius, Göthe, Wieland, Lenz. Stollberg, Herder in Einer Person
sollten die nicht Großes thun können, nicht uns verirrte Schäflein auf Natur-
waide zusammentreiben können? Der Teutsche läßt alles mit sich machen;
nur Nasenstüber verträgt er nicht.

Ich fehlt Dir nächstens etwas von Glut und oh! der gährenden Kluft!
etwas von mir. Laß mir nur noch Zeit; ich bin mit einigen Arbeiten ins
Musäum beschäftigt -- von teutscher Thonkunst -- schwäbischen Schleifer --
über Tanzmusik, Dellers Denkmal u. f. w.

Unserm lieben Lavater, den ich unaussprechlich verehre und liebe, dem
Manne, der mir so lieb als ein Apostel ist, (ist ers doch würklich für uns)
empfiehl mich. Auf seine kleine Physiognomik freue ich mich. Die große
verdien ich mir mit Schreiben. Von der Phisiognomie der Thonkünstler . .
....**) wünsch ich wohl auch was zu lesen. Von Ferari. Lotti. Nardini,
Frenzel, Torschi, Cannabich, Le Brun, Cramer. Ponto, Jäger, Schwarz :c.
getrau ich mir Schattenrisse zu bekommen.

Und nun meinen Kuß Lieber! Miller ißt bei mir und wird Dir schon
die Leipziger Meßnovitäten schreiben.


Schubart.

Hör was kostet Shakespear nach Eschenburg in Zürich? Schreib mir
bald! Deine Briefe sind meine Herzflärkung.


13.
F. L. Stolberg an Kayser.

Kopenhagen d. 18. Mai 1776.

Du lieber herziger Junge, es ist lange her, daß ich nicht an Dich geschrie¬
ben habe, aber täglich denke ich an Dich und werde dich ewig von ganzem
Herzen lieben. .Dein letzter Brief hat mich sehr und aber sehr erfreut, es
lebt und webt in jeder Zeile die liebevolle Seele.

O es ist doch Gottes Gabe, daß unsere Herzen so aufwallend, unsere
Seelen stürmend und dann wieder so sanft sind. Wir Oceanisten fühlen frei¬
lich manchen Orkan, dennoch ist uns oft wohl, wenn über unseren grenzen¬
losen Horizont die Sonne auf und untergeht, indeß daß der Pfützenbewohner
sich brüstet, im stinkenden Pfui und an dem Stral der Sonne, welcher wie
Liebe verschmachtet.

Mir ist wohl weil ich morgen die Stadt verlasse mit meinen Geschwistern




*) Fast 2 Zeilen unleserlich: Ich lese: Laß die alten sah--kerk gehen, denk, welche Winde
sie entführen.
") Eine Zeile unleserlich: vielleicht heißt es.- die bekanntlich größtentheils bei uns lieder¬
liches Pät.

ein Leipziger Kanker geworden, dort Himmelsgesang, hier dumpfes . . . . .
Erdgekreusche........

Klaudius, Göthe, Wieland, Lenz. Stollberg, Herder in Einer Person
sollten die nicht Großes thun können, nicht uns verirrte Schäflein auf Natur-
waide zusammentreiben können? Der Teutsche läßt alles mit sich machen;
nur Nasenstüber verträgt er nicht.

Ich fehlt Dir nächstens etwas von Glut und oh! der gährenden Kluft!
etwas von mir. Laß mir nur noch Zeit; ich bin mit einigen Arbeiten ins
Musäum beschäftigt — von teutscher Thonkunst — schwäbischen Schleifer —
über Tanzmusik, Dellers Denkmal u. f. w.

Unserm lieben Lavater, den ich unaussprechlich verehre und liebe, dem
Manne, der mir so lieb als ein Apostel ist, (ist ers doch würklich für uns)
empfiehl mich. Auf seine kleine Physiognomik freue ich mich. Die große
verdien ich mir mit Schreiben. Von der Phisiognomie der Thonkünstler . .
....**) wünsch ich wohl auch was zu lesen. Von Ferari. Lotti. Nardini,
Frenzel, Torschi, Cannabich, Le Brun, Cramer. Ponto, Jäger, Schwarz :c.
getrau ich mir Schattenrisse zu bekommen.

Und nun meinen Kuß Lieber! Miller ißt bei mir und wird Dir schon
die Leipziger Meßnovitäten schreiben.


Schubart.

Hör was kostet Shakespear nach Eschenburg in Zürich? Schreib mir
bald! Deine Briefe sind meine Herzflärkung.


13.
F. L. Stolberg an Kayser.

Kopenhagen d. 18. Mai 1776.

Du lieber herziger Junge, es ist lange her, daß ich nicht an Dich geschrie¬
ben habe, aber täglich denke ich an Dich und werde dich ewig von ganzem
Herzen lieben. .Dein letzter Brief hat mich sehr und aber sehr erfreut, es
lebt und webt in jeder Zeile die liebevolle Seele.

O es ist doch Gottes Gabe, daß unsere Herzen so aufwallend, unsere
Seelen stürmend und dann wieder so sanft sind. Wir Oceanisten fühlen frei¬
lich manchen Orkan, dennoch ist uns oft wohl, wenn über unseren grenzen¬
losen Horizont die Sonne auf und untergeht, indeß daß der Pfützenbewohner
sich brüstet, im stinkenden Pfui und an dem Stral der Sonne, welcher wie
Liebe verschmachtet.

Mir ist wohl weil ich morgen die Stadt verlasse mit meinen Geschwistern




*) Fast 2 Zeilen unleserlich: Ich lese: Laß die alten sah—kerk gehen, denk, welche Winde
sie entführen.
") Eine Zeile unleserlich: vielleicht heißt es.- die bekanntlich größtentheils bei uns lieder¬
liches Pät.
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[0469] ein Leipziger Kanker geworden, dort Himmelsgesang, hier dumpfes . . . . . Erdgekreusche........ Klaudius, Göthe, Wieland, Lenz. Stollberg, Herder in Einer Person sollten die nicht Großes thun können, nicht uns verirrte Schäflein auf Natur- waide zusammentreiben können? Der Teutsche läßt alles mit sich machen; nur Nasenstüber verträgt er nicht. Ich fehlt Dir nächstens etwas von Glut und oh! der gährenden Kluft! etwas von mir. Laß mir nur noch Zeit; ich bin mit einigen Arbeiten ins Musäum beschäftigt — von teutscher Thonkunst — schwäbischen Schleifer — über Tanzmusik, Dellers Denkmal u. f. w. Unserm lieben Lavater, den ich unaussprechlich verehre und liebe, dem Manne, der mir so lieb als ein Apostel ist, (ist ers doch würklich für uns) empfiehl mich. Auf seine kleine Physiognomik freue ich mich. Die große verdien ich mir mit Schreiben. Von der Phisiognomie der Thonkünstler . . ....**) wünsch ich wohl auch was zu lesen. Von Ferari. Lotti. Nardini, Frenzel, Torschi, Cannabich, Le Brun, Cramer. Ponto, Jäger, Schwarz :c. getrau ich mir Schattenrisse zu bekommen. Und nun meinen Kuß Lieber! Miller ißt bei mir und wird Dir schon die Leipziger Meßnovitäten schreiben. Schubart. Hör was kostet Shakespear nach Eschenburg in Zürich? Schreib mir bald! Deine Briefe sind meine Herzflärkung. 13. F. L. Stolberg an Kayser. Kopenhagen d. 18. Mai 1776. Du lieber herziger Junge, es ist lange her, daß ich nicht an Dich geschrie¬ ben habe, aber täglich denke ich an Dich und werde dich ewig von ganzem Herzen lieben. .Dein letzter Brief hat mich sehr und aber sehr erfreut, es lebt und webt in jeder Zeile die liebevolle Seele. O es ist doch Gottes Gabe, daß unsere Herzen so aufwallend, unsere Seelen stürmend und dann wieder so sanft sind. Wir Oceanisten fühlen frei¬ lich manchen Orkan, dennoch ist uns oft wohl, wenn über unseren grenzen¬ losen Horizont die Sonne auf und untergeht, indeß daß der Pfützenbewohner sich brüstet, im stinkenden Pfui und an dem Stral der Sonne, welcher wie Liebe verschmachtet. Mir ist wohl weil ich morgen die Stadt verlasse mit meinen Geschwistern *) Fast 2 Zeilen unleserlich: Ich lese: Laß die alten sah—kerk gehen, denk, welche Winde sie entführen. ") Eine Zeile unleserlich: vielleicht heißt es.- die bekanntlich größtentheils bei uns lieder¬ liches Pät.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/469>, abgerufen am 22.12.2024.