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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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sollen wir ihn dann umsonst arbeiten lassen? Die Sehnsucht nach Liebe von
dem jungen Graf von Stollberg im neusten Stück des Merkurs*) ist ganz
ein herrliches altteusches Stük.

Und nun mein Bruder, leb tausendmal wol. grüß und küß mir alle
brave derbe Schweizer. Morgen speißt Miller**) bei mir, dann trinken wir
Deine Gesundheit. Bin ewig


Der Deinige
Schubart.
11.
Schubart an Kayser.

Ulm d. 24. April 1776.

Hab da an Lavater geschrieben; aber so. daß ich damit unzufrieden bin.
Ich denk oft viel und empfind noch mehr, wenn ich und Miller mit einander
von Lavater sprechen; aber schreib ich, so sitz ich da und guk Dir aufs Blat
hin. wie 'n Ass. Deine Briefe, wenn sie auch nur Zettelchen sind machen
mir immer sehr viel Freude. Du bist so'n warmer Junge. Aber denk Stei¬
ner traf mich nicht an; ich war just nach Geißlingen geritten, wie mich das
Ding ärgert! Halt gar viel auf Leute, die du schäzst. Deine Gedanken
über die edle Musika sind auch die meinigen. Wir fangen nun an, alles
wieder auf die Einfalt der Natur zu reduciren; so Gott will! wird nun die
Reih' auch an die Musik kommen. Mit Glut steh ich seit einem halben
Jahr im Briefwechsel; er komponirt aber besser, als er Briefe schreibt. Ich
hab Hoffnung künftigen Kreißtag 4 Bardengesänge aus Hermansschlacht von
Glut gesetzt.....***) zu bekommen. Sollsts auch haben, Bruder, sollsts
auch haben.

Miller und ich widmeten uns gestern mit Klaudius, mit dem der Mo-
nath Merz im Merkur beginnt-I/). Was das für'n Mann ist.....55).
Ich und Miller genießen nun den Frühling; Du solltest barbet seyn,
wenn wir so die Donau "untergehen und es so innig fühlen, daß wir leben
und oft zu Gott mit dankenden Thränen emporblicken. Wir lesen und
sprechen viel miteinander und das meist all' Tag.

Dein Gedicht hat mir wohl gefallen, soll ichs in der Chronik druken







zugesagt. Möchtest Du nicht auch was in der Schweiz für Bürgern thun. Sag mir, was man
dort vorschießen will, wills gleich in der Chronik bekannt machen.
') Februar 1776 S, 12S--27,
") Schubart schreibt oft Müller.
Durchstrichen sind die Worte: durch den kaiserlichen Minister,
f) Nämlich der Aussatz: Ueber Herder's älteste Urkunde des Menschengeschlechts,
sf) Zwei Zeilen unleserlich gemacht: Ich lese: Ist Dir Wielands ungestümer Charakter
nicht auch sehr aufgefallen, wie ihn Goethe Lenz, Graf Stolberg fürchtete. Wohin die'" haben
wollen!!*
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sollen wir ihn dann umsonst arbeiten lassen? Die Sehnsucht nach Liebe von
dem jungen Graf von Stollberg im neusten Stück des Merkurs*) ist ganz
ein herrliches altteusches Stük.

Und nun mein Bruder, leb tausendmal wol. grüß und küß mir alle
brave derbe Schweizer. Morgen speißt Miller**) bei mir, dann trinken wir
Deine Gesundheit. Bin ewig


Der Deinige
Schubart.
11.
Schubart an Kayser.

Ulm d. 24. April 1776.

Hab da an Lavater geschrieben; aber so. daß ich damit unzufrieden bin.
Ich denk oft viel und empfind noch mehr, wenn ich und Miller mit einander
von Lavater sprechen; aber schreib ich, so sitz ich da und guk Dir aufs Blat
hin. wie 'n Ass. Deine Briefe, wenn sie auch nur Zettelchen sind machen
mir immer sehr viel Freude. Du bist so'n warmer Junge. Aber denk Stei¬
ner traf mich nicht an; ich war just nach Geißlingen geritten, wie mich das
Ding ärgert! Halt gar viel auf Leute, die du schäzst. Deine Gedanken
über die edle Musika sind auch die meinigen. Wir fangen nun an, alles
wieder auf die Einfalt der Natur zu reduciren; so Gott will! wird nun die
Reih' auch an die Musik kommen. Mit Glut steh ich seit einem halben
Jahr im Briefwechsel; er komponirt aber besser, als er Briefe schreibt. Ich
hab Hoffnung künftigen Kreißtag 4 Bardengesänge aus Hermansschlacht von
Glut gesetzt.....***) zu bekommen. Sollsts auch haben, Bruder, sollsts
auch haben.

Miller und ich widmeten uns gestern mit Klaudius, mit dem der Mo-
nath Merz im Merkur beginnt-I/). Was das für'n Mann ist.....55).
Ich und Miller genießen nun den Frühling; Du solltest barbet seyn,
wenn wir so die Donau »untergehen und es so innig fühlen, daß wir leben
und oft zu Gott mit dankenden Thränen emporblicken. Wir lesen und
sprechen viel miteinander und das meist all' Tag.

Dein Gedicht hat mir wohl gefallen, soll ichs in der Chronik druken







zugesagt. Möchtest Du nicht auch was in der Schweiz für Bürgern thun. Sag mir, was man
dort vorschießen will, wills gleich in der Chronik bekannt machen.
') Februar 1776 S, 12S—27,
") Schubart schreibt oft Müller.
Durchstrichen sind die Worte: durch den kaiserlichen Minister,
f) Nämlich der Aussatz: Ueber Herder's älteste Urkunde des Menschengeschlechts,
sf) Zwei Zeilen unleserlich gemacht: Ich lese: Ist Dir Wielands ungestümer Charakter
nicht auch sehr aufgefallen, wie ihn Goethe Lenz, Graf Stolberg fürchtete. Wohin die'» haben
wollen!!*
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[0467] sollen wir ihn dann umsonst arbeiten lassen? Die Sehnsucht nach Liebe von dem jungen Graf von Stollberg im neusten Stück des Merkurs*) ist ganz ein herrliches altteusches Stük. Und nun mein Bruder, leb tausendmal wol. grüß und küß mir alle brave derbe Schweizer. Morgen speißt Miller**) bei mir, dann trinken wir Deine Gesundheit. Bin ewig Der Deinige Schubart. 11. Schubart an Kayser. Ulm d. 24. April 1776. Hab da an Lavater geschrieben; aber so. daß ich damit unzufrieden bin. Ich denk oft viel und empfind noch mehr, wenn ich und Miller mit einander von Lavater sprechen; aber schreib ich, so sitz ich da und guk Dir aufs Blat hin. wie 'n Ass. Deine Briefe, wenn sie auch nur Zettelchen sind machen mir immer sehr viel Freude. Du bist so'n warmer Junge. Aber denk Stei¬ ner traf mich nicht an; ich war just nach Geißlingen geritten, wie mich das Ding ärgert! Halt gar viel auf Leute, die du schäzst. Deine Gedanken über die edle Musika sind auch die meinigen. Wir fangen nun an, alles wieder auf die Einfalt der Natur zu reduciren; so Gott will! wird nun die Reih' auch an die Musik kommen. Mit Glut steh ich seit einem halben Jahr im Briefwechsel; er komponirt aber besser, als er Briefe schreibt. Ich hab Hoffnung künftigen Kreißtag 4 Bardengesänge aus Hermansschlacht von Glut gesetzt.....***) zu bekommen. Sollsts auch haben, Bruder, sollsts auch haben. Miller und ich widmeten uns gestern mit Klaudius, mit dem der Mo- nath Merz im Merkur beginnt-I/). Was das für'n Mann ist.....55). Ich und Miller genießen nun den Frühling; Du solltest barbet seyn, wenn wir so die Donau »untergehen und es so innig fühlen, daß wir leben und oft zu Gott mit dankenden Thränen emporblicken. Wir lesen und sprechen viel miteinander und das meist all' Tag. Dein Gedicht hat mir wohl gefallen, soll ichs in der Chronik druken zugesagt. Möchtest Du nicht auch was in der Schweiz für Bürgern thun. Sag mir, was man dort vorschießen will, wills gleich in der Chronik bekannt machen. ') Februar 1776 S, 12S—27, ") Schubart schreibt oft Müller. Durchstrichen sind die Worte: durch den kaiserlichen Minister, f) Nämlich der Aussatz: Ueber Herder's älteste Urkunde des Menschengeschlechts, sf) Zwei Zeilen unleserlich gemacht: Ich lese: Ist Dir Wielands ungestümer Charakter nicht auch sehr aufgefallen, wie ihn Goethe Lenz, Graf Stolberg fürchtete. Wohin die'» haben wollen!!* 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/467>, abgerufen am 22.12.2024.