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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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zu beachten haben. -- Sie sind ein Musikus, sehen mit großer Erfindung*)
sind immer auf Reissen. sammeln Erfahrungen -- Tausendsakerment, so schrei¬
ben Sie mir doch auch was aus der Fülle Ihrer Kenntnisse! Bin gewiß
'n lehrbegieriger, fühlender Junge; hab auch was gesehen in der Welt und
schlag Ihnen 's Klavier nicht marrsch, sollte also wohl verdienen, daß Sie mich
zuweilen mit musikalischen Beiträgen zu meiner Chronik erfreuten.**)

Auch Ihre Gedichte verdienen Lob. Poztausend! wie's Ihnen vom Her-
zen fließt, gen Himmel steigt und zu uns 'runterlangt; alles so innig,
so heiß, so petrarchisch, daß einer 'n Perrückenstock seyn müßte, wenn er's
nicht fühlte.

Aber Miller magh Ihnen sagen, daß Sie unter meine Herzkäfer ge¬
hören. Also kein Wort weiter! Gehen Sie zu Ihrem Miller und küssen
euch (sie), daß es im Bart rasselt. Stoßen an und trinken aufs Wohlsein
der Freiheit! der Wissenschaft! der Kunst -- heilige Musik", du bist die
schönste und aufs Wohlsein.


Ihres
gehorsamsten Dieners und
Verehrers Schubart.

Sie geben doch Millern einen Brief an mich mit? und schreiben mir
oft? und haben mich lieb? Bin kein übler Kerl, hab 'en Bauch, wie 'n
Schulz.


8.
Lenz an Kayser.

8. ">. ***)

Ich schreibe Dir dieses unter dem Gestürm der Feuerglocken und Feuer¬
trommeln in der Nacht uM 4 Uhr. Kayser wenn du Stollberg schreibst,
so sag ihm, ich hätte Lavatern einen Dank für die mir überschickte Freiheits¬
hymne geschrieben, den er ihm noch auszurichten hat. Doch mögt er beden¬
ken, daß ein guter Wein keines Kranzes bedarf, am wenigsten von meiner
Thespishand.

Es wird bald ein tüchtiges Geschimpf und Geschmäh über Mich in
Deutschland los gehen. Kaiser! Willst Du auch von der Parthey sein?
Nein lieber Junge, du hast mich zu lieb, du hast dich zu lieb, Wenns über-
standen ist, so lachen wir doch.





") Als Anm. schrieb er- Empfindung wollt ich schreiben, aber Erfindung mag stehen bleiben,
denn Genies sind Erfinder.
") Vergl. W. v. Mciltzahn i Lenz, in den Bl. f. ur. Unterhaltung. 1848. Eine eingehende
Biographie schreibt jetzt Jegor v. Siepers.
Ich setze den Brief an den Anfang 1776,

zu beachten haben. — Sie sind ein Musikus, sehen mit großer Erfindung*)
sind immer auf Reissen. sammeln Erfahrungen — Tausendsakerment, so schrei¬
ben Sie mir doch auch was aus der Fülle Ihrer Kenntnisse! Bin gewiß
'n lehrbegieriger, fühlender Junge; hab auch was gesehen in der Welt und
schlag Ihnen 's Klavier nicht marrsch, sollte also wohl verdienen, daß Sie mich
zuweilen mit musikalischen Beiträgen zu meiner Chronik erfreuten.**)

Auch Ihre Gedichte verdienen Lob. Poztausend! wie's Ihnen vom Her-
zen fließt, gen Himmel steigt und zu uns 'runterlangt; alles so innig,
so heiß, so petrarchisch, daß einer 'n Perrückenstock seyn müßte, wenn er's
nicht fühlte.

Aber Miller magh Ihnen sagen, daß Sie unter meine Herzkäfer ge¬
hören. Also kein Wort weiter! Gehen Sie zu Ihrem Miller und küssen
euch (sie), daß es im Bart rasselt. Stoßen an und trinken aufs Wohlsein
der Freiheit! der Wissenschaft! der Kunst — heilige Musik«, du bist die
schönste und aufs Wohlsein.


Ihres
gehorsamsten Dieners und
Verehrers Schubart.

Sie geben doch Millern einen Brief an mich mit? und schreiben mir
oft? und haben mich lieb? Bin kein übler Kerl, hab 'en Bauch, wie 'n
Schulz.


8.
Lenz an Kayser.

8. »>. ***)

Ich schreibe Dir dieses unter dem Gestürm der Feuerglocken und Feuer¬
trommeln in der Nacht uM 4 Uhr. Kayser wenn du Stollberg schreibst,
so sag ihm, ich hätte Lavatern einen Dank für die mir überschickte Freiheits¬
hymne geschrieben, den er ihm noch auszurichten hat. Doch mögt er beden¬
ken, daß ein guter Wein keines Kranzes bedarf, am wenigsten von meiner
Thespishand.

Es wird bald ein tüchtiges Geschimpf und Geschmäh über Mich in
Deutschland los gehen. Kaiser! Willst Du auch von der Parthey sein?
Nein lieber Junge, du hast mich zu lieb, du hast dich zu lieb, Wenns über-
standen ist, so lachen wir doch.





") Als Anm. schrieb er- Empfindung wollt ich schreiben, aber Erfindung mag stehen bleiben,
denn Genies sind Erfinder.
") Vergl. W. v. Mciltzahn i Lenz, in den Bl. f. ur. Unterhaltung. 1848. Eine eingehende
Biographie schreibt jetzt Jegor v. Siepers.
Ich setze den Brief an den Anfang 1776,
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[0464] zu beachten haben. — Sie sind ein Musikus, sehen mit großer Erfindung*) sind immer auf Reissen. sammeln Erfahrungen — Tausendsakerment, so schrei¬ ben Sie mir doch auch was aus der Fülle Ihrer Kenntnisse! Bin gewiß 'n lehrbegieriger, fühlender Junge; hab auch was gesehen in der Welt und schlag Ihnen 's Klavier nicht marrsch, sollte also wohl verdienen, daß Sie mich zuweilen mit musikalischen Beiträgen zu meiner Chronik erfreuten.**) Auch Ihre Gedichte verdienen Lob. Poztausend! wie's Ihnen vom Her- zen fließt, gen Himmel steigt und zu uns 'runterlangt; alles so innig, so heiß, so petrarchisch, daß einer 'n Perrückenstock seyn müßte, wenn er's nicht fühlte. Aber Miller magh Ihnen sagen, daß Sie unter meine Herzkäfer ge¬ hören. Also kein Wort weiter! Gehen Sie zu Ihrem Miller und küssen euch (sie), daß es im Bart rasselt. Stoßen an und trinken aufs Wohlsein der Freiheit! der Wissenschaft! der Kunst — heilige Musik«, du bist die schönste und aufs Wohlsein. Ihres gehorsamsten Dieners und Verehrers Schubart. Sie geben doch Millern einen Brief an mich mit? und schreiben mir oft? und haben mich lieb? Bin kein übler Kerl, hab 'en Bauch, wie 'n Schulz. 8. Lenz an Kayser. 8. »>. ***) Ich schreibe Dir dieses unter dem Gestürm der Feuerglocken und Feuer¬ trommeln in der Nacht uM 4 Uhr. Kayser wenn du Stollberg schreibst, so sag ihm, ich hätte Lavatern einen Dank für die mir überschickte Freiheits¬ hymne geschrieben, den er ihm noch auszurichten hat. Doch mögt er beden¬ ken, daß ein guter Wein keines Kranzes bedarf, am wenigsten von meiner Thespishand. Es wird bald ein tüchtiges Geschimpf und Geschmäh über Mich in Deutschland los gehen. Kaiser! Willst Du auch von der Parthey sein? Nein lieber Junge, du hast mich zu lieb, du hast dich zu lieb, Wenns über- standen ist, so lachen wir doch. ") Als Anm. schrieb er- Empfindung wollt ich schreiben, aber Erfindung mag stehen bleiben, denn Genies sind Erfinder. ") Vergl. W. v. Mciltzahn i Lenz, in den Bl. f. ur. Unterhaltung. 1848. Eine eingehende Biographie schreibt jetzt Jegor v. Siepers. Ich setze den Brief an den Anfang 1776,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/464>, abgerufen am 22.12.2024.