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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Daß die Industrie bei so ausgedehnten Unterstützungen, bei so großen
Privilegien gedeihen mußte, kann man sich wohl denken. (Lepage, wenn er
dies für so selbstverständlich erklärt, erinnert sich jedenfalls dessen, daß jedes
bürgerliche Gewerbe, welches nicht landesherrlich geschützt und privilegirt ward,
in jener Zeit sich vor Druck, Beschränkungen und Ausbeutung Seitens der
kleinen Territorialherren nicht zu schützen vermochte, zumal wenn, wie meistens bei
der Glasindustrie, nicht Städte zum Niederlassungsorte gewählt werden konnten).

Gegen Ende des fünfzehnten und während des ganzen sechszehnten Jahr¬
hunderts entstanden zahlreiche Werkstätten für Glasindustrie, so in Fontaine-
Saint-Vaubert, in Lamarche, in Fay, Darney, Martinville, Torchon, Haute-
Frizon, Neumond. Je werthvoller den Glasherren die ihnen verliehenen
Privilegien waren, desto eifersüchtiger waren sie darauf, dieselben ausschlie߬
lich für sich zu behaupten. Als Franz von Thisal, der vorn Herzog die
Genehmigung zur Errichtung einer Glashütte in den Wäldern von Darney
erhalten hatte, im Jahr 1S16 sich unterstand, einen jungen Burgunder,
Jacob Dardenay, der nicht in gerader Linie mit ihm verwandt war, als
Lehrling anzunehmen, ward ihm verboten, den genannten jungen Mann ferner
bei sich zu behalten und ihn in seiner Kunst zu unterrichten. Da wandte
sich Thisal nach Burgund, errichtete daselbst alsbald eine Glashütte und
lehrte die Kunst nicht nur dem Jakob Dardenay, sondern auch noch einem
gewissen Du Preys von Dompaire. Als diese sich nun in der Kunst ausge¬
bildet hatten, kamen sie nach Lothringen, übernahmen eine Glashütte, welche
Thisal in den Wäldern von Darney sür sie gebaut hatte, und schickten sich
an, sehr zum Verdruß der andern Meister und gänzlich wider Recht und
Ordnung, das Gewerbe zu betreiben, als wenn sie zum Geschlecht ihres ehe¬
maligen Meisters gehörten. Da beschwerten sich die anderen Meister beim
Herzoge. Dieser beschied beide Parteien vor seinen geheimen Rath, wo sie
auf gethanen Vorhalt sich feierlich verpflichten mußten, daß keiner von
ihnen jetzt und in aller Zukunft irgend Jemanden, wer es auch sei, außer
seinen leiblichen, in legitimer Ehe erzeugten Nachkommen, in dem Gewerbe
der Glasbereitung und Glasverarbeitung unterrichten wolle, bei Strafe des
Meineides, einer arbitrairen Geldstrafe und bei Strafe der Ungnade "bei
uns und unseren Nachfolgern im Herzogthum Lothringen". Dieser Act wurde
von dem Fürsten vollzogen "in Erwägung" -- so heißt es -- "des großen
Nutzens der Glasindustrie für unsere Lande, und geleitet von dem Bestreben,
sie bei Kräften, die Glasherren aber im Lande und im Besitze ihrer Rechte,
Bräuche und Privilegien zu erhalten."

Das Alles sind Zeugnisse dafür, wie großen Werth die Herzöge von
Lothringen darauf legten, daß sich die Glasindustrie in ihren Landen immer
sicherer einbürgere und immer weiter entwickele.


57"

Daß die Industrie bei so ausgedehnten Unterstützungen, bei so großen
Privilegien gedeihen mußte, kann man sich wohl denken. (Lepage, wenn er
dies für so selbstverständlich erklärt, erinnert sich jedenfalls dessen, daß jedes
bürgerliche Gewerbe, welches nicht landesherrlich geschützt und privilegirt ward,
in jener Zeit sich vor Druck, Beschränkungen und Ausbeutung Seitens der
kleinen Territorialherren nicht zu schützen vermochte, zumal wenn, wie meistens bei
der Glasindustrie, nicht Städte zum Niederlassungsorte gewählt werden konnten).

Gegen Ende des fünfzehnten und während des ganzen sechszehnten Jahr¬
hunderts entstanden zahlreiche Werkstätten für Glasindustrie, so in Fontaine-
Saint-Vaubert, in Lamarche, in Fay, Darney, Martinville, Torchon, Haute-
Frizon, Neumond. Je werthvoller den Glasherren die ihnen verliehenen
Privilegien waren, desto eifersüchtiger waren sie darauf, dieselben ausschlie߬
lich für sich zu behaupten. Als Franz von Thisal, der vorn Herzog die
Genehmigung zur Errichtung einer Glashütte in den Wäldern von Darney
erhalten hatte, im Jahr 1S16 sich unterstand, einen jungen Burgunder,
Jacob Dardenay, der nicht in gerader Linie mit ihm verwandt war, als
Lehrling anzunehmen, ward ihm verboten, den genannten jungen Mann ferner
bei sich zu behalten und ihn in seiner Kunst zu unterrichten. Da wandte
sich Thisal nach Burgund, errichtete daselbst alsbald eine Glashütte und
lehrte die Kunst nicht nur dem Jakob Dardenay, sondern auch noch einem
gewissen Du Preys von Dompaire. Als diese sich nun in der Kunst ausge¬
bildet hatten, kamen sie nach Lothringen, übernahmen eine Glashütte, welche
Thisal in den Wäldern von Darney sür sie gebaut hatte, und schickten sich
an, sehr zum Verdruß der andern Meister und gänzlich wider Recht und
Ordnung, das Gewerbe zu betreiben, als wenn sie zum Geschlecht ihres ehe¬
maligen Meisters gehörten. Da beschwerten sich die anderen Meister beim
Herzoge. Dieser beschied beide Parteien vor seinen geheimen Rath, wo sie
auf gethanen Vorhalt sich feierlich verpflichten mußten, daß keiner von
ihnen jetzt und in aller Zukunft irgend Jemanden, wer es auch sei, außer
seinen leiblichen, in legitimer Ehe erzeugten Nachkommen, in dem Gewerbe
der Glasbereitung und Glasverarbeitung unterrichten wolle, bei Strafe des
Meineides, einer arbitrairen Geldstrafe und bei Strafe der Ungnade „bei
uns und unseren Nachfolgern im Herzogthum Lothringen". Dieser Act wurde
von dem Fürsten vollzogen „in Erwägung" — so heißt es — „des großen
Nutzens der Glasindustrie für unsere Lande, und geleitet von dem Bestreben,
sie bei Kräften, die Glasherren aber im Lande und im Besitze ihrer Rechte,
Bräuche und Privilegien zu erhalten."

Das Alles sind Zeugnisse dafür, wie großen Werth die Herzöge von
Lothringen darauf legten, daß sich die Glasindustrie in ihren Landen immer
sicherer einbürgere und immer weiter entwickele.


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[0459] Daß die Industrie bei so ausgedehnten Unterstützungen, bei so großen Privilegien gedeihen mußte, kann man sich wohl denken. (Lepage, wenn er dies für so selbstverständlich erklärt, erinnert sich jedenfalls dessen, daß jedes bürgerliche Gewerbe, welches nicht landesherrlich geschützt und privilegirt ward, in jener Zeit sich vor Druck, Beschränkungen und Ausbeutung Seitens der kleinen Territorialherren nicht zu schützen vermochte, zumal wenn, wie meistens bei der Glasindustrie, nicht Städte zum Niederlassungsorte gewählt werden konnten). Gegen Ende des fünfzehnten und während des ganzen sechszehnten Jahr¬ hunderts entstanden zahlreiche Werkstätten für Glasindustrie, so in Fontaine- Saint-Vaubert, in Lamarche, in Fay, Darney, Martinville, Torchon, Haute- Frizon, Neumond. Je werthvoller den Glasherren die ihnen verliehenen Privilegien waren, desto eifersüchtiger waren sie darauf, dieselben ausschlie߬ lich für sich zu behaupten. Als Franz von Thisal, der vorn Herzog die Genehmigung zur Errichtung einer Glashütte in den Wäldern von Darney erhalten hatte, im Jahr 1S16 sich unterstand, einen jungen Burgunder, Jacob Dardenay, der nicht in gerader Linie mit ihm verwandt war, als Lehrling anzunehmen, ward ihm verboten, den genannten jungen Mann ferner bei sich zu behalten und ihn in seiner Kunst zu unterrichten. Da wandte sich Thisal nach Burgund, errichtete daselbst alsbald eine Glashütte und lehrte die Kunst nicht nur dem Jakob Dardenay, sondern auch noch einem gewissen Du Preys von Dompaire. Als diese sich nun in der Kunst ausge¬ bildet hatten, kamen sie nach Lothringen, übernahmen eine Glashütte, welche Thisal in den Wäldern von Darney sür sie gebaut hatte, und schickten sich an, sehr zum Verdruß der andern Meister und gänzlich wider Recht und Ordnung, das Gewerbe zu betreiben, als wenn sie zum Geschlecht ihres ehe¬ maligen Meisters gehörten. Da beschwerten sich die anderen Meister beim Herzoge. Dieser beschied beide Parteien vor seinen geheimen Rath, wo sie auf gethanen Vorhalt sich feierlich verpflichten mußten, daß keiner von ihnen jetzt und in aller Zukunft irgend Jemanden, wer es auch sei, außer seinen leiblichen, in legitimer Ehe erzeugten Nachkommen, in dem Gewerbe der Glasbereitung und Glasverarbeitung unterrichten wolle, bei Strafe des Meineides, einer arbitrairen Geldstrafe und bei Strafe der Ungnade „bei uns und unseren Nachfolgern im Herzogthum Lothringen". Dieser Act wurde von dem Fürsten vollzogen „in Erwägung" — so heißt es — „des großen Nutzens der Glasindustrie für unsere Lande, und geleitet von dem Bestreben, sie bei Kräften, die Glasherren aber im Lande und im Besitze ihrer Rechte, Bräuche und Privilegien zu erhalten." Das Alles sind Zeugnisse dafür, wie großen Werth die Herzöge von Lothringen darauf legten, daß sich die Glasindustrie in ihren Landen immer sicherer einbürgere und immer weiter entwickele. 57"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/459>, abgerufen am 23.12.2024.