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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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wurde, von der Bundesgesetzgebung berührt. Soll jedoch die Bundesg/setz.
gebung brach liegen, weil über ihre Wirkungen sich falsche Vorstellungen ge¬
bildet hatten?

Was ist demnach unter jenem gefurchtsten und zu befürchtenden Eingriff
in die Verwaltungshoheit der Bundesstaaten zu verstehen? Der Gedanke
drängt sich auf und läßt sich nicht abweisen, daß die Befürchtungen durch
ein Etwas geweckt und genährt werden, das in den verschiedensten Formen
und Hüllen sich zur Erscheinung gebracht hat und. wie wir gern einräumen,
nicht ohne Berechtigung sich geltend zu machen sucht. Das Etwas ist ein¬
fach der Particularismus. Die Probe, ob er es wirklich sei, wird nicht
schwer fallen, wenn man nicht blos auf die tönenden, beinahe Schrecken erregen¬
den Worte "Eingriff in die Verwaltungshoheit der Bundesstaaten" hört,
sondern untersucht, auf das nüchternste und gewissenhafteste zugleich untersucht,
ob eine bundesgesetzliche Einrichtung wirklich den Bestand der Bundesstaaten,
ihre Natur als selbständige Glieder des Bundesstaats gefährdet.

Dieses Schlagwort von der Verwaltungshoheit wird wahrscheinlich auch
bei dem Gebiet zur Anwendung kommen, das vorwiegend den Zeitbedürf¬
nissen dient und die Zeitinteressen an sich zieht: bei dem Gebiet der Verkehrs¬
anstalten. Wer will aber verhehlen, daß auf keinem Gebiet, das Rechtsge¬
biet nicht ausgenommen, die einheitliche Verwaltung auf Grundlage einheit¬
licher Bestimmungen eifriger gefordert wird? Die.Wünsche der Allgemein¬
heit, das Interesse des Dienstes, die Gestaltung des ungeheuerlich anwach¬
senden Verkehrs drängen gleichmäßig auf Einheitlichkeit der Verkehrsverwal-
tung hin. Jedes Zugeständnis) an die Sonderverwaltungen will Angesichts
der Verhältnisse genau erwogen sein. Die Verschmelzung der Verwaltungen
in eine deutsche Eisenbahn-, eine deutsche Post-, eine deutsche Telegraphenver¬
waltung ginge ohne Zweifel weit über das Bedürfniß hinaus und würde
muthmaßlich auf schwer überwindliche Schwierigketten stoßen. Die einfache
Beibehaltung der Vereinsconferenzen, wie sie für Post- und Telegraphen¬
wesen in Uebung sind, bliebe dagegen hinter dem Bedürfniß zurück, weil sie
keine unausgesetzte Wechselwirkung der Sonderverwaltungen, keinen behörd¬
lichen Zusammenschluß ermöglichte. Beides würde durch ständige Bundes¬
commissionen, denen die Besorgung der obersten Verwaltung obliegen müßte,
sowie durch Einführung von Bundesbevollmächtigten gegeben, die nach Art
der Zollvereinsbevollmächtigten die Controle zu führen hätten. In dieser
Neugestaltung läge ein wesentlicher Fortschritt zur einheitlichen Zusammen¬
fassung, aber nüchtern erwogen wäre der Eingriff in die Verwaltungshoheit
der Bundesstaaten weit weniger bedeutend, als es auf dem ersten Blick
scheinen kann. Die Einheitlichkeit gelangte zu deutlicherem, wirksameren
Ausdruck, die Sonderverwaltungen bewahrten aber den vollen Spielraum,


wurde, von der Bundesgesetzgebung berührt. Soll jedoch die Bundesg/setz.
gebung brach liegen, weil über ihre Wirkungen sich falsche Vorstellungen ge¬
bildet hatten?

Was ist demnach unter jenem gefurchtsten und zu befürchtenden Eingriff
in die Verwaltungshoheit der Bundesstaaten zu verstehen? Der Gedanke
drängt sich auf und läßt sich nicht abweisen, daß die Befürchtungen durch
ein Etwas geweckt und genährt werden, das in den verschiedensten Formen
und Hüllen sich zur Erscheinung gebracht hat und. wie wir gern einräumen,
nicht ohne Berechtigung sich geltend zu machen sucht. Das Etwas ist ein¬
fach der Particularismus. Die Probe, ob er es wirklich sei, wird nicht
schwer fallen, wenn man nicht blos auf die tönenden, beinahe Schrecken erregen¬
den Worte „Eingriff in die Verwaltungshoheit der Bundesstaaten" hört,
sondern untersucht, auf das nüchternste und gewissenhafteste zugleich untersucht,
ob eine bundesgesetzliche Einrichtung wirklich den Bestand der Bundesstaaten,
ihre Natur als selbständige Glieder des Bundesstaats gefährdet.

Dieses Schlagwort von der Verwaltungshoheit wird wahrscheinlich auch
bei dem Gebiet zur Anwendung kommen, das vorwiegend den Zeitbedürf¬
nissen dient und die Zeitinteressen an sich zieht: bei dem Gebiet der Verkehrs¬
anstalten. Wer will aber verhehlen, daß auf keinem Gebiet, das Rechtsge¬
biet nicht ausgenommen, die einheitliche Verwaltung auf Grundlage einheit¬
licher Bestimmungen eifriger gefordert wird? Die.Wünsche der Allgemein¬
heit, das Interesse des Dienstes, die Gestaltung des ungeheuerlich anwach¬
senden Verkehrs drängen gleichmäßig auf Einheitlichkeit der Verkehrsverwal-
tung hin. Jedes Zugeständnis) an die Sonderverwaltungen will Angesichts
der Verhältnisse genau erwogen sein. Die Verschmelzung der Verwaltungen
in eine deutsche Eisenbahn-, eine deutsche Post-, eine deutsche Telegraphenver¬
waltung ginge ohne Zweifel weit über das Bedürfniß hinaus und würde
muthmaßlich auf schwer überwindliche Schwierigketten stoßen. Die einfache
Beibehaltung der Vereinsconferenzen, wie sie für Post- und Telegraphen¬
wesen in Uebung sind, bliebe dagegen hinter dem Bedürfniß zurück, weil sie
keine unausgesetzte Wechselwirkung der Sonderverwaltungen, keinen behörd¬
lichen Zusammenschluß ermöglichte. Beides würde durch ständige Bundes¬
commissionen, denen die Besorgung der obersten Verwaltung obliegen müßte,
sowie durch Einführung von Bundesbevollmächtigten gegeben, die nach Art
der Zollvereinsbevollmächtigten die Controle zu führen hätten. In dieser
Neugestaltung läge ein wesentlicher Fortschritt zur einheitlichen Zusammen¬
fassung, aber nüchtern erwogen wäre der Eingriff in die Verwaltungshoheit
der Bundesstaaten weit weniger bedeutend, als es auf dem ersten Blick
scheinen kann. Die Einheitlichkeit gelangte zu deutlicherem, wirksameren
Ausdruck, die Sonderverwaltungen bewahrten aber den vollen Spielraum,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/44>, abgerufen am 22.12.2024.