Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Jahrhunderts und von der jüngsten attischen Schule wurde es consequent Fragen wir, weshalb die hellenistische Kunst auf idealem Gebiete dem Jahrhunderts und von der jüngsten attischen Schule wurde es consequent Fragen wir, weshalb die hellenistische Kunst auf idealem Gebiete dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125134"/> <p xml:id="ID_1282" prev="#ID_1281"> Jahrhunderts und von der jüngsten attischen Schule wurde es consequent<lb/> festgehalten. Erst in der Kunst nach Alexander begegnen wir wiederum bis¬<lb/> weilen dem geschlossenen Munde. Allerdings ist diese Darstellungsweise<lb/> auf ein ganz bestimmtes Gebiet beschränkt. Doch bestätigt gerade diese Be¬<lb/> schränktheit die von mir vorausgesetzte Weiterentwicklung. Bei Gestalten idealen<lb/> Charakters hielt auch die Kunst nach Alexander das Motiv deö geöffneten<lb/> Mundes fest. Die Bilder der Götter und Heroen, bei deren Gestaltung<lb/> dauernd ideale Principien maßgebend blieben, wurden bis in die spätesten<lb/> Zeiten mit geöffnetem Munde dargestellt. Ebenso wurde diese Bildungsweise<lb/> bei dem idealisirenden oder bestimmter apotheosirenden Portrait lange Zeit<lb/> consequent festgehalten; die erhaltenen Alexanderköpfe dieser Gattung haben<lb/> den Mund durchweg geöffnet; soweit unsere Kenntniß reicht, kommt der ge¬<lb/> schlossene Mund bei derartigen Typen zum ersten Male bei einigen Antinoos-<lb/> köpfen vor. Anders dagegen bei dem ikonischen Portrait, welches die dar¬<lb/> stellende Persönlichkeit in einer der Wirklichkeit entsprechenden Weise wiedergibt.<lb/> Hier begegnen wir in der Zeit nach Alexander vielfach dem geschlossenen<lb/> Munde, so bei den Statuen des Demosthenes, des Aristoteles, des Menander<lb/> und Posidipp, bei Büsten der Ptolemaier und Seleukiden. Da diese Portraits,<lb/> abgesehen von denen der beiden komischen Dichter, meist Copien aus griechisch¬<lb/> römischer Epoche sein werden, so könnte der EinWurf erhoben werden, daß<lb/> dieses Motiv von den römischen Copisten herrühre. Doch ist diese Annahme<lb/> an und für sich unwahrscheinlich und wird das Vorkommen des geschlossenen<lb/> Mundes in hellenistischer Epoche durch Münzstempel, also authentische Denk¬<lb/> mäler dieser Kunstentwicklung bezeugt. Wie die griechisch-römische Kunst als<lb/> die Fortsetzung der hellenistischen zu betrachten ist, so hat sie auch dieses von<lb/> der hellenistischen Kunst entwickelte Motiv ausgenommen und wenigstens bei<lb/> der Portraitbüste consequent festgehalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1283" next="#ID_1284"> Fragen wir, weshalb die hellenistische Kunst auf idealem Gebiete dem<lb/> Motive des geöffneten Mundes den Vorzug gab, ihn auf realistischem dagegen<lb/> öfter geschlossen darstellte, so können die Gründe dieses Sachverhaltes keine<lb/> andern gewesen sein, als die, welche die verschiedene Behandlung des Brust¬<lb/> korbes in der älteren und in der jüngeren Entwicklung der Kunst bedingten.<lb/> Die idealen, über die Wirklichkeit erhabenen Gesichter bedurften, um nicht<lb/> abstract zu erscheinen, eines Zuges, welches auf das sie bewegende Leben hin¬<lb/> deutete, und wurden daher mit geöffnetem Munde gebildet. Bei den reali¬<lb/> stischen Gestalten dagegen, welche vermöge ihrer dem Leben entsprechenden<lb/> Charakteristik einer dem Betrachter geläufigen Sphäre angehörten, konnte die<lb/> Phantasie leichter die ihnen in der Natur zukommende Bewegung ergänzen.<lb/> Dazu kam noch der Umstand, daß die Darstellung des geschlossenen Mundes<lb/> der geläufigen Erscheinungsweise der Wütlichkeit in höherem Grade entspricht,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Jahrhunderts und von der jüngsten attischen Schule wurde es consequent
festgehalten. Erst in der Kunst nach Alexander begegnen wir wiederum bis¬
weilen dem geschlossenen Munde. Allerdings ist diese Darstellungsweise
auf ein ganz bestimmtes Gebiet beschränkt. Doch bestätigt gerade diese Be¬
schränktheit die von mir vorausgesetzte Weiterentwicklung. Bei Gestalten idealen
Charakters hielt auch die Kunst nach Alexander das Motiv deö geöffneten
Mundes fest. Die Bilder der Götter und Heroen, bei deren Gestaltung
dauernd ideale Principien maßgebend blieben, wurden bis in die spätesten
Zeiten mit geöffnetem Munde dargestellt. Ebenso wurde diese Bildungsweise
bei dem idealisirenden oder bestimmter apotheosirenden Portrait lange Zeit
consequent festgehalten; die erhaltenen Alexanderköpfe dieser Gattung haben
den Mund durchweg geöffnet; soweit unsere Kenntniß reicht, kommt der ge¬
schlossene Mund bei derartigen Typen zum ersten Male bei einigen Antinoos-
köpfen vor. Anders dagegen bei dem ikonischen Portrait, welches die dar¬
stellende Persönlichkeit in einer der Wirklichkeit entsprechenden Weise wiedergibt.
Hier begegnen wir in der Zeit nach Alexander vielfach dem geschlossenen
Munde, so bei den Statuen des Demosthenes, des Aristoteles, des Menander
und Posidipp, bei Büsten der Ptolemaier und Seleukiden. Da diese Portraits,
abgesehen von denen der beiden komischen Dichter, meist Copien aus griechisch¬
römischer Epoche sein werden, so könnte der EinWurf erhoben werden, daß
dieses Motiv von den römischen Copisten herrühre. Doch ist diese Annahme
an und für sich unwahrscheinlich und wird das Vorkommen des geschlossenen
Mundes in hellenistischer Epoche durch Münzstempel, also authentische Denk¬
mäler dieser Kunstentwicklung bezeugt. Wie die griechisch-römische Kunst als
die Fortsetzung der hellenistischen zu betrachten ist, so hat sie auch dieses von
der hellenistischen Kunst entwickelte Motiv ausgenommen und wenigstens bei
der Portraitbüste consequent festgehalten.
Fragen wir, weshalb die hellenistische Kunst auf idealem Gebiete dem
Motive des geöffneten Mundes den Vorzug gab, ihn auf realistischem dagegen
öfter geschlossen darstellte, so können die Gründe dieses Sachverhaltes keine
andern gewesen sein, als die, welche die verschiedene Behandlung des Brust¬
korbes in der älteren und in der jüngeren Entwicklung der Kunst bedingten.
Die idealen, über die Wirklichkeit erhabenen Gesichter bedurften, um nicht
abstract zu erscheinen, eines Zuges, welches auf das sie bewegende Leben hin¬
deutete, und wurden daher mit geöffnetem Munde gebildet. Bei den reali¬
stischen Gestalten dagegen, welche vermöge ihrer dem Leben entsprechenden
Charakteristik einer dem Betrachter geläufigen Sphäre angehörten, konnte die
Phantasie leichter die ihnen in der Natur zukommende Bewegung ergänzen.
Dazu kam noch der Umstand, daß die Darstellung des geschlossenen Mundes
der geläufigen Erscheinungsweise der Wütlichkeit in höherem Grade entspricht,
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