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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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und mit ihrer Erlaubniß. Allzu durchsichtig ist die Schilderung des ganzen
Parteigetriebes nicht, wenigstens überschaut man das Ineinandergreifen der
einzelnen Theile nicht genau, weil die Vorgänge an den einzelnen Höfen,
vielleicht nicht mit Unrecht, von einander getrennt sind.

Die Darstellung des Verhältnisses Preußens zu Frankreich beruht, wie
oben bemerkt, auf den von Schäfer zuerst benutzten Relationen des Freiherrn
von Knyphausen. preußischen Gesandten in Paris. Arnold Schäfer stellt seine
diplomatische Begabung als eine außerordentliche dar und veranschlagt
seine Bedeutung so hoch, daß er sogar über die Personalien desselben
das v. Knyphausen'sche Familienarchiv zu befragen für der Mühe werth
hielt; gleichwohl können uns selbst die in den Beilagen sehr zahlreich und
ausführlich mitgetheilten Schriftstücke durchaus nicht davon überzeugen, daß
er in Paris auf der Höhe der Situation stand. Noch zur Zeit des Ver¬
trags von Westminster weiß Knyphausen nichts von dem wachsenden Ein¬
flüsse Oestreichs am französischen Hofe; am 16, Juli 1766, während Friedrich
durch den englischen Gesandten bereits besser unterrichtet war, hegte er die
irrige Ueberzeugung, daß der Vertrag von Versailles keine andern, als die
bis dahin veröffentlichten Artikel enthalte und das Gerücht über einen vom
Wiener Hofe entworfenen Plan, einen Krieg zwischen den katholischen und
protestantischen Reichsfürsten anzustiften, unbegründet sei. Wie Schäfer, nach¬
dem er dies Alles auf S. 182 mitgetheilt hat, zwei Seiten später sagen
kann: "Knyphausen war in der That von dem Stande der Angelegenheiten,
die am französischen Hofe betrieben wurden, gut unterrichtet", ist ziemlich un¬
verständlich.

Auch aus Friedrichs "^xologis as eng, cvnäuits miliwire" ersieht man,
daß der König bis zum Ausbruch des Krieges die weitgehenden Absichten
seiner Gegner keineswegs ganz genau kannte. Dagegen setzt Schäfer
in ein klares Licht, wie Friedrichs Operationen namentlich durch das an
fangs sehr behutsame Vorgehen Frankreichs und die vorschnellen, darum
auch mangelhaft vorbereiteten Unternehmungen der Oestreicher erleichtert wur¬
den. Zu einer Parallele mit der Gegenwart ladet übrigens der Bericht von
der Unverschämtheit des französischen Gesandten am sächsischen Hofe, des
Grafen Broglie (p. 222) unwillkürlich ein. Er versuchte durch das preußische
Lager zu den eingeschlossenen Sachsen zu gelangen und die Passage durch
Hartnäckigkeit zu ertrotzen. Friedrich mußte sich über des Gesandten unziem-
ziches Betragen bei Valori beklagen, die französische Regierung aber ließ
ihren Gesandten abberufen, weil der König "in Broglie's Person die heilig¬
sten Satzungen des Völkerrechts verletzt habe." -- Ausgezeichnet ist auch die
Darstellung des Versailler Vertrags, als eines Meisterstückes und Sieges
der östreichischen Diplomatie über die französische: diesen Grundgedanken fest-


und mit ihrer Erlaubniß. Allzu durchsichtig ist die Schilderung des ganzen
Parteigetriebes nicht, wenigstens überschaut man das Ineinandergreifen der
einzelnen Theile nicht genau, weil die Vorgänge an den einzelnen Höfen,
vielleicht nicht mit Unrecht, von einander getrennt sind.

Die Darstellung des Verhältnisses Preußens zu Frankreich beruht, wie
oben bemerkt, auf den von Schäfer zuerst benutzten Relationen des Freiherrn
von Knyphausen. preußischen Gesandten in Paris. Arnold Schäfer stellt seine
diplomatische Begabung als eine außerordentliche dar und veranschlagt
seine Bedeutung so hoch, daß er sogar über die Personalien desselben
das v. Knyphausen'sche Familienarchiv zu befragen für der Mühe werth
hielt; gleichwohl können uns selbst die in den Beilagen sehr zahlreich und
ausführlich mitgetheilten Schriftstücke durchaus nicht davon überzeugen, daß
er in Paris auf der Höhe der Situation stand. Noch zur Zeit des Ver¬
trags von Westminster weiß Knyphausen nichts von dem wachsenden Ein¬
flüsse Oestreichs am französischen Hofe; am 16, Juli 1766, während Friedrich
durch den englischen Gesandten bereits besser unterrichtet war, hegte er die
irrige Ueberzeugung, daß der Vertrag von Versailles keine andern, als die
bis dahin veröffentlichten Artikel enthalte und das Gerücht über einen vom
Wiener Hofe entworfenen Plan, einen Krieg zwischen den katholischen und
protestantischen Reichsfürsten anzustiften, unbegründet sei. Wie Schäfer, nach¬
dem er dies Alles auf S. 182 mitgetheilt hat, zwei Seiten später sagen
kann: „Knyphausen war in der That von dem Stande der Angelegenheiten,
die am französischen Hofe betrieben wurden, gut unterrichtet", ist ziemlich un¬
verständlich.

Auch aus Friedrichs „^xologis as eng, cvnäuits miliwire" ersieht man,
daß der König bis zum Ausbruch des Krieges die weitgehenden Absichten
seiner Gegner keineswegs ganz genau kannte. Dagegen setzt Schäfer
in ein klares Licht, wie Friedrichs Operationen namentlich durch das an
fangs sehr behutsame Vorgehen Frankreichs und die vorschnellen, darum
auch mangelhaft vorbereiteten Unternehmungen der Oestreicher erleichtert wur¬
den. Zu einer Parallele mit der Gegenwart ladet übrigens der Bericht von
der Unverschämtheit des französischen Gesandten am sächsischen Hofe, des
Grafen Broglie (p. 222) unwillkürlich ein. Er versuchte durch das preußische
Lager zu den eingeschlossenen Sachsen zu gelangen und die Passage durch
Hartnäckigkeit zu ertrotzen. Friedrich mußte sich über des Gesandten unziem-
ziches Betragen bei Valori beklagen, die französische Regierung aber ließ
ihren Gesandten abberufen, weil der König „in Broglie's Person die heilig¬
sten Satzungen des Völkerrechts verletzt habe." — Ausgezeichnet ist auch die
Darstellung des Versailler Vertrags, als eines Meisterstückes und Sieges
der östreichischen Diplomatie über die französische: diesen Grundgedanken fest-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/412>, abgerufen am 23.12.2024.