Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.schichte des siebenjährigen Krieges" und allerdings ist demselben ein gutes Der erste Band beginnt mit einer eingehenden Schilderung der euro¬ *
schichte des siebenjährigen Krieges" und allerdings ist demselben ein gutes Der erste Band beginnt mit einer eingehenden Schilderung der euro¬ *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0411" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125117"/> <p xml:id="ID_1237" prev="#ID_1236"> schichte des siebenjährigen Krieges" und allerdings ist demselben ein gutes<lb/> Theil der Arbeit gewidmet. Aber man würde sehr irren, wenn man an¬<lb/> nähme, er habe in die Beschreibung des Krieges seine Hauptaufgabe gesetzt;<lb/> macht das Ganze schon an und für sich den Eindruck, als habe er den Ge¬<lb/> genstand, welchen der große Generalstab hauptsächlich von der militärischen<lb/> Seite beleuchtet hatte, nunmehr auch von der politischen in das rechte Licht<lb/> setzen wollen, so spricht er in der Vorrede zum zweiten Band auch ganz un¬<lb/> umwunden aus, das Hauptgewicht lege er aus die Darstellung der europäi¬<lb/> schen Politik während des Krieges. Es ist nun zwar an und sür sich ge¬<lb/> recht, von diesem europäischen Standpunkt den Schauplatz des Krieges zu<lb/> überblicken und die Ereignisse, welche Preußen zur Großmacht erhoben, nach<lb/> diesem größeren Maßstabe zu messen, in diesen weiteren Rahmen einzufügen:<lb/> es ist gerechter sogar und eines wahren Historikers viel würdiger, als in den<lb/> Begebenheiten eine Aufeinanderfolge taktischer Züge und Gegenzüge, oder nur<lb/> einen Causalnexus von offensiven und defensiven Operationen erkennen zu<lb/> wollen, aber nie durfte unseres Erachtens die Darstellung der diplomatischen<lb/> Actionen solche Ausdehnung annehmen, daß die militärischen vollkommen in<lb/> den Schatten gestellt oder nur unzusammenhängend erzählt werden können.<lb/> So verliert das Geschichtswerk die Einheit des Ganzen und die Symmetrie<lb/> der Theile und damit den Charakter eines Kunstwerkes. Hätte Schäfer sein<lb/> Buch „Geschichte der diplomatischen Verhandlungen zur Zeit des siebenjähri¬<lb/> gen Krieges" betitelt, so würden wir wenig daran auszusetzen haben und ge¬<lb/> legentliche Förderung in der Kenntniß des Krieges selbst dankbar entgegen¬<lb/> nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1238" next="#ID_1239"> Der erste Band beginnt mit einer eingehenden Schilderung der euro¬<lb/> päischen Constellationen vom Utrechter Frieden bis zum Beginne des sieben¬<lb/> jährigen Krieges, die Veränderungen, welche namentlich die französische und<lb/> englische Politik während dieses Zwischenraums erlitt, werden besonders aus-<lb/> führlich behandelt. Mit großer Meisterschaft schildert Schäfer die doppel¬<lb/> züngige Politik Georg's II., die sich freilich aus seiner Doppelstellung als<lb/> Souverän von England und deutscher Reichsfürst, bei der eifersüchtigen<lb/> Überwachung seitens des englischen Volkes, mit einer gewissen Nothwendig,<lb/> keit ergeben mußte. Der Geschichte der verschiedenen englischen Ministerien<lb/> wird in diesem Buch der Einleitung ein so bedeutender Raum gewidmet,<lb/> daß man förmlich einen Abriß der englischen Politik erhält. Die geheimen<lb/> Verhandlungen zwischen Frankreich und Oestreich konnte Schäfer vor drei<lb/> Jahren noch nicht vollständig enthüllen wegen der mangelnden Bereitwillig¬<lb/> keit der östreichischen und französischen Archivvorstände: der so oft erwähnte<lb/> eigenhändige Brief Maria Theresia's an Madame Pompadour gehört natür¬<lb/> lich in das Gebiet der Mythe — indeß Kaunitz that es in ihrem Namen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> *</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0411]
schichte des siebenjährigen Krieges" und allerdings ist demselben ein gutes
Theil der Arbeit gewidmet. Aber man würde sehr irren, wenn man an¬
nähme, er habe in die Beschreibung des Krieges seine Hauptaufgabe gesetzt;
macht das Ganze schon an und für sich den Eindruck, als habe er den Ge¬
genstand, welchen der große Generalstab hauptsächlich von der militärischen
Seite beleuchtet hatte, nunmehr auch von der politischen in das rechte Licht
setzen wollen, so spricht er in der Vorrede zum zweiten Band auch ganz un¬
umwunden aus, das Hauptgewicht lege er aus die Darstellung der europäi¬
schen Politik während des Krieges. Es ist nun zwar an und sür sich ge¬
recht, von diesem europäischen Standpunkt den Schauplatz des Krieges zu
überblicken und die Ereignisse, welche Preußen zur Großmacht erhoben, nach
diesem größeren Maßstabe zu messen, in diesen weiteren Rahmen einzufügen:
es ist gerechter sogar und eines wahren Historikers viel würdiger, als in den
Begebenheiten eine Aufeinanderfolge taktischer Züge und Gegenzüge, oder nur
einen Causalnexus von offensiven und defensiven Operationen erkennen zu
wollen, aber nie durfte unseres Erachtens die Darstellung der diplomatischen
Actionen solche Ausdehnung annehmen, daß die militärischen vollkommen in
den Schatten gestellt oder nur unzusammenhängend erzählt werden können.
So verliert das Geschichtswerk die Einheit des Ganzen und die Symmetrie
der Theile und damit den Charakter eines Kunstwerkes. Hätte Schäfer sein
Buch „Geschichte der diplomatischen Verhandlungen zur Zeit des siebenjähri¬
gen Krieges" betitelt, so würden wir wenig daran auszusetzen haben und ge¬
legentliche Förderung in der Kenntniß des Krieges selbst dankbar entgegen¬
nehmen.
Der erste Band beginnt mit einer eingehenden Schilderung der euro¬
päischen Constellationen vom Utrechter Frieden bis zum Beginne des sieben¬
jährigen Krieges, die Veränderungen, welche namentlich die französische und
englische Politik während dieses Zwischenraums erlitt, werden besonders aus-
führlich behandelt. Mit großer Meisterschaft schildert Schäfer die doppel¬
züngige Politik Georg's II., die sich freilich aus seiner Doppelstellung als
Souverän von England und deutscher Reichsfürst, bei der eifersüchtigen
Überwachung seitens des englischen Volkes, mit einer gewissen Nothwendig,
keit ergeben mußte. Der Geschichte der verschiedenen englischen Ministerien
wird in diesem Buch der Einleitung ein so bedeutender Raum gewidmet,
daß man förmlich einen Abriß der englischen Politik erhält. Die geheimen
Verhandlungen zwischen Frankreich und Oestreich konnte Schäfer vor drei
Jahren noch nicht vollständig enthüllen wegen der mangelnden Bereitwillig¬
keit der östreichischen und französischen Archivvorstände: der so oft erwähnte
eigenhändige Brief Maria Theresia's an Madame Pompadour gehört natür¬
lich in das Gebiet der Mythe — indeß Kaunitz that es in ihrem Namen
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