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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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zu sein, wenn sie sich in der Hauptsache blos in negativer Richtung zu be¬
wegen vermag. Eine Frage von so umfassender Bedeutung wie die der Re¬
organisation der inneren Verwaltung läßt sich nicht nebenher, nicht gele¬
gentlich lösen. Jene Negative liegt im Ausschluß derjenigen Modalitäten
zur Bildung der Landarmenverbände, die nach der Lage der Dinge außer
Frage bleiben müssen. Wir meinen die Erhebung der Regierungs- oder
ständischen Kreise zu Landarmenverbänden. Der negativen Entscheidung in¬
zwischen wird eine positive sich wahrscheinlich zugesellen. Ueberzeugt sich der
Gesetzgeber, daß Amtsbezirken von der Beschaffenheit des Meißner die Func-
tionen des Landarmenverbands übertragen werden können, so erklärt er damit,
auch die Aemterversassung neben der zu erwartenden Kreisverfassung beibe¬
halten zu wollen, er spricht seine Absichten über die Form der künftigen
Verwaltungsbezirke aus, während er die interessirende Frage nach ihrer Ver¬
fassung vorerst unbeantwortet läßt. Vielleicht dürfen wir uns Glück wün¬
schen, die Frage der Verwaltungsreorganisation durch einen solchen Fall
von unmittelbarster Nothwendigkeit auf die Tagesordnung kommen zu sehen.
Ihre endliche Lösung kann in Folge dieser Wendung nur gewinnen.


Theodor Landgraff.


Kriegsbericht.
Die Stellung der Heere und die deutsche Verfassung.

Als man im Hauptquartier erkannte, daß die Belagerung von Paris
langwierig werden könnte, erwuchs die Nothwendigkeit, den Neubildungen
französischer Heere bei Zeiten entgegenzutreten. Die Formationen hinter der
Loire in weitem Terrain, unter den Augen der neuen Regierung, wuchsen
am schnellsten, kleiner wurde der Aushebungsbezirk und der Eiser im
Norden, für den Süden Frankreichs war Lyon und die Hügellandschaft Süd¬
lothringens Heerd einer Ansammlung unregelmäßiger Truppen, welche durch
die Besatzungsbataillone der dortigen Festungen einigen Halt erhielten und
die Verbindungen zwischen der Pariser Belagerungsarmee und der Heimath
bedrohten. Die Uebergabe von Metz machte größere Truppenmassen des
deutschen Heeres disponibel. Während zwei Infanteriedivisionen und das
Corps Werber die Besetzung des südlichen Elsaß, den Einschluß von Belfort
und die Sicherung der Eisenbahnlinie durch Vormarsch gegen Süden aus¬
zuführen hatten -- mühevoll für die Truppen, sorgenvoll für die Feldherrn --
zog General Manteuffel gegen die französische Nordarmee und drückte nach


zu sein, wenn sie sich in der Hauptsache blos in negativer Richtung zu be¬
wegen vermag. Eine Frage von so umfassender Bedeutung wie die der Re¬
organisation der inneren Verwaltung läßt sich nicht nebenher, nicht gele¬
gentlich lösen. Jene Negative liegt im Ausschluß derjenigen Modalitäten
zur Bildung der Landarmenverbände, die nach der Lage der Dinge außer
Frage bleiben müssen. Wir meinen die Erhebung der Regierungs- oder
ständischen Kreise zu Landarmenverbänden. Der negativen Entscheidung in¬
zwischen wird eine positive sich wahrscheinlich zugesellen. Ueberzeugt sich der
Gesetzgeber, daß Amtsbezirken von der Beschaffenheit des Meißner die Func-
tionen des Landarmenverbands übertragen werden können, so erklärt er damit,
auch die Aemterversassung neben der zu erwartenden Kreisverfassung beibe¬
halten zu wollen, er spricht seine Absichten über die Form der künftigen
Verwaltungsbezirke aus, während er die interessirende Frage nach ihrer Ver¬
fassung vorerst unbeantwortet läßt. Vielleicht dürfen wir uns Glück wün¬
schen, die Frage der Verwaltungsreorganisation durch einen solchen Fall
von unmittelbarster Nothwendigkeit auf die Tagesordnung kommen zu sehen.
Ihre endliche Lösung kann in Folge dieser Wendung nur gewinnen.


Theodor Landgraff.


Kriegsbericht.
Die Stellung der Heere und die deutsche Verfassung.

Als man im Hauptquartier erkannte, daß die Belagerung von Paris
langwierig werden könnte, erwuchs die Nothwendigkeit, den Neubildungen
französischer Heere bei Zeiten entgegenzutreten. Die Formationen hinter der
Loire in weitem Terrain, unter den Augen der neuen Regierung, wuchsen
am schnellsten, kleiner wurde der Aushebungsbezirk und der Eiser im
Norden, für den Süden Frankreichs war Lyon und die Hügellandschaft Süd¬
lothringens Heerd einer Ansammlung unregelmäßiger Truppen, welche durch
die Besatzungsbataillone der dortigen Festungen einigen Halt erhielten und
die Verbindungen zwischen der Pariser Belagerungsarmee und der Heimath
bedrohten. Die Uebergabe von Metz machte größere Truppenmassen des
deutschen Heeres disponibel. Während zwei Infanteriedivisionen und das
Corps Werber die Besetzung des südlichen Elsaß, den Einschluß von Belfort
und die Sicherung der Eisenbahnlinie durch Vormarsch gegen Süden aus¬
zuführen hatten — mühevoll für die Truppen, sorgenvoll für die Feldherrn —
zog General Manteuffel gegen die französische Nordarmee und drückte nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/400>, abgerufen am 22.12.2024.