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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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An der alten Gaugrafschaft Eberstein partieipirten seit geraumer Zeit
(1387) in Folge von Erbschaft und kaufweiser Abtretung, das markgräflich
baden-badische Haus, seit 1624 aber auch in Folge eines reichskammergericht-
lichen Urtheils und darauf geschlossenen Vergleichs die Grafen von Krons¬
feld ut die Freiherren von Wolkenstein. Im Jahr 1678 und bezüglich 1698
kamen zwar diese beiden Theile an Baden, und nach dem Erlöschen des
Mannsstammes im Eberstein'schen Grafenhause (1660) war auch das Eber-
stein'sche Territorium schon der Markgrafschaft zugefallen. Aber in eben die-
sem Jahre wurde die Hälfte der Stadt Gernsbach, welche die Grafen von
Eberstein zu Lehn von Speyer besessen hatten, Hochstift-Speyrisch. Speyer
blieb in der Mitherrschaft bis 1803. 1771 starb die baden-badische Linie
aus und succedirte die baden-durlachische. Seit 1378 bis 1803 herrschten
also über die Grafschaft Eberstein, das eigentliche Dominik der Schifferschaft,
stets mindestens zwei Gemeinsherren, und selten ruheten zwischen diesen die
Territorialstreitigkeiten. Aber: "HiM<MiÄ äelirg-ut reZss xleetuntur ^.elnvi!"
Unsere "Achiver" hatten fort und fort unter den MißHelligkeiten zu leiden,
die sich, natürlich mit verstärkter Macht, von den Herren auf die Diener,
die anmaßenden und mit starkem Autoritäts- und Würdegefühl begabten
Vögte, fortpflanzten. Am schlimmsten war es während der Zeit der Speyri-
schen Mitherrschaft. Speyer hatte nur die Hälfte der Stadt Gernsbach. aber
in schifferschaftlichen Angelegenheiten prätendtrte es mindestens den Halbschied
der Hoheitsrechte. Aus kleinen Plänkeleien, die gleich im Jahr 1660 be¬
gannen, und sich dann 80 Jahre hindurch fortsetzten (die Schiffer klagen ein¬
mal, sie seien wie verrathen und verkauft; der badische Vogt habe ihnen
wegen irgend eines geringfügigen Versehens 100 Goldgulden Strafe auf¬
erlegt und drohe mit Execution; aber der speyrische Vogt drohe mit 100
Goldgulden Strafe, wenn sie den badischen Strafbefehl befolgten) entstand
endlich einer jener Monstreprocesse, wie ihrer das vorige Jahrhundert so
viele kennt. Wir haben keinen Begriff mehr von dieser Sorte von Papier-
und Tintenverschwendung. Beim Reichshofrath wurde von beiden Theilen gut
"geschmiert". Aber Speyer? muß es besser verstanden haben, als Baden;
denn die speyrische Mandatsklage fiel, nachdem die badischen Dxeextiones
sud- et owextionis verworfen worden, zu Ungunsten Badens aus. Dasselbe
appellirte gegen die erfolgte ?g.ritoria xlsng, -- und darauf erfolgte kein Be¬
scheid; es kam allmälig das neue Jahrhundert herbei; der Reichs-Deputa-
tions-Hauptschluß beraubte Speyer seiner Mitherrschaft und -- die Berge
von Prozeßacten, welche dieser Rechtsstreit aufgestapelt, werden ja nunmehr
in irgend einem Gewölbe brav verschimmeln.

Seit 1803 waltet im Ganzen wenigstens zwischen der Herrschaft und
der Schifferschast Frieden. Aber auch innerhalb der letzteren ist mancher An-
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An der alten Gaugrafschaft Eberstein partieipirten seit geraumer Zeit
(1387) in Folge von Erbschaft und kaufweiser Abtretung, das markgräflich
baden-badische Haus, seit 1624 aber auch in Folge eines reichskammergericht-
lichen Urtheils und darauf geschlossenen Vergleichs die Grafen von Krons¬
feld ut die Freiherren von Wolkenstein. Im Jahr 1678 und bezüglich 1698
kamen zwar diese beiden Theile an Baden, und nach dem Erlöschen des
Mannsstammes im Eberstein'schen Grafenhause (1660) war auch das Eber-
stein'sche Territorium schon der Markgrafschaft zugefallen. Aber in eben die-
sem Jahre wurde die Hälfte der Stadt Gernsbach, welche die Grafen von
Eberstein zu Lehn von Speyer besessen hatten, Hochstift-Speyrisch. Speyer
blieb in der Mitherrschaft bis 1803. 1771 starb die baden-badische Linie
aus und succedirte die baden-durlachische. Seit 1378 bis 1803 herrschten
also über die Grafschaft Eberstein, das eigentliche Dominik der Schifferschaft,
stets mindestens zwei Gemeinsherren, und selten ruheten zwischen diesen die
Territorialstreitigkeiten. Aber: „HiM<MiÄ äelirg-ut reZss xleetuntur ^.elnvi!"
Unsere „Achiver" hatten fort und fort unter den MißHelligkeiten zu leiden,
die sich, natürlich mit verstärkter Macht, von den Herren auf die Diener,
die anmaßenden und mit starkem Autoritäts- und Würdegefühl begabten
Vögte, fortpflanzten. Am schlimmsten war es während der Zeit der Speyri-
schen Mitherrschaft. Speyer hatte nur die Hälfte der Stadt Gernsbach. aber
in schifferschaftlichen Angelegenheiten prätendtrte es mindestens den Halbschied
der Hoheitsrechte. Aus kleinen Plänkeleien, die gleich im Jahr 1660 be¬
gannen, und sich dann 80 Jahre hindurch fortsetzten (die Schiffer klagen ein¬
mal, sie seien wie verrathen und verkauft; der badische Vogt habe ihnen
wegen irgend eines geringfügigen Versehens 100 Goldgulden Strafe auf¬
erlegt und drohe mit Execution; aber der speyrische Vogt drohe mit 100
Goldgulden Strafe, wenn sie den badischen Strafbefehl befolgten) entstand
endlich einer jener Monstreprocesse, wie ihrer das vorige Jahrhundert so
viele kennt. Wir haben keinen Begriff mehr von dieser Sorte von Papier-
und Tintenverschwendung. Beim Reichshofrath wurde von beiden Theilen gut
„geschmiert". Aber Speyer? muß es besser verstanden haben, als Baden;
denn die speyrische Mandatsklage fiel, nachdem die badischen Dxeextiones
sud- et owextionis verworfen worden, zu Ungunsten Badens aus. Dasselbe
appellirte gegen die erfolgte ?g.ritoria xlsng, — und darauf erfolgte kein Be¬
scheid; es kam allmälig das neue Jahrhundert herbei; der Reichs-Deputa-
tions-Hauptschluß beraubte Speyer seiner Mitherrschaft und — die Berge
von Prozeßacten, welche dieser Rechtsstreit aufgestapelt, werden ja nunmehr
in irgend einem Gewölbe brav verschimmeln.

Seit 1803 waltet im Ganzen wenigstens zwischen der Herrschaft und
der Schifferschast Frieden. Aber auch innerhalb der letzteren ist mancher An-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/387>, abgerufen am 23.12.2024.