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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Man erfährt auf diesem Wege Etwas über die Parteien, welche bei den
Strike's, von denen ich eben erzählte, betheiligt waren*).

Das Murgthal im unteren (nördlichen) Schwarzwald, welches vielen
der wanderlustigen Leser der "Grenzboten", wenigstens in seinem vorderen
Theile aus der Vogelperspektive bekannt sein wird -- denn das von Baden-
Baden so leicht erreichbare, einzig schön gelegene Schloß Eberstein gewährt
einen trefflichen derartigen Einblick -- ist seit alter Zeit der Sitz einer ausge¬
dehnten Waldwirthschaft, Holzsägerei und Flößerei. Die Niederländer wissen
schon seit Jahrhunderten das Murgholz, welches ihnen aus dem Rhein zuge¬
führt ward, zu schätzen; von je galten die im Murggebiet gefällten "Hollän¬
der Tannen" als unübertroffenes Material zum Schiffbau und besonders zu
Masten. Die Flößerei ist ein Gewerbe, welches am besten gesellschaftsweise
betrieben wird. Im ganzen Schwarzwald finden sich noch heute Flößerei-
Gesellschaften, die ihren Ursprung auf frühe Zeit zurückzuführen wissen. Ja,
manche Urkunden, z. B. Gedenk- und Votivsteine aus römischer Zeit, in denen
ein eonwlxzi-vlna ng,utarum als Stifter erscheint, lassen annehmen, daß schon
die Römer während ihrer langdauernden Herrschaft auf diesem Gebiet, den
dekumatischen Gefilden, Wasser-, und Waldreichthum durch gesellschaftsweisen
Betrieb der Flößeret zu verwerthen wußten.

Aber die meisten der Flößerei-Genossenschaften, welche entweder, wenn
auch in moderner Verfassung, noch heute bestehen, oder von deren, früherem
Bestehen man genaue Kunde hat, waren eben nur Flößerei-Genossenschaften,
welche entweder für eigne oder für fremde Rechnung fremdes, von Waldbe¬
sitzern verkauftes oder geliefertes Holz, nach dem Rhein und rhetnab ver-
flößten; meist waren sie Eigenthümer der Flößanstalten, meist im Besitz von
Floßprivilegten, oft des Holzhandels-Monopoles. Lediglich beschäftigt mit
einem handwerksähnlichen Gewerbe, konnten sie, ja mußten sie zur Zeit
des Aufkommens der Zünfte die Zunftverfassungen annehmen, in der sie,
wenn überhaupt ihre Existenz bewahrt blieb, bis zur Einführung der Ge-
werbefreiheit verharrten.

Diejenige Flößerei-Genossenschasr, von der ich hier zu berichten habe --
die Murgschifferschaft -- ist schwerlich jemals eine Zunft oder Gilde gewesen;
jedenfalls wurde sie bet der Einführung der Gewerbefreiheit i. I. 1862 nicht
als solche behandelt, und während den anderen ähnlichen Gesellschaften bet
dieser Gelegenheit ihre Privilegien genommen oder beschränkt wurden, wur¬
den der Mungschifferschaft die ihrigen i. I. 1W4 sogar als wohlerworbene



') Näheres über dieses merkwürdige Institut in A> Emminqhans "die MuraWfferschaft in
Grafschaft Eberstein im unteren Schwarzwalde. Eine wirthschaftsaeschichtliche Studie."
i. Fricdr. Maule. 18^0.

Man erfährt auf diesem Wege Etwas über die Parteien, welche bei den
Strike's, von denen ich eben erzählte, betheiligt waren*).

Das Murgthal im unteren (nördlichen) Schwarzwald, welches vielen
der wanderlustigen Leser der „Grenzboten", wenigstens in seinem vorderen
Theile aus der Vogelperspektive bekannt sein wird — denn das von Baden-
Baden so leicht erreichbare, einzig schön gelegene Schloß Eberstein gewährt
einen trefflichen derartigen Einblick — ist seit alter Zeit der Sitz einer ausge¬
dehnten Waldwirthschaft, Holzsägerei und Flößerei. Die Niederländer wissen
schon seit Jahrhunderten das Murgholz, welches ihnen aus dem Rhein zuge¬
führt ward, zu schätzen; von je galten die im Murggebiet gefällten „Hollän¬
der Tannen" als unübertroffenes Material zum Schiffbau und besonders zu
Masten. Die Flößerei ist ein Gewerbe, welches am besten gesellschaftsweise
betrieben wird. Im ganzen Schwarzwald finden sich noch heute Flößerei-
Gesellschaften, die ihren Ursprung auf frühe Zeit zurückzuführen wissen. Ja,
manche Urkunden, z. B. Gedenk- und Votivsteine aus römischer Zeit, in denen
ein eonwlxzi-vlna ng,utarum als Stifter erscheint, lassen annehmen, daß schon
die Römer während ihrer langdauernden Herrschaft auf diesem Gebiet, den
dekumatischen Gefilden, Wasser-, und Waldreichthum durch gesellschaftsweisen
Betrieb der Flößeret zu verwerthen wußten.

Aber die meisten der Flößerei-Genossenschaften, welche entweder, wenn
auch in moderner Verfassung, noch heute bestehen, oder von deren, früherem
Bestehen man genaue Kunde hat, waren eben nur Flößerei-Genossenschaften,
welche entweder für eigne oder für fremde Rechnung fremdes, von Waldbe¬
sitzern verkauftes oder geliefertes Holz, nach dem Rhein und rhetnab ver-
flößten; meist waren sie Eigenthümer der Flößanstalten, meist im Besitz von
Floßprivilegten, oft des Holzhandels-Monopoles. Lediglich beschäftigt mit
einem handwerksähnlichen Gewerbe, konnten sie, ja mußten sie zur Zeit
des Aufkommens der Zünfte die Zunftverfassungen annehmen, in der sie,
wenn überhaupt ihre Existenz bewahrt blieb, bis zur Einführung der Ge-
werbefreiheit verharrten.

Diejenige Flößerei-Genossenschasr, von der ich hier zu berichten habe —
die Murgschifferschaft — ist schwerlich jemals eine Zunft oder Gilde gewesen;
jedenfalls wurde sie bet der Einführung der Gewerbefreiheit i. I. 1862 nicht
als solche behandelt, und während den anderen ähnlichen Gesellschaften bet
dieser Gelegenheit ihre Privilegien genommen oder beschränkt wurden, wur¬
den der Mungschifferschaft die ihrigen i. I. 1W4 sogar als wohlerworbene



') Näheres über dieses merkwürdige Institut in A> Emminqhans „die MuraWfferschaft in
Grafschaft Eberstein im unteren Schwarzwalde. Eine wirthschaftsaeschichtliche Studie."
i. Fricdr. Maule. 18^0.
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[0381] Man erfährt auf diesem Wege Etwas über die Parteien, welche bei den Strike's, von denen ich eben erzählte, betheiligt waren*). Das Murgthal im unteren (nördlichen) Schwarzwald, welches vielen der wanderlustigen Leser der „Grenzboten", wenigstens in seinem vorderen Theile aus der Vogelperspektive bekannt sein wird — denn das von Baden- Baden so leicht erreichbare, einzig schön gelegene Schloß Eberstein gewährt einen trefflichen derartigen Einblick — ist seit alter Zeit der Sitz einer ausge¬ dehnten Waldwirthschaft, Holzsägerei und Flößerei. Die Niederländer wissen schon seit Jahrhunderten das Murgholz, welches ihnen aus dem Rhein zuge¬ führt ward, zu schätzen; von je galten die im Murggebiet gefällten „Hollän¬ der Tannen" als unübertroffenes Material zum Schiffbau und besonders zu Masten. Die Flößerei ist ein Gewerbe, welches am besten gesellschaftsweise betrieben wird. Im ganzen Schwarzwald finden sich noch heute Flößerei- Gesellschaften, die ihren Ursprung auf frühe Zeit zurückzuführen wissen. Ja, manche Urkunden, z. B. Gedenk- und Votivsteine aus römischer Zeit, in denen ein eonwlxzi-vlna ng,utarum als Stifter erscheint, lassen annehmen, daß schon die Römer während ihrer langdauernden Herrschaft auf diesem Gebiet, den dekumatischen Gefilden, Wasser-, und Waldreichthum durch gesellschaftsweisen Betrieb der Flößeret zu verwerthen wußten. Aber die meisten der Flößerei-Genossenschaften, welche entweder, wenn auch in moderner Verfassung, noch heute bestehen, oder von deren, früherem Bestehen man genaue Kunde hat, waren eben nur Flößerei-Genossenschaften, welche entweder für eigne oder für fremde Rechnung fremdes, von Waldbe¬ sitzern verkauftes oder geliefertes Holz, nach dem Rhein und rhetnab ver- flößten; meist waren sie Eigenthümer der Flößanstalten, meist im Besitz von Floßprivilegten, oft des Holzhandels-Monopoles. Lediglich beschäftigt mit einem handwerksähnlichen Gewerbe, konnten sie, ja mußten sie zur Zeit des Aufkommens der Zünfte die Zunftverfassungen annehmen, in der sie, wenn überhaupt ihre Existenz bewahrt blieb, bis zur Einführung der Ge- werbefreiheit verharrten. Diejenige Flößerei-Genossenschasr, von der ich hier zu berichten habe — die Murgschifferschaft — ist schwerlich jemals eine Zunft oder Gilde gewesen; jedenfalls wurde sie bet der Einführung der Gewerbefreiheit i. I. 1862 nicht als solche behandelt, und während den anderen ähnlichen Gesellschaften bet dieser Gelegenheit ihre Privilegien genommen oder beschränkt wurden, wur¬ den der Mungschifferschaft die ihrigen i. I. 1W4 sogar als wohlerworbene ') Näheres über dieses merkwürdige Institut in A> Emminqhans „die MuraWfferschaft in Grafschaft Eberstein im unteren Schwarzwalde. Eine wirthschaftsaeschichtliche Studie." i. Fricdr. Maule. 18^0.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/381>, abgerufen am 23.12.2024.