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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Nun wenden sich abe? auch die Strikers, "die Stierleuth vnnd gemeine
knecht zun Steinmauren" mit einer Eingabe an die gnädigste Herrschaft, und
stellen vor, es sei in diesen schweren Zeiten unmöglich, bei den in der Schiffer¬
ordnung festgesetzten Löhnen zu bestehen.

Leider fehlen die Nachrichten über den Ausgang dieses Strikes. Aber
die nämliche Beschwerde der "Schifferschaft" taucht später öfter wieder auf.
z. B. im Jahr 1623. Hier wird sie begründet mit dem Hinweis auf die
Steigerung der Preise aller Lebensmittel, ferner derjenigen Hölzer, welche die
"Schifferschaft" erkaufen müsse, und auf die gedrückten Preise, welche für die
Sägewaaren gezahlt werden. Unter solchen Umständen könne den auch jetzt
wieder im Strike befindlichen Knechten unmöglich gewillfahret werden. Zwar
ist uns auch der Erfolg dieser Beschwerde nicht bekannt. Doch sehen wir,
daß in einer im Jahr 1626 errichteten neuen "Schifferordnung" die Lohn¬
tarife in der That gegen früher erhöht erscheinen. Aber den Knechten war
auch mit dieser Erhöhung nicht Genüge gethan. Denn im Jahr 1627 finden
wir sie wiederum mitten im Strike. Und dieser letztere scheint vollständig
organisirt gewesen zu sein; die Knechte scheinen sich gegenseitig das Wort
gegeben zu haben, zu den Löhnen der neuen "Schifferordnung" nicht mehr
zu arbeiten. Denn die Schiffer (die Arbeitgeber) bitten in einer Eingabe
vom 26. Juli 1627, unter Hinweisung auf die Neichspolizeigesetze, den Mark¬
grafen, die Knechte mit Gewalt zur Ruhe bringen zu lassen, und Vorsorge
zu treffen, daß sie nicht ferner "schädliche Meta." unter sich schließen.

Ob der Markgraf die Bitten der Schiffer erhört, ob er durch seine
Amtleute die Striker bestraft oder beschwichtigt, ob er die Schiffer zur Nach¬
giebigkeit vermocht hat? Ich habe es nicht ermitteln können. Aber von jetzt
ab haben -- soviel ersieht man aus den Quellen -- die Lohnstreitigkeiten
zwischen Schiffern und Knechten kein Ende mehr. Und, wenn man vor eini¬
gen Monaten in den Zeitungen las, daß einige Hundert Holzhauer und
Flößer aus dem Murg- und Kinzigthale nach Siebenbürgen -- wenn ich
nicht irre -- ausgewandert seien, weil dortige Waldbesitzer ihnen enorme
Hauer- und Flößer-Löhne in Aussicht gestellt haben, so darf man wohl an¬
nehmen, daß dieser Entschluß ähnlichen Vorgängen entsprungen ist, wie ich
sie so eben aus alter Zeit flüchtig erzählt habe. Ja es ist nicht unmöglich,
daß unter den Auswanderern sich solche befunden haben, die bis dahin im
Sold des "Holtzgewerbs Im murgenthal" gestanden hatten. Denn in der
That existirt jenes Institut, Namens dessen "Haupischiffher vnnd geschwoh-
rene" sich im Jahre 1S66 beschwerend an den Markgrafen von Baden-Baden
wendeten, noch heutzutage.

Dieses in vielen Beziehungen äußerst interessante Institut und seine
Geschichte vergönne man mir, mit einigen flüchtigen Strichen zu schildern.


Nun wenden sich abe? auch die Strikers, „die Stierleuth vnnd gemeine
knecht zun Steinmauren" mit einer Eingabe an die gnädigste Herrschaft, und
stellen vor, es sei in diesen schweren Zeiten unmöglich, bei den in der Schiffer¬
ordnung festgesetzten Löhnen zu bestehen.

Leider fehlen die Nachrichten über den Ausgang dieses Strikes. Aber
die nämliche Beschwerde der „Schifferschaft" taucht später öfter wieder auf.
z. B. im Jahr 1623. Hier wird sie begründet mit dem Hinweis auf die
Steigerung der Preise aller Lebensmittel, ferner derjenigen Hölzer, welche die
„Schifferschaft" erkaufen müsse, und auf die gedrückten Preise, welche für die
Sägewaaren gezahlt werden. Unter solchen Umständen könne den auch jetzt
wieder im Strike befindlichen Knechten unmöglich gewillfahret werden. Zwar
ist uns auch der Erfolg dieser Beschwerde nicht bekannt. Doch sehen wir,
daß in einer im Jahr 1626 errichteten neuen „Schifferordnung" die Lohn¬
tarife in der That gegen früher erhöht erscheinen. Aber den Knechten war
auch mit dieser Erhöhung nicht Genüge gethan. Denn im Jahr 1627 finden
wir sie wiederum mitten im Strike. Und dieser letztere scheint vollständig
organisirt gewesen zu sein; die Knechte scheinen sich gegenseitig das Wort
gegeben zu haben, zu den Löhnen der neuen „Schifferordnung" nicht mehr
zu arbeiten. Denn die Schiffer (die Arbeitgeber) bitten in einer Eingabe
vom 26. Juli 1627, unter Hinweisung auf die Neichspolizeigesetze, den Mark¬
grafen, die Knechte mit Gewalt zur Ruhe bringen zu lassen, und Vorsorge
zu treffen, daß sie nicht ferner „schädliche Meta." unter sich schließen.

Ob der Markgraf die Bitten der Schiffer erhört, ob er durch seine
Amtleute die Striker bestraft oder beschwichtigt, ob er die Schiffer zur Nach¬
giebigkeit vermocht hat? Ich habe es nicht ermitteln können. Aber von jetzt
ab haben — soviel ersieht man aus den Quellen — die Lohnstreitigkeiten
zwischen Schiffern und Knechten kein Ende mehr. Und, wenn man vor eini¬
gen Monaten in den Zeitungen las, daß einige Hundert Holzhauer und
Flößer aus dem Murg- und Kinzigthale nach Siebenbürgen — wenn ich
nicht irre — ausgewandert seien, weil dortige Waldbesitzer ihnen enorme
Hauer- und Flößer-Löhne in Aussicht gestellt haben, so darf man wohl an¬
nehmen, daß dieser Entschluß ähnlichen Vorgängen entsprungen ist, wie ich
sie so eben aus alter Zeit flüchtig erzählt habe. Ja es ist nicht unmöglich,
daß unter den Auswanderern sich solche befunden haben, die bis dahin im
Sold des „Holtzgewerbs Im murgenthal" gestanden hatten. Denn in der
That existirt jenes Institut, Namens dessen „Haupischiffher vnnd geschwoh-
rene" sich im Jahre 1S66 beschwerend an den Markgrafen von Baden-Baden
wendeten, noch heutzutage.

Dieses in vielen Beziehungen äußerst interessante Institut und seine
Geschichte vergönne man mir, mit einigen flüchtigen Strichen zu schildern.


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[0380] Nun wenden sich abe? auch die Strikers, „die Stierleuth vnnd gemeine knecht zun Steinmauren" mit einer Eingabe an die gnädigste Herrschaft, und stellen vor, es sei in diesen schweren Zeiten unmöglich, bei den in der Schiffer¬ ordnung festgesetzten Löhnen zu bestehen. Leider fehlen die Nachrichten über den Ausgang dieses Strikes. Aber die nämliche Beschwerde der „Schifferschaft" taucht später öfter wieder auf. z. B. im Jahr 1623. Hier wird sie begründet mit dem Hinweis auf die Steigerung der Preise aller Lebensmittel, ferner derjenigen Hölzer, welche die „Schifferschaft" erkaufen müsse, und auf die gedrückten Preise, welche für die Sägewaaren gezahlt werden. Unter solchen Umständen könne den auch jetzt wieder im Strike befindlichen Knechten unmöglich gewillfahret werden. Zwar ist uns auch der Erfolg dieser Beschwerde nicht bekannt. Doch sehen wir, daß in einer im Jahr 1626 errichteten neuen „Schifferordnung" die Lohn¬ tarife in der That gegen früher erhöht erscheinen. Aber den Knechten war auch mit dieser Erhöhung nicht Genüge gethan. Denn im Jahr 1627 finden wir sie wiederum mitten im Strike. Und dieser letztere scheint vollständig organisirt gewesen zu sein; die Knechte scheinen sich gegenseitig das Wort gegeben zu haben, zu den Löhnen der neuen „Schifferordnung" nicht mehr zu arbeiten. Denn die Schiffer (die Arbeitgeber) bitten in einer Eingabe vom 26. Juli 1627, unter Hinweisung auf die Neichspolizeigesetze, den Mark¬ grafen, die Knechte mit Gewalt zur Ruhe bringen zu lassen, und Vorsorge zu treffen, daß sie nicht ferner „schädliche Meta." unter sich schließen. Ob der Markgraf die Bitten der Schiffer erhört, ob er durch seine Amtleute die Striker bestraft oder beschwichtigt, ob er die Schiffer zur Nach¬ giebigkeit vermocht hat? Ich habe es nicht ermitteln können. Aber von jetzt ab haben — soviel ersieht man aus den Quellen — die Lohnstreitigkeiten zwischen Schiffern und Knechten kein Ende mehr. Und, wenn man vor eini¬ gen Monaten in den Zeitungen las, daß einige Hundert Holzhauer und Flößer aus dem Murg- und Kinzigthale nach Siebenbürgen — wenn ich nicht irre — ausgewandert seien, weil dortige Waldbesitzer ihnen enorme Hauer- und Flößer-Löhne in Aussicht gestellt haben, so darf man wohl an¬ nehmen, daß dieser Entschluß ähnlichen Vorgängen entsprungen ist, wie ich sie so eben aus alter Zeit flüchtig erzählt habe. Ja es ist nicht unmöglich, daß unter den Auswanderern sich solche befunden haben, die bis dahin im Sold des „Holtzgewerbs Im murgenthal" gestanden hatten. Denn in der That existirt jenes Institut, Namens dessen „Haupischiffher vnnd geschwoh- rene" sich im Jahre 1S66 beschwerend an den Markgrafen von Baden-Baden wendeten, noch heutzutage. Dieses in vielen Beziehungen äußerst interessante Institut und seine Geschichte vergönne man mir, mit einigen flüchtigen Strichen zu schildern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/380>, abgerufen am 22.12.2024.