Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.sucht es sich an die Autorität der Regierung anzuklammern, welche mitten Nun ist dies gegenüber der aufgelösten Kammer allerdings ein Fortschritt; Es ist im Augenblick durchaus kein Grund vorhanden, an den redlichen sucht es sich an die Autorität der Regierung anzuklammern, welche mitten Nun ist dies gegenüber der aufgelösten Kammer allerdings ein Fortschritt; Es ist im Augenblick durchaus kein Grund vorhanden, an den redlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0364" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125070"/> <p xml:id="ID_1093" prev="#ID_1092"> sucht es sich an die Autorität der Regierung anzuklammern, welche mitten<lb/> inne steht. Es traut den Einen nicht mehr, den Andern noch nicht, und so<lb/> denkt es gleichmüthig. daß die Regierung es gut machen werde. Der Ueber-<lb/> druß an den demokratischen Uebertreibungen einerseits und die lang genährte<lb/> Abneigung gegen die „Preußen" andrerseits, treibt das Volk in die Arme<lb/> der Regierungscandidaten; wir werden zur Abwechslung eine vorherrschend<lb/> gouvernementale Kammer erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1094"> Nun ist dies gegenüber der aufgelösten Kammer allerdings ein Fortschritt;<lb/> der schlimmste Particularismus, das radicale Philisterium, wird seine Herr¬<lb/> schaft verlieren. Auch sind unter den zahlreichen Regierungsbeamten, deren<lb/> Candidatur durch die Luft schwirrt, manche sehr schätzenswerthe Kräfte und<lb/> aufrichtig national gesinnte Männer. Daß so die künftige Kammer mit der<lb/> nöthigen Zweidrittelsmehrheit den Anschluß an den Bund genehmigen werde,<lb/> ist kaum zu bezweifeln. Eine Gefahr liegt nur darin, daß die Regierung auf<lb/> alle Fälle an dieser Kammer eine Stütze finden wird, auch wenn sie ihr ein<lb/> anderes politisches Programm vorlegen würde. Eine nationale Mehrheit<lb/> wäre für sie ein moralischer Drücker, und diesen sucht sich die Regierung<lb/> offenbar fernzuhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1095" next="#ID_1096"> Es ist im Augenblick durchaus kein Grund vorhanden, an den redlichen<lb/> Absichten der würtembergischen Regierung und speciell ihrer beiden Unter¬<lb/> händler im Hauptquartier zu Versailles zu zweifeln. Alles läßt hoffen, daß<lb/> der Anschluß an den Bund zu Stande kommt. Aber es ist doch nicht zu<lb/> verkennen, daß die wahrscheinlich gewordene Weigerung Bayern's, dem Bund<lb/> beizutreten, unerwartete Schwierigkeiten auch für Würtemberg noch im Schooße<lb/> trägt. Thatsächlich ist in den letzten Jahren die würtenbergische Politik<lb/> immer durch die bayrische mitbestimmt worden, und als im Juli der König<lb/> Ludwig sich wider den Rath seiner Oheime und wider das Drängen der<lb/> Patriotenpartei für das Festhalten am Allianzvertrag entschied, war die Sache<lb/> auch für Würtemberg entschieden. An demselben Tag, als die Kunde davon<lb/> aus München kam. gab die würtenbergische Kammermehrheit ihren Wider¬<lb/> spruch auf. Und so wäre denn auch bei uns der Eintritt in den Bund ganz<lb/> glatt abgelaufen, wenn in Versailles zugleich Bayerns Anschluß erzielt wor¬<lb/> den wäre. In diesem Falle hätte man sogar vielleicht aus die Zustimmung<lb/> der antinationalen Parteien rechnen können, gerade so wie sie einstimmig die<lb/> Mittel für den Krieg votirten und kürzlich abermals weitere Mittel für denselben<lb/> verwilligten. Ohne Zweifel hätten sie sich dann begnügt, wieder mit einer<lb/> ihrer beliebten motivirten Abstimmungen ihr particularistisches Gewissen zu<lb/> salviren. Allein der Abfall Bayerns ermuthigt auch die Gegner in Würtem¬<lb/> berg und verleiht ihnen die Möglichkeit, wieder eine eigentlich oppositionelle<lb/> Stellung einzunehmen; sie gewinnen damit eine wirkliche Basis auf der sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0364]
sucht es sich an die Autorität der Regierung anzuklammern, welche mitten
inne steht. Es traut den Einen nicht mehr, den Andern noch nicht, und so
denkt es gleichmüthig. daß die Regierung es gut machen werde. Der Ueber-
druß an den demokratischen Uebertreibungen einerseits und die lang genährte
Abneigung gegen die „Preußen" andrerseits, treibt das Volk in die Arme
der Regierungscandidaten; wir werden zur Abwechslung eine vorherrschend
gouvernementale Kammer erhalten.
Nun ist dies gegenüber der aufgelösten Kammer allerdings ein Fortschritt;
der schlimmste Particularismus, das radicale Philisterium, wird seine Herr¬
schaft verlieren. Auch sind unter den zahlreichen Regierungsbeamten, deren
Candidatur durch die Luft schwirrt, manche sehr schätzenswerthe Kräfte und
aufrichtig national gesinnte Männer. Daß so die künftige Kammer mit der
nöthigen Zweidrittelsmehrheit den Anschluß an den Bund genehmigen werde,
ist kaum zu bezweifeln. Eine Gefahr liegt nur darin, daß die Regierung auf
alle Fälle an dieser Kammer eine Stütze finden wird, auch wenn sie ihr ein
anderes politisches Programm vorlegen würde. Eine nationale Mehrheit
wäre für sie ein moralischer Drücker, und diesen sucht sich die Regierung
offenbar fernzuhalten.
Es ist im Augenblick durchaus kein Grund vorhanden, an den redlichen
Absichten der würtembergischen Regierung und speciell ihrer beiden Unter¬
händler im Hauptquartier zu Versailles zu zweifeln. Alles läßt hoffen, daß
der Anschluß an den Bund zu Stande kommt. Aber es ist doch nicht zu
verkennen, daß die wahrscheinlich gewordene Weigerung Bayern's, dem Bund
beizutreten, unerwartete Schwierigkeiten auch für Würtemberg noch im Schooße
trägt. Thatsächlich ist in den letzten Jahren die würtenbergische Politik
immer durch die bayrische mitbestimmt worden, und als im Juli der König
Ludwig sich wider den Rath seiner Oheime und wider das Drängen der
Patriotenpartei für das Festhalten am Allianzvertrag entschied, war die Sache
auch für Würtemberg entschieden. An demselben Tag, als die Kunde davon
aus München kam. gab die würtenbergische Kammermehrheit ihren Wider¬
spruch auf. Und so wäre denn auch bei uns der Eintritt in den Bund ganz
glatt abgelaufen, wenn in Versailles zugleich Bayerns Anschluß erzielt wor¬
den wäre. In diesem Falle hätte man sogar vielleicht aus die Zustimmung
der antinationalen Parteien rechnen können, gerade so wie sie einstimmig die
Mittel für den Krieg votirten und kürzlich abermals weitere Mittel für denselben
verwilligten. Ohne Zweifel hätten sie sich dann begnügt, wieder mit einer
ihrer beliebten motivirten Abstimmungen ihr particularistisches Gewissen zu
salviren. Allein der Abfall Bayerns ermuthigt auch die Gegner in Würtem¬
berg und verleiht ihnen die Möglichkeit, wieder eine eigentlich oppositionelle
Stellung einzunehmen; sie gewinnen damit eine wirkliche Basis auf der sie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |