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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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sagen, er hätte es gewünscht, daß ich sie sehen sollte, und so hoffe ich gewiß,
daß Sie mir diese Freude machen werden. Ich hatte ihn immer als einen
der talentvollsten Musiker in Ihrer Stadt nennen hören, und wenn in sol¬
cher öden, schlimmen Musikzeit dann noch die Besseren fortgenommen wer¬
den, so ist es für jeden Musiker doppelt traurig. -- Vielen Dank für das
viele Interessante was Sie mir über die Leipziger Musik erzählen; es scheint
recht lebendig und regsam bei Ihnen herzugehen, aber das wundert mich,
was Sie von meiner K moi Ouvertüre schreiben, daß sie am Ende schneller
genommen wird, als im Anfang. Ist das vielleicht von da an, wo das
",rima,to steht? So werde ich wahrhaftig Seb. Bachs Meinung, der gar
nichts über die Musikstücke schreibt, weder piano noch loro, denn ich dachte
ein M sei'Leto müßte sich da gar nicht hübsch machen, u. wollte eben nur
das inwendige Vorwärtsgehen bezeichnen, das ich eben nicht anders als ani-
niato zu nennen wußte. Aber haben Sie das 2 häutige Arrangement dieser
Ouvertüre gesehen, das ich vorgestern zu meinem größtem Schrecken hier an¬
traf? Wenn ich das Stück auf diese Art spielen hörte, und nicht selbst der
Componist davon wäre, so wollte ich auf ihn schimpfen wie ein Rohrsperling;
auf der letzten Seite ist ein Baß, der ist so lahm und langweilig, wie der
ächteste Murki. Ach ü. propos können Sie mir denn nicht irgend ein recht
schönes, neues Musikstück für Clavier mit oder ohne Begleitung nennen?
Sie sind ja dort an der Quelle. Ich habe zuletzt ein neues Heft Lieder von
Loewe (der Bergmann), eine Phantasie auf Robert 1ö äiadls von Chopin,
Lieder von Hiller gesehn, -- aber das hat mir alles gar nicht gefallen.
Nun ich hoffe bald die Sachen von Schurke zu erhalten, u. habe eine wahre
Sehnsucht nach einem recht guten neuen Musikstück, das ich kennen lernte.
Von den Beethoven'schen Sonaten mit Violine ist eigentlich mein Liebling
die aus e mol, die kommt mir weit über allen andern stehend vor.
Da ist ein Schwung am Schluß des ersten Stückes, wie ich sonst
kaum ^von ihm kenne (außer etwa den Schluß des ersten Stücks der 9ten
Symphonie moi^ der freilich an Schwung alles übrige in der Welt über¬
trifft) und dann gefällt mir das Thema des letzten Stücks auch nicht wenig,
namentlich wenn's zuletzt, kurz vor dem ?rvLw eintritt. Spielen Sie nicht
auch zuweilen die Sonaten mit Violinbegleitung von Ihrem ehemaligen
Cantor Bach? da ist die aus saur und eine aus g. aur, und aus tuot,
die können sich auch sehen lassen. Ich wollte, Sie hätten den Anfang von
der aus <z aur von meinem Freunde Ritz") spielen hören können; das war
noble Musik; aber der ist nun auch schon lange nicht mehr da, und zweimal
kommt dergleichen Ton nicht wieder. Aber leben Sie wohl, u. wenn Sie



") Eduard Metz.
Grenzboten IV. 1870.44

sagen, er hätte es gewünscht, daß ich sie sehen sollte, und so hoffe ich gewiß,
daß Sie mir diese Freude machen werden. Ich hatte ihn immer als einen
der talentvollsten Musiker in Ihrer Stadt nennen hören, und wenn in sol¬
cher öden, schlimmen Musikzeit dann noch die Besseren fortgenommen wer¬
den, so ist es für jeden Musiker doppelt traurig. — Vielen Dank für das
viele Interessante was Sie mir über die Leipziger Musik erzählen; es scheint
recht lebendig und regsam bei Ihnen herzugehen, aber das wundert mich,
was Sie von meiner K moi Ouvertüre schreiben, daß sie am Ende schneller
genommen wird, als im Anfang. Ist das vielleicht von da an, wo das
»,rima,to steht? So werde ich wahrhaftig Seb. Bachs Meinung, der gar
nichts über die Musikstücke schreibt, weder piano noch loro, denn ich dachte
ein M sei'Leto müßte sich da gar nicht hübsch machen, u. wollte eben nur
das inwendige Vorwärtsgehen bezeichnen, das ich eben nicht anders als ani-
niato zu nennen wußte. Aber haben Sie das 2 häutige Arrangement dieser
Ouvertüre gesehen, das ich vorgestern zu meinem größtem Schrecken hier an¬
traf? Wenn ich das Stück auf diese Art spielen hörte, und nicht selbst der
Componist davon wäre, so wollte ich auf ihn schimpfen wie ein Rohrsperling;
auf der letzten Seite ist ein Baß, der ist so lahm und langweilig, wie der
ächteste Murki. Ach ü. propos können Sie mir denn nicht irgend ein recht
schönes, neues Musikstück für Clavier mit oder ohne Begleitung nennen?
Sie sind ja dort an der Quelle. Ich habe zuletzt ein neues Heft Lieder von
Loewe (der Bergmann), eine Phantasie auf Robert 1ö äiadls von Chopin,
Lieder von Hiller gesehn, — aber das hat mir alles gar nicht gefallen.
Nun ich hoffe bald die Sachen von Schurke zu erhalten, u. habe eine wahre
Sehnsucht nach einem recht guten neuen Musikstück, das ich kennen lernte.
Von den Beethoven'schen Sonaten mit Violine ist eigentlich mein Liebling
die aus e mol, die kommt mir weit über allen andern stehend vor.
Da ist ein Schwung am Schluß des ersten Stückes, wie ich sonst
kaum ^von ihm kenne (außer etwa den Schluß des ersten Stücks der 9ten
Symphonie moi^ der freilich an Schwung alles übrige in der Welt über¬
trifft) und dann gefällt mir das Thema des letzten Stücks auch nicht wenig,
namentlich wenn's zuletzt, kurz vor dem ?rvLw eintritt. Spielen Sie nicht
auch zuweilen die Sonaten mit Violinbegleitung von Ihrem ehemaligen
Cantor Bach? da ist die aus saur und eine aus g. aur, und aus tuot,
die können sich auch sehen lassen. Ich wollte, Sie hätten den Anfang von
der aus <z aur von meinem Freunde Ritz") spielen hören können; das war
noble Musik; aber der ist nun auch schon lange nicht mehr da, und zweimal
kommt dergleichen Ton nicht wieder. Aber leben Sie wohl, u. wenn Sie



") Eduard Metz.
Grenzboten IV. 1870.44
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[0353] sagen, er hätte es gewünscht, daß ich sie sehen sollte, und so hoffe ich gewiß, daß Sie mir diese Freude machen werden. Ich hatte ihn immer als einen der talentvollsten Musiker in Ihrer Stadt nennen hören, und wenn in sol¬ cher öden, schlimmen Musikzeit dann noch die Besseren fortgenommen wer¬ den, so ist es für jeden Musiker doppelt traurig. — Vielen Dank für das viele Interessante was Sie mir über die Leipziger Musik erzählen; es scheint recht lebendig und regsam bei Ihnen herzugehen, aber das wundert mich, was Sie von meiner K moi Ouvertüre schreiben, daß sie am Ende schneller genommen wird, als im Anfang. Ist das vielleicht von da an, wo das »,rima,to steht? So werde ich wahrhaftig Seb. Bachs Meinung, der gar nichts über die Musikstücke schreibt, weder piano noch loro, denn ich dachte ein M sei'Leto müßte sich da gar nicht hübsch machen, u. wollte eben nur das inwendige Vorwärtsgehen bezeichnen, das ich eben nicht anders als ani- niato zu nennen wußte. Aber haben Sie das 2 häutige Arrangement dieser Ouvertüre gesehen, das ich vorgestern zu meinem größtem Schrecken hier an¬ traf? Wenn ich das Stück auf diese Art spielen hörte, und nicht selbst der Componist davon wäre, so wollte ich auf ihn schimpfen wie ein Rohrsperling; auf der letzten Seite ist ein Baß, der ist so lahm und langweilig, wie der ächteste Murki. Ach ü. propos können Sie mir denn nicht irgend ein recht schönes, neues Musikstück für Clavier mit oder ohne Begleitung nennen? Sie sind ja dort an der Quelle. Ich habe zuletzt ein neues Heft Lieder von Loewe (der Bergmann), eine Phantasie auf Robert 1ö äiadls von Chopin, Lieder von Hiller gesehn, — aber das hat mir alles gar nicht gefallen. Nun ich hoffe bald die Sachen von Schurke zu erhalten, u. habe eine wahre Sehnsucht nach einem recht guten neuen Musikstück, das ich kennen lernte. Von den Beethoven'schen Sonaten mit Violine ist eigentlich mein Liebling die aus e mol, die kommt mir weit über allen andern stehend vor. Da ist ein Schwung am Schluß des ersten Stückes, wie ich sonst kaum ^von ihm kenne (außer etwa den Schluß des ersten Stücks der 9ten Symphonie moi^ der freilich an Schwung alles übrige in der Welt über¬ trifft) und dann gefällt mir das Thema des letzten Stücks auch nicht wenig, namentlich wenn's zuletzt, kurz vor dem ?rvLw eintritt. Spielen Sie nicht auch zuweilen die Sonaten mit Violinbegleitung von Ihrem ehemaligen Cantor Bach? da ist die aus saur und eine aus g. aur, und aus tuot, die können sich auch sehen lassen. Ich wollte, Sie hätten den Anfang von der aus <z aur von meinem Freunde Ritz") spielen hören können; das war noble Musik; aber der ist nun auch schon lange nicht mehr da, und zweimal kommt dergleichen Ton nicht wieder. Aber leben Sie wohl, u. wenn Sie ") Eduard Metz. Grenzboten IV. 1870.44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/353>, abgerufen am 22.12.2024.