Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.nicht ausreichte, scheute sich die Kirche auch nicht, gefahrvollere Mittel behufs Ehe dieser Brief eintraf, war ein dreiunddreißigjähriger Friede geschlossen, Aber Liebenau verblieb bei Hessen nicht blos 33, sondern volle 400 Jahre, nicht ausreichte, scheute sich die Kirche auch nicht, gefahrvollere Mittel behufs Ehe dieser Brief eintraf, war ein dreiunddreißigjähriger Friede geschlossen, Aber Liebenau verblieb bei Hessen nicht blos 33, sondern volle 400 Jahre, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125049"/> <p xml:id="ID_1036" prev="#ID_1035"> nicht ausreichte, scheute sich die Kirche auch nicht, gefahrvollere Mittel behufs<lb/> Erweiterung ihrer Grenzen anzuwenden. Siebzig Jahre nach der Erwerbung<lb/> Liebenau's „im Wege Rechtens" gelüstete es den damaligen Bischof von<lb/> Paderborn, Simon von der Lippe, dessen Eifersucht die Erwerbungen der<lb/> hessischen Landgrafen in der Diemelgegend rege gemacht hatten, das früher<lb/> bischöfliche, jetzt landgräfliche Schloß Erlenberg zu nehmen und die umliegende<lb/> Gegend zu verheeren. Landgraf Ludwig II. übte Wiedervergeltung und drang<lb/> in verschiedene bischöfliche Städte ein, namentlich in Liebenau. Die Fackel<lb/> eines schonungsloser Kriegs war angezündet; weithin „brannte die Dienet"<lb/> wie sich sehr bezeichnend eine unsrer Urkunden ausdrückt. Endlich entschlossen<lb/> sich beide Theile „einen friedlichen Austrag zu nehmen"; zwei als Schieds¬<lb/> richter gewählte landgräfliche Räthe thun den Spruch, daß der Bischof sein<lb/> früheres Schloß Erlenberg für immer zurückerhält und daß Liebenau dem<lb/> Landgrafen, „der es fürstlich mit dem Schwerte erobert", jedoch nur auf<lb/> Lebenszeit verbleibe: nach seinem Tode könne es der Bischof durch Zahlung<lb/> von 1700 Fi. als Ersatz für diejenigen Gelder, welche in landgräflicher Zeit<lb/> auf das Schloß Erlenberg verwendet seien, wieder an sich bringen. Wahr¬<lb/> lich ein Spruch, welcher der Unparteilichkeit der hessischen Räthe zur Ehre<lb/> gereicht! Das „Recht der Kriegseroberung" ging damals noch in den Kin¬<lb/> derschuhen. So günstig der Spruch für Bischof Simon war, er genügte ihm<lb/> nicht; zwei Jahre später begann er den Streit von Neuem und rief den<lb/> Landgrafen abermals ins Feld. Der ritterliche Burghard von Papenheim.<lb/> damals Inhaber der Papenheimer Hälfte von Liebenau, stand zum Land¬<lb/> grafen, Schöneberg Spiegel, der Inhaber der Spiegel'schen Hälfte, vielfach<lb/> mit Paderborn durch Lehnsbeziehungen verknüpft, stand auf Seiten des Bischofs.<lb/> Natürlich wälzte der letztere alles Verschulden vom erneuerten Kriege auf den<lb/> Landgrafen; wehklagend ging er mit seinem Klerus den Papst um Beistand<lb/> an und dieser ermahnte auch „seinen geliebten Sohn" Landgraf Ludwig, dem<lb/> Beispiel seiner hehren Vorfahren zu folgen, welche der Kirche treue Kinder ge¬<lb/> wesen seien, den heftigen Feind der Christlichkeit, Ritter Burghard von<lb/> Papenheim in seinem verabscheuungswürdigen Beginnen nicht weiter zu un¬<lb/> terstützen, fernerer Angriffe bei Strafe der Ereommunication sich zu enthalten<lb/> und den ausgebrochenen Streit vor ihm, dem Papste, oder vor dem Kaiser<lb/> friedlich entscheiden zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1037"> Ehe dieser Brief eintraf, war ein dreiunddreißigjähriger Friede geschlossen,<lb/> nach welchem Liebenau bei Hessen verblieb; die Spiegel verloren alle Rechte<lb/> an Liebenau, die Papenheim erhielten die ihrigen vom neuen Herrn garantirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1038"> Aber Liebenau verblieb bei Hessen nicht blos 33, sondern volle 400 Jahre,<lb/> bis ein Mächtigerer kam und das Jahr 1866 mit dem „modernen Recht der<lb/> Kriegseroberung" und der Einverleibung.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
nicht ausreichte, scheute sich die Kirche auch nicht, gefahrvollere Mittel behufs
Erweiterung ihrer Grenzen anzuwenden. Siebzig Jahre nach der Erwerbung
Liebenau's „im Wege Rechtens" gelüstete es den damaligen Bischof von
Paderborn, Simon von der Lippe, dessen Eifersucht die Erwerbungen der
hessischen Landgrafen in der Diemelgegend rege gemacht hatten, das früher
bischöfliche, jetzt landgräfliche Schloß Erlenberg zu nehmen und die umliegende
Gegend zu verheeren. Landgraf Ludwig II. übte Wiedervergeltung und drang
in verschiedene bischöfliche Städte ein, namentlich in Liebenau. Die Fackel
eines schonungsloser Kriegs war angezündet; weithin „brannte die Dienet"
wie sich sehr bezeichnend eine unsrer Urkunden ausdrückt. Endlich entschlossen
sich beide Theile „einen friedlichen Austrag zu nehmen"; zwei als Schieds¬
richter gewählte landgräfliche Räthe thun den Spruch, daß der Bischof sein
früheres Schloß Erlenberg für immer zurückerhält und daß Liebenau dem
Landgrafen, „der es fürstlich mit dem Schwerte erobert", jedoch nur auf
Lebenszeit verbleibe: nach seinem Tode könne es der Bischof durch Zahlung
von 1700 Fi. als Ersatz für diejenigen Gelder, welche in landgräflicher Zeit
auf das Schloß Erlenberg verwendet seien, wieder an sich bringen. Wahr¬
lich ein Spruch, welcher der Unparteilichkeit der hessischen Räthe zur Ehre
gereicht! Das „Recht der Kriegseroberung" ging damals noch in den Kin¬
derschuhen. So günstig der Spruch für Bischof Simon war, er genügte ihm
nicht; zwei Jahre später begann er den Streit von Neuem und rief den
Landgrafen abermals ins Feld. Der ritterliche Burghard von Papenheim.
damals Inhaber der Papenheimer Hälfte von Liebenau, stand zum Land¬
grafen, Schöneberg Spiegel, der Inhaber der Spiegel'schen Hälfte, vielfach
mit Paderborn durch Lehnsbeziehungen verknüpft, stand auf Seiten des Bischofs.
Natürlich wälzte der letztere alles Verschulden vom erneuerten Kriege auf den
Landgrafen; wehklagend ging er mit seinem Klerus den Papst um Beistand
an und dieser ermahnte auch „seinen geliebten Sohn" Landgraf Ludwig, dem
Beispiel seiner hehren Vorfahren zu folgen, welche der Kirche treue Kinder ge¬
wesen seien, den heftigen Feind der Christlichkeit, Ritter Burghard von
Papenheim in seinem verabscheuungswürdigen Beginnen nicht weiter zu un¬
terstützen, fernerer Angriffe bei Strafe der Ereommunication sich zu enthalten
und den ausgebrochenen Streit vor ihm, dem Papste, oder vor dem Kaiser
friedlich entscheiden zu lassen.
Ehe dieser Brief eintraf, war ein dreiunddreißigjähriger Friede geschlossen,
nach welchem Liebenau bei Hessen verblieb; die Spiegel verloren alle Rechte
an Liebenau, die Papenheim erhielten die ihrigen vom neuen Herrn garantirt.
Aber Liebenau verblieb bei Hessen nicht blos 33, sondern volle 400 Jahre,
bis ein Mächtigerer kam und das Jahr 1866 mit dem „modernen Recht der
Kriegseroberung" und der Einverleibung.
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