Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Ein Wort aus und an Statten. Wie wenig tröstlich es im Allgemeinen mit der politischen Einsicht im "Es ist unmöglich, das Gewicht dieser Gründe, dieser Thatsachen zu verkennen, In der That, wenn Deutschland jetzt die Führung der europäischen Civilisation Die deutsche Führung in Europa heut in Abrede zu stellen wäre kindisch, aber Grenzboten IV. 1870. 4
Ein Wort aus und an Statten. Wie wenig tröstlich es im Allgemeinen mit der politischen Einsicht im „Es ist unmöglich, das Gewicht dieser Gründe, dieser Thatsachen zu verkennen, In der That, wenn Deutschland jetzt die Führung der europäischen Civilisation Die deutsche Führung in Europa heut in Abrede zu stellen wäre kindisch, aber Grenzboten IV. 1870. 4
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Ein Wort aus und an Statten.
Wie wenig tröstlich es im Allgemeinen mit der politischen Einsicht im
Lande der sogenannten sechsten Großmacht aussieht, ist durch einen Floren¬
tiner Originalbericht in diesen Blättern neulich (Ur. 37) überzeugend dar¬
gestellt worden. Auch wir hatten, als wir vor vierzehn Tagen (Ur. 38)
die Hoffnung äußerten, Mommsen's aufklärende, mahnende und warnende
Stimme möchte unseren Freunden im Süden zu Herzen dringen, insgeheim
wenig Zuversicht, daß dies alsbald geschehen werde. Um so erfreulicher war
uns, in dem „Diritto", dem nationalgesinnten Blatte der Florentiner De¬
mokratie, vom 12. und 13. September unter der Ueberschrift: „I.g, xg.ce"
eine Antwort auf Mommsen's gleichnamigen Brief zu lesen, die, so eigen¬
thümlich italienisch auch stellenweise ihre Rhetorik sein möge, dabei doch eine
Würdigung unserer deutschen Art und unserer Ziele gegenüber denen unserer
Feinde von so seltener Klarheit und Unbefangenheit des Urtheils enthält,
daß es unbillig wäre, sie jenseits der Berge verhallen zu lassen. Der Ver¬
fasser dieser Risposta wiederholt die schlagende Beweisführung Mommsen's,
warum das neue Deutschland keine Gefahr für die Ruhe Europas in sich
schließe, und fährt dann fort:
„Es ist unmöglich, das Gewicht dieser Gründe, dieser Thatsachen zu verkennen,
und wir räumen von ganzem Herzen ein, wir wüßten nicht, was sich darauf ent¬
gegnen ließe. Alsbald nach dem Ausbruche des Krieges schrieben wir: „Europa
hat als eine weit schrecklichere Gefahr die siegreiche Uebermacht des centralisirten,
herrschsüchtigen, katholischen und jakobinischen Frankreichs zu befürchten, als die des
bündnerischen und decentralisirten Deutschlands mit seinen offenbaren Tendenzen zu
liberaler Demokratie. Frankreich vertritt heut in Europa die Bestrebungen des
lateinischen Universalismus, dem zum Heile der Civilisation der germanische Parti-
cularismus widerstanden hat und noch widersteht. Die Siege Frankreichs gaben
uns einen argwöhnischen, unduldsamen, freiheitsfeindlicher Herrn, Deutschlands Siege
verschaffen uns einen sicheren Bundesgenossen. Weit glänzender ohne Zweifel, aber
mit gleich überzeugender Kraft wiederholt Mommsen dieselbe Wahrheit, welche wir
aus der Geschichte, aus dem Studium der Interessen, aus der Beobachtung der
natürlichen Tendenzen der verschiedenen Nationen gewonnen hatten.
In der That, wenn Deutschland jetzt die Führung der europäischen Civilisation
übernommen hat, so verdankt es diese Stellung nicht seinen Waffen allein, denn die
Waffen haben seiner Überlegenheit nur die Krone aufgesetzt; nein, es verdankt sie
seinen geistigen, sittlichen und industriellen Fortschritten, es verdankt sie der Beharr¬
lichkeit seiner Anstrengungen, die seine Bestrebungen zu realem Ziele geführt hat.
Sieger bei Sadowa und Sedan war — es ist oft gesagt worden und wir wieder¬
holen es gern — die Schule, war das geistig erleuchtete sittliche Brwußtsein, war
das feste Gefüge einer ganzen Nation, die einmüthig handelt und weiß, was sie will.
Die deutsche Führung in Europa heut in Abrede zu stellen wäre kindisch, aber
Grenzboten IV. 1870. 4
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