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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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und Dr. Copeland, ein Engländer -- darüber einverstanden waren, daß die
Arbeiten zum Behuf der Ueberwinterung nicht mehr, als angeordnet, zuließen.
Bei dieser Beschwerde hatte Herr Payer sich unerquicklicher Weise auf eine
Art geheime Instruktion stützen können, welche Dr. Petermann ihm zur Be¬
einträchtigung des ernannten Führers mitgegeben. Solche Störungen müssen
beachtet und hervorgezogen werden, damit sie sich nicht noch einmal, und dann
vielleicht verhängnißvoll, in eine edle nationale Unternehmung dieser Art
einnisten.

Die gesammelten Geldmittel reichen, wie es scheint, zur Bestreitung der
sachlichen Kosten und einer anständigen Löhnung der Mannschaft grade aus.
Es war Glück dabei, daß die "Hansa" unterging und die "Germania" er¬
halten blieb; denn jene war versichert, diese nicht. Das Deficit, welches im
Frühjahr 1870 noch zu decken war, ist hauptsächlich durch die Gaben deut¬
scher Städte als solcher gedeckt worden, welche man von Bremen aus darum
anging. Einflußreiche Reichstagsmitglieder, wie z. B. Gras Schwerin, welche
von der Noth des geschäftsführenden Comites gehört hatten, riethen dem¬
selben, an den Reichstag zu appelliren; allein das Comite' ging darauf nicht
ein und wird sich nun sehr freuen, es nicht gethan zu haben. Es kann jetzt
hoffen, daß nicht der norddeutsche, sondern der deutsche Reichstag nicht das
Deficit der zweiten, sondern die gesammten Kosten der dritten deutschen
Nordpolexpedition übernehmen werde. Denn darüber ist unter Theilnehmern
und Kennern kein Zweifel: die so glücklich betretene Bahn muß mit erhöh¬
tem Schwunge weiter verfolgt werden. Wichtige wissenschaftliche Fragen,
die dort im Eismeer zu lösen sind, müssen auch in Zukunft unseren See¬
leuten Veranlassung geben, Muth, Thatkraft, Ausdauer, Hingebung und Ge-
schicklichkeit zu zeigen. Kleine feste Dampfschiffe mögen zu Sommerfahrten,
wenn auch für den Nothfall zur Ueberwinterung ausgerüstet, nach den
Fjorden Ostgrönlands gehen, um den dort gemachten Anfang geographischer
Entdeckung und vielseitigen naturwissenschaftlichen Studiums fortzusetzen.
Größere, noch stärkere und mehr Kohlen und Vorräthe fassende Dampfer
mögen zusehen, ob sich anderswo mit mehr Erfolg der Eiswall durchbrechen
und in der Richtung auf den Nordpol vorwärtsdringen läßt. Mit Beharr¬
lichkeit wird unsere Nation auf diesem einmal eingeschlagenen Wege noch
große Culturergebnisse erlangen und ihren Seeleuten zugleich eine Uebungs¬
schule eröffnen, gegen welche die Humanität nicht wie gegen Algerien oder einst
den Kaukasus irgendwelche Einwände zu machen hat.




und Dr. Copeland, ein Engländer — darüber einverstanden waren, daß die
Arbeiten zum Behuf der Ueberwinterung nicht mehr, als angeordnet, zuließen.
Bei dieser Beschwerde hatte Herr Payer sich unerquicklicher Weise auf eine
Art geheime Instruktion stützen können, welche Dr. Petermann ihm zur Be¬
einträchtigung des ernannten Führers mitgegeben. Solche Störungen müssen
beachtet und hervorgezogen werden, damit sie sich nicht noch einmal, und dann
vielleicht verhängnißvoll, in eine edle nationale Unternehmung dieser Art
einnisten.

Die gesammelten Geldmittel reichen, wie es scheint, zur Bestreitung der
sachlichen Kosten und einer anständigen Löhnung der Mannschaft grade aus.
Es war Glück dabei, daß die „Hansa" unterging und die „Germania" er¬
halten blieb; denn jene war versichert, diese nicht. Das Deficit, welches im
Frühjahr 1870 noch zu decken war, ist hauptsächlich durch die Gaben deut¬
scher Städte als solcher gedeckt worden, welche man von Bremen aus darum
anging. Einflußreiche Reichstagsmitglieder, wie z. B. Gras Schwerin, welche
von der Noth des geschäftsführenden Comites gehört hatten, riethen dem¬
selben, an den Reichstag zu appelliren; allein das Comite' ging darauf nicht
ein und wird sich nun sehr freuen, es nicht gethan zu haben. Es kann jetzt
hoffen, daß nicht der norddeutsche, sondern der deutsche Reichstag nicht das
Deficit der zweiten, sondern die gesammten Kosten der dritten deutschen
Nordpolexpedition übernehmen werde. Denn darüber ist unter Theilnehmern
und Kennern kein Zweifel: die so glücklich betretene Bahn muß mit erhöh¬
tem Schwunge weiter verfolgt werden. Wichtige wissenschaftliche Fragen,
die dort im Eismeer zu lösen sind, müssen auch in Zukunft unseren See¬
leuten Veranlassung geben, Muth, Thatkraft, Ausdauer, Hingebung und Ge-
schicklichkeit zu zeigen. Kleine feste Dampfschiffe mögen zu Sommerfahrten,
wenn auch für den Nothfall zur Ueberwinterung ausgerüstet, nach den
Fjorden Ostgrönlands gehen, um den dort gemachten Anfang geographischer
Entdeckung und vielseitigen naturwissenschaftlichen Studiums fortzusetzen.
Größere, noch stärkere und mehr Kohlen und Vorräthe fassende Dampfer
mögen zusehen, ob sich anderswo mit mehr Erfolg der Eiswall durchbrechen
und in der Richtung auf den Nordpol vorwärtsdringen läßt. Mit Beharr¬
lichkeit wird unsere Nation auf diesem einmal eingeschlagenen Wege noch
große Culturergebnisse erlangen und ihren Seeleuten zugleich eine Uebungs¬
schule eröffnen, gegen welche die Humanität nicht wie gegen Algerien oder einst
den Kaukasus irgendwelche Einwände zu machen hat.




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[0032] und Dr. Copeland, ein Engländer — darüber einverstanden waren, daß die Arbeiten zum Behuf der Ueberwinterung nicht mehr, als angeordnet, zuließen. Bei dieser Beschwerde hatte Herr Payer sich unerquicklicher Weise auf eine Art geheime Instruktion stützen können, welche Dr. Petermann ihm zur Be¬ einträchtigung des ernannten Führers mitgegeben. Solche Störungen müssen beachtet und hervorgezogen werden, damit sie sich nicht noch einmal, und dann vielleicht verhängnißvoll, in eine edle nationale Unternehmung dieser Art einnisten. Die gesammelten Geldmittel reichen, wie es scheint, zur Bestreitung der sachlichen Kosten und einer anständigen Löhnung der Mannschaft grade aus. Es war Glück dabei, daß die „Hansa" unterging und die „Germania" er¬ halten blieb; denn jene war versichert, diese nicht. Das Deficit, welches im Frühjahr 1870 noch zu decken war, ist hauptsächlich durch die Gaben deut¬ scher Städte als solcher gedeckt worden, welche man von Bremen aus darum anging. Einflußreiche Reichstagsmitglieder, wie z. B. Gras Schwerin, welche von der Noth des geschäftsführenden Comites gehört hatten, riethen dem¬ selben, an den Reichstag zu appelliren; allein das Comite' ging darauf nicht ein und wird sich nun sehr freuen, es nicht gethan zu haben. Es kann jetzt hoffen, daß nicht der norddeutsche, sondern der deutsche Reichstag nicht das Deficit der zweiten, sondern die gesammten Kosten der dritten deutschen Nordpolexpedition übernehmen werde. Denn darüber ist unter Theilnehmern und Kennern kein Zweifel: die so glücklich betretene Bahn muß mit erhöh¬ tem Schwunge weiter verfolgt werden. Wichtige wissenschaftliche Fragen, die dort im Eismeer zu lösen sind, müssen auch in Zukunft unseren See¬ leuten Veranlassung geben, Muth, Thatkraft, Ausdauer, Hingebung und Ge- schicklichkeit zu zeigen. Kleine feste Dampfschiffe mögen zu Sommerfahrten, wenn auch für den Nothfall zur Ueberwinterung ausgerüstet, nach den Fjorden Ostgrönlands gehen, um den dort gemachten Anfang geographischer Entdeckung und vielseitigen naturwissenschaftlichen Studiums fortzusetzen. Größere, noch stärkere und mehr Kohlen und Vorräthe fassende Dampfer mögen zusehen, ob sich anderswo mit mehr Erfolg der Eiswall durchbrechen und in der Richtung auf den Nordpol vorwärtsdringen läßt. Mit Beharr¬ lichkeit wird unsere Nation auf diesem einmal eingeschlagenen Wege noch große Culturergebnisse erlangen und ihren Seeleuten zugleich eine Uebungs¬ schule eröffnen, gegen welche die Humanität nicht wie gegen Algerien oder einst den Kaukasus irgendwelche Einwände zu machen hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/32>, abgerufen am 23.12.2024.