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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Dieselbe Voraussehung, daß es noch einer besonderen, in der vorge¬
schriebenen Form verkündigten Verfügung bedürfe, um die hier in Frage
stehenden staatsbürgerlichen Rechte zeitweise außer Kraft zu setzen, liegt auch
der Großherzoglichen Ausführungs-Verordnung vom 13. Juli d. I. zu Grunde,
mit welä-er das preußische Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni
1861 zur öffentlichen Kenntniß gebracht wurde. Nach dieser mit den Mecklen¬
burgischen Ständen berathenen Verordnung soll, insofern nach dem Gesetz
einzelne Artikel der preußischen Verfassungs^Urkunde bei der Verhängung des
Belagerungszustandes suspendirt werden können, das Grvßherzogliche Staats¬
ministerium ermächtigt sein, eintretenden Falles Bestimmung darüber zu¬
treffen, welche von den, jenen Artikeln der preußischen Versassnngs-Unkunde
entsprechenden Vorschriften der Landesgesetze während eines Belagerungs¬
zustandes außer Anwendung treten sollen.

Selbstverständlich können die analogen bundesgesetzlichen Bestimmungen
nicht anders behandelt werden sollen, als die landesgesetzlichen. Was daher
in Betreff der Suspension der letzteren in dem Gesetze über den Belagerungs¬
zustand vorgeschrieben ist, hat mindestens ein gleiches Gewicht sür die
Bundesgesetz?.

Nun aber ist weder von dem Bundesfeldherrn, noch von dem General-
Gouverneur, noch von der mecklenburgischen Staatsregierung eine Verfügung
oder Bekanntmachung ergangen, welche die bestehenden Gesetze über die staats¬
bürgerlichen Rechte, namentlich die Bestimmungen über die persönliche Frei¬
heit, über den ordentlichen Gerichtsstand, über die Freiheit der Presse, und
über das Versammlungs- und Vereinsrecht außer Kraft setzte.

Dessenungeachtet hat der General-Gouverneur einzelne Anordnungen er¬
lassen, welche diesem Rechtszustand widersprechen, und die mecklenburgische
Staatsregierung hat denselben, so weit sie sich auch auf das mecklenburgische
Staatsgebiet erstreckten, durch deren Verkündigung im Gesetzblatt ihre Mit¬
wirkung geliehen, ohne, soviel bekannt ist, die Gesetzlichkeit dieser Anord¬
nungen anzufechten.

Am 24. September brachte das großherzogliche Ministerium des Innern
die Verfügung des General-Gouverneurs vom 21. zur öffentlichen Kenntniß,
durch welche die in Leipzig erscheinende Zeitung "der Volksstaat" und deren
Verbreitung für die Dauer des gegenwärtigen Kriegszustandes verboten und
die Uebertretung dieses Verbots mit Bestrafung in Gemäßheit des Gesetzes
vom 4. Juni 1831 über den Belagerungszustand bedroht wurde. Durch
diese Verfügung wurde, ohne Beobachtung der vorgeschriebenen Form, nach
welcher eine vorgängige ausdrückliche Aufhebung der gesetzlichen Bestim¬
mungen über die Preßverheit und die freie Bewegung der Preßerzeugnisse er¬
forderlich gewesen wäre, die Bestimmung des §. 143 der Bundesgewerbe-


Dieselbe Voraussehung, daß es noch einer besonderen, in der vorge¬
schriebenen Form verkündigten Verfügung bedürfe, um die hier in Frage
stehenden staatsbürgerlichen Rechte zeitweise außer Kraft zu setzen, liegt auch
der Großherzoglichen Ausführungs-Verordnung vom 13. Juli d. I. zu Grunde,
mit welä-er das preußische Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni
1861 zur öffentlichen Kenntniß gebracht wurde. Nach dieser mit den Mecklen¬
burgischen Ständen berathenen Verordnung soll, insofern nach dem Gesetz
einzelne Artikel der preußischen Verfassungs^Urkunde bei der Verhängung des
Belagerungszustandes suspendirt werden können, das Grvßherzogliche Staats¬
ministerium ermächtigt sein, eintretenden Falles Bestimmung darüber zu¬
treffen, welche von den, jenen Artikeln der preußischen Versassnngs-Unkunde
entsprechenden Vorschriften der Landesgesetze während eines Belagerungs¬
zustandes außer Anwendung treten sollen.

Selbstverständlich können die analogen bundesgesetzlichen Bestimmungen
nicht anders behandelt werden sollen, als die landesgesetzlichen. Was daher
in Betreff der Suspension der letzteren in dem Gesetze über den Belagerungs¬
zustand vorgeschrieben ist, hat mindestens ein gleiches Gewicht sür die
Bundesgesetz?.

Nun aber ist weder von dem Bundesfeldherrn, noch von dem General-
Gouverneur, noch von der mecklenburgischen Staatsregierung eine Verfügung
oder Bekanntmachung ergangen, welche die bestehenden Gesetze über die staats¬
bürgerlichen Rechte, namentlich die Bestimmungen über die persönliche Frei¬
heit, über den ordentlichen Gerichtsstand, über die Freiheit der Presse, und
über das Versammlungs- und Vereinsrecht außer Kraft setzte.

Dessenungeachtet hat der General-Gouverneur einzelne Anordnungen er¬
lassen, welche diesem Rechtszustand widersprechen, und die mecklenburgische
Staatsregierung hat denselben, so weit sie sich auch auf das mecklenburgische
Staatsgebiet erstreckten, durch deren Verkündigung im Gesetzblatt ihre Mit¬
wirkung geliehen, ohne, soviel bekannt ist, die Gesetzlichkeit dieser Anord¬
nungen anzufechten.

Am 24. September brachte das großherzogliche Ministerium des Innern
die Verfügung des General-Gouverneurs vom 21. zur öffentlichen Kenntniß,
durch welche die in Leipzig erscheinende Zeitung „der Volksstaat" und deren
Verbreitung für die Dauer des gegenwärtigen Kriegszustandes verboten und
die Uebertretung dieses Verbots mit Bestrafung in Gemäßheit des Gesetzes
vom 4. Juni 1831 über den Belagerungszustand bedroht wurde. Durch
diese Verfügung wurde, ohne Beobachtung der vorgeschriebenen Form, nach
welcher eine vorgängige ausdrückliche Aufhebung der gesetzlichen Bestim¬
mungen über die Preßverheit und die freie Bewegung der Preßerzeugnisse er¬
forderlich gewesen wäre, die Bestimmung des §. 143 der Bundesgewerbe-


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[0318] Dieselbe Voraussehung, daß es noch einer besonderen, in der vorge¬ schriebenen Form verkündigten Verfügung bedürfe, um die hier in Frage stehenden staatsbürgerlichen Rechte zeitweise außer Kraft zu setzen, liegt auch der Großherzoglichen Ausführungs-Verordnung vom 13. Juli d. I. zu Grunde, mit welä-er das preußische Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1861 zur öffentlichen Kenntniß gebracht wurde. Nach dieser mit den Mecklen¬ burgischen Ständen berathenen Verordnung soll, insofern nach dem Gesetz einzelne Artikel der preußischen Verfassungs^Urkunde bei der Verhängung des Belagerungszustandes suspendirt werden können, das Grvßherzogliche Staats¬ ministerium ermächtigt sein, eintretenden Falles Bestimmung darüber zu¬ treffen, welche von den, jenen Artikeln der preußischen Versassnngs-Unkunde entsprechenden Vorschriften der Landesgesetze während eines Belagerungs¬ zustandes außer Anwendung treten sollen. Selbstverständlich können die analogen bundesgesetzlichen Bestimmungen nicht anders behandelt werden sollen, als die landesgesetzlichen. Was daher in Betreff der Suspension der letzteren in dem Gesetze über den Belagerungs¬ zustand vorgeschrieben ist, hat mindestens ein gleiches Gewicht sür die Bundesgesetz?. Nun aber ist weder von dem Bundesfeldherrn, noch von dem General- Gouverneur, noch von der mecklenburgischen Staatsregierung eine Verfügung oder Bekanntmachung ergangen, welche die bestehenden Gesetze über die staats¬ bürgerlichen Rechte, namentlich die Bestimmungen über die persönliche Frei¬ heit, über den ordentlichen Gerichtsstand, über die Freiheit der Presse, und über das Versammlungs- und Vereinsrecht außer Kraft setzte. Dessenungeachtet hat der General-Gouverneur einzelne Anordnungen er¬ lassen, welche diesem Rechtszustand widersprechen, und die mecklenburgische Staatsregierung hat denselben, so weit sie sich auch auf das mecklenburgische Staatsgebiet erstreckten, durch deren Verkündigung im Gesetzblatt ihre Mit¬ wirkung geliehen, ohne, soviel bekannt ist, die Gesetzlichkeit dieser Anord¬ nungen anzufechten. Am 24. September brachte das großherzogliche Ministerium des Innern die Verfügung des General-Gouverneurs vom 21. zur öffentlichen Kenntniß, durch welche die in Leipzig erscheinende Zeitung „der Volksstaat" und deren Verbreitung für die Dauer des gegenwärtigen Kriegszustandes verboten und die Uebertretung dieses Verbots mit Bestrafung in Gemäßheit des Gesetzes vom 4. Juni 1831 über den Belagerungszustand bedroht wurde. Durch diese Verfügung wurde, ohne Beobachtung der vorgeschriebenen Form, nach welcher eine vorgängige ausdrückliche Aufhebung der gesetzlichen Bestim¬ mungen über die Preßverheit und die freie Bewegung der Preßerzeugnisse er¬ forderlich gewesen wäre, die Bestimmung des §. 143 der Bundesgewerbe-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/318>, abgerufen am 23.12.2024.