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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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lagerungszustand" führt, ist die Erklärung des Belagerungszustandes
unter Trommelschlag oder Trompetenschall zu verkünden. Nach § 4 desselben
geht mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszustandes die
vollziehende Gewalt an die Militärbefehlshaber über, deren Anordnungen
und Aufträgen die Civilverwaltungs- und Gemeindebehörden Folge zu leisten
haben. In § 5 heißt es: "Wird bei Erklärung des Belagerungszustandes
für erforderlich erachtet, die Artikel S. 6, 7, 27, 28, 29, 30 und 36 der
preußischen Verfassungsurkunde oder einzelne derselben zeit- oder districtsweise
außer Kraft zu setzen, so müssen die Bestimmungen darüber ausdrücklich in
die Bekanntmachung über die Erklärung des Belagerungszustandes auf¬
genommen oder in einer besonderen, unter der nämlichen Form (§ 3)
bekannt zu machenden Verordnung verkündet werden." Die Artikel der
preußischen Verfassung, deren Suspension an die hier vorgeschriebenen Formen
gebunden ist, betreffen die persönliche Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung,
das Recht auf den gesetzlichen Richter, die Preßfreiheit, die Preßstrafgesetz,
gebung, das Versammlungs. und Vereinigungsrecht und die Requisition der
bewaffneten Macht durch die Civilbehörden.

Hiernach überträgt also das im Norddeutschen Bunde sür die Handhabung
des Kriegszustandes normirende preußische Gesetz die vollziehende Gewalt auf
die Militärbefehlshaber. Es bleibt aber die sonstige Rechtsordnung in un¬
veränderter Geltung, wenn nicht entweder in der Erklärung des Kriegszu¬
standes selbst oder in einer besonderen, unter der nämlichen Form bekannt
zu machenden Verordnung gewisse durch die Verfassung gewährleistete poli¬
tische Rechte ausdrücklich außer Kraft gesetzt worden sind.

Hiermit stimmt auch die Instruction überein, welche der Bundesfeldherr
unter dem 22. Juli den von ihm eingesetzten General-Gouverneuren ertheilt
hat. In dieser Instruction heißt es unter Ur. 6: "In denjenigen Bezirken,
in welchen auf Grund des Artikel 67 der Verfassung des Norddeutschen
Bundes der Kriegszustand durch den Bundesfeldherrn erklärt wird, geht in
Gemäßheit des § 4 des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni
1851 die vollziehende Gewalt an den General-Gouverneur über. Die Civil¬
verwaltungs- und Gemeindebehörden haben in diesen Bezirken den Anord¬
nungen und Aufträgen desselben unbedingt Folge zu leisten. Ebenso stehen
dem General-Gouverneur daselbst die übrigen in dem Gesetz vom 4. Juni
1851 den commandirenden Generalen beigelegten Befugnisse zu, und ist
derselbe insbesondere befugt, innerhalb des preußischen Staatsgebietes
die Artikel 6. 6, 7. 27, 28, 29, 30 und 36 der Verfassungs-Urkunde, sowie
in den außerpreußischen Theilen des Bundesgebietes die analogen Ver-
fassungs-, resp. Gesetzes-Bestimmungen oder einzelne derselben zeit- und districts¬
weise außer Kraft zu setzen."


lagerungszustand" führt, ist die Erklärung des Belagerungszustandes
unter Trommelschlag oder Trompetenschall zu verkünden. Nach § 4 desselben
geht mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszustandes die
vollziehende Gewalt an die Militärbefehlshaber über, deren Anordnungen
und Aufträgen die Civilverwaltungs- und Gemeindebehörden Folge zu leisten
haben. In § 5 heißt es: „Wird bei Erklärung des Belagerungszustandes
für erforderlich erachtet, die Artikel S. 6, 7, 27, 28, 29, 30 und 36 der
preußischen Verfassungsurkunde oder einzelne derselben zeit- oder districtsweise
außer Kraft zu setzen, so müssen die Bestimmungen darüber ausdrücklich in
die Bekanntmachung über die Erklärung des Belagerungszustandes auf¬
genommen oder in einer besonderen, unter der nämlichen Form (§ 3)
bekannt zu machenden Verordnung verkündet werden." Die Artikel der
preußischen Verfassung, deren Suspension an die hier vorgeschriebenen Formen
gebunden ist, betreffen die persönliche Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung,
das Recht auf den gesetzlichen Richter, die Preßfreiheit, die Preßstrafgesetz,
gebung, das Versammlungs. und Vereinigungsrecht und die Requisition der
bewaffneten Macht durch die Civilbehörden.

Hiernach überträgt also das im Norddeutschen Bunde sür die Handhabung
des Kriegszustandes normirende preußische Gesetz die vollziehende Gewalt auf
die Militärbefehlshaber. Es bleibt aber die sonstige Rechtsordnung in un¬
veränderter Geltung, wenn nicht entweder in der Erklärung des Kriegszu¬
standes selbst oder in einer besonderen, unter der nämlichen Form bekannt
zu machenden Verordnung gewisse durch die Verfassung gewährleistete poli¬
tische Rechte ausdrücklich außer Kraft gesetzt worden sind.

Hiermit stimmt auch die Instruction überein, welche der Bundesfeldherr
unter dem 22. Juli den von ihm eingesetzten General-Gouverneuren ertheilt
hat. In dieser Instruction heißt es unter Ur. 6: „In denjenigen Bezirken,
in welchen auf Grund des Artikel 67 der Verfassung des Norddeutschen
Bundes der Kriegszustand durch den Bundesfeldherrn erklärt wird, geht in
Gemäßheit des § 4 des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni
1851 die vollziehende Gewalt an den General-Gouverneur über. Die Civil¬
verwaltungs- und Gemeindebehörden haben in diesen Bezirken den Anord¬
nungen und Aufträgen desselben unbedingt Folge zu leisten. Ebenso stehen
dem General-Gouverneur daselbst die übrigen in dem Gesetz vom 4. Juni
1851 den commandirenden Generalen beigelegten Befugnisse zu, und ist
derselbe insbesondere befugt, innerhalb des preußischen Staatsgebietes
die Artikel 6. 6, 7. 27, 28, 29, 30 und 36 der Verfassungs-Urkunde, sowie
in den außerpreußischen Theilen des Bundesgebietes die analogen Ver-
fassungs-, resp. Gesetzes-Bestimmungen oder einzelne derselben zeit- und districts¬
weise außer Kraft zu setzen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/317>, abgerufen am 23.12.2024.