Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.werden solle, müsse man auf die Grundlage des Reiches zurückgehen, und das Schließlich erhob sich noch der Statthalter, Freiherr v. Lasser, um den Nachdem diese erfolgt war, schritt der Landeshauptmann zur Vornahme Am 20. September, also schon sieben Tage nachher, wurde Freiherr Die Schwäche, welche die Minister in der Frage des Handgelöbnisses werden solle, müsse man auf die Grundlage des Reiches zurückgehen, und das Schließlich erhob sich noch der Statthalter, Freiherr v. Lasser, um den Nachdem diese erfolgt war, schritt der Landeshauptmann zur Vornahme Am 20. September, also schon sieben Tage nachher, wurde Freiherr Die Schwäche, welche die Minister in der Frage des Handgelöbnisses <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0310" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125016"/> <p xml:id="ID_933" prev="#ID_932"> werden solle, müsse man auf die Grundlage des Reiches zurückgehen, und das<lb/> seien die Völker.</p><lb/> <p xml:id="ID_934"> Schließlich erhob sich noch der Statthalter, Freiherr v. Lasser, um den<lb/> Redner, der den Staatsstreich erwarte, zu bedeuten, daß der Kaiser, im Ver¬<lb/> eine mit der Regierung die Lösung der obwaltenden inneren Fragen nur<lb/> „auf dem Boden der Verfassung" anstrebe. Im übrigen erachte er es für<lb/> unnöthig auf den Motivbericht einzugehen, da die Ertheilung von Jnstruc-<lb/> tionen vom §. 16 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung ausgeschlossen<lb/> sei. Auch er empfahl daher den Antrag des Comites zur Annahme.</p><lb/> <p xml:id="ID_935"> Nachdem diese erfolgt war, schritt der Landeshauptmann zur Vornahme<lb/> der Wahlen, die auf acht Ultramontane vom reinsten Wasser, nämlich fünf<lb/> Geistliche, darunter zwei Aebte, den Erzpnester Strosio von Roveredo, einen<lb/> Canonicus von Trient, den einzigen, der von den Abgeordneten der wälsch-<lb/> tirolischen Städte und Landgemeinden erschienen, war, und Pater Greuter.<lb/> dann den Führer der „allertreuesten Opposition", Freiherrn Ignaz Giovanelli<lb/> und zwei seiner Trabanten, Baron Dipauli und Dr. Franz Rapp fiele».<lb/> Zwei Plätze der Wälschtiroler blieben wegen ihrer Abwesenheit unbesetzt,<lb/> Der Landeshauptmann erklärte sohin den Landtag sür geschlossen, worauf ein<lb/> dreimaliges Hoch auf den Kaiser und dann zufolge der Anregung des Fürst¬<lb/> bischofs von Brixen auf den ersteren wegen seiner unparteiischen Leitung der<lb/> Verhandlungen eins ausgebracht wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_936"> Am 20. September, also schon sieben Tage nachher, wurde Freiherr<lb/> v. Lasser seines Amtes als Statthalter enthoben, angeblich weil er im Abge¬<lb/> ordnetenhause sür die Vertagung der Wahl des Präsidenten bis zum Ein¬<lb/> treffen der böhmischen Abgeordneten stimmte, in der That aber wohl um das<lb/> dem Vertrauensmanne der tiroler Clerical-Feudalen gegebene Versprechen zu<lb/> erfüllen, denn am 8. October wurde der Reichsrath auf Anordnung des Ge-<lb/> sammtministeriums, wegen der Ausschreibung directer Wahlen in Böhmen,<lb/> bis zum 7. November vertagt.</p><lb/> <p xml:id="ID_937" next="#ID_938"> Die Schwäche, welche die Minister in der Frage des Handgelöbnisses<lb/> an den Tag gelegt, ist in der Geschichte parlamentarischer Vorgänge beispiel-<lb/> los. Sie liefert den klaren Beweis, daß man unter dem „Ausgleich" die<lb/> Befriedigung der reaktionären Gelüste um jeden Preis, den entschiedenen Rück¬<lb/> schritt zum Föderalismus versteht. Wenn man den Böhmen zur Durchsetzung<lb/> ihres fabelhaften Staatsrechtes nicht noch weitere Zugeständnisse machte, und<lb/> directe Wahlen für'den Reichsrath aufschrieb, war dies kein Zeichen der Um¬<lb/> kehr, man wich nur dem Drucke von anderer Seite, nämlich der Ungarn, die<lb/> auf der Einberufung der Delegationen bestanden. Möglich, daß die deutsche<lb/> Partei wieder die Oberhand gewinnt, so viel bleibt aber unter allen Umstän¬<lb/> den gewiß, daß eine nochmalige Sistirung und schließlich die Aufhebung der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0310]
werden solle, müsse man auf die Grundlage des Reiches zurückgehen, und das
seien die Völker.
Schließlich erhob sich noch der Statthalter, Freiherr v. Lasser, um den
Redner, der den Staatsstreich erwarte, zu bedeuten, daß der Kaiser, im Ver¬
eine mit der Regierung die Lösung der obwaltenden inneren Fragen nur
„auf dem Boden der Verfassung" anstrebe. Im übrigen erachte er es für
unnöthig auf den Motivbericht einzugehen, da die Ertheilung von Jnstruc-
tionen vom §. 16 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung ausgeschlossen
sei. Auch er empfahl daher den Antrag des Comites zur Annahme.
Nachdem diese erfolgt war, schritt der Landeshauptmann zur Vornahme
der Wahlen, die auf acht Ultramontane vom reinsten Wasser, nämlich fünf
Geistliche, darunter zwei Aebte, den Erzpnester Strosio von Roveredo, einen
Canonicus von Trient, den einzigen, der von den Abgeordneten der wälsch-
tirolischen Städte und Landgemeinden erschienen, war, und Pater Greuter.
dann den Führer der „allertreuesten Opposition", Freiherrn Ignaz Giovanelli
und zwei seiner Trabanten, Baron Dipauli und Dr. Franz Rapp fiele».
Zwei Plätze der Wälschtiroler blieben wegen ihrer Abwesenheit unbesetzt,
Der Landeshauptmann erklärte sohin den Landtag sür geschlossen, worauf ein
dreimaliges Hoch auf den Kaiser und dann zufolge der Anregung des Fürst¬
bischofs von Brixen auf den ersteren wegen seiner unparteiischen Leitung der
Verhandlungen eins ausgebracht wurde.
Am 20. September, also schon sieben Tage nachher, wurde Freiherr
v. Lasser seines Amtes als Statthalter enthoben, angeblich weil er im Abge¬
ordnetenhause sür die Vertagung der Wahl des Präsidenten bis zum Ein¬
treffen der böhmischen Abgeordneten stimmte, in der That aber wohl um das
dem Vertrauensmanne der tiroler Clerical-Feudalen gegebene Versprechen zu
erfüllen, denn am 8. October wurde der Reichsrath auf Anordnung des Ge-
sammtministeriums, wegen der Ausschreibung directer Wahlen in Böhmen,
bis zum 7. November vertagt.
Die Schwäche, welche die Minister in der Frage des Handgelöbnisses
an den Tag gelegt, ist in der Geschichte parlamentarischer Vorgänge beispiel-
los. Sie liefert den klaren Beweis, daß man unter dem „Ausgleich" die
Befriedigung der reaktionären Gelüste um jeden Preis, den entschiedenen Rück¬
schritt zum Föderalismus versteht. Wenn man den Böhmen zur Durchsetzung
ihres fabelhaften Staatsrechtes nicht noch weitere Zugeständnisse machte, und
directe Wahlen für'den Reichsrath aufschrieb, war dies kein Zeichen der Um¬
kehr, man wich nur dem Drucke von anderer Seite, nämlich der Ungarn, die
auf der Einberufung der Delegationen bestanden. Möglich, daß die deutsche
Partei wieder die Oberhand gewinnt, so viel bleibt aber unter allen Umstän¬
den gewiß, daß eine nochmalige Sistirung und schließlich die Aufhebung der
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