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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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nur den eines Gottesackers, so bedanke er sich für solche konstitutionelle Frei-
heit. Sie, meinte er, werden sich nicht als willenlose Werkzeuge auf den
Bauch werfen und nachthun, was der moderne Liberalismus als Recht dic-
tirt. Den Professor Wildauer dachte er einfach mit der Frage zu schlagen,
wie er denn vom wahrhaft constitutionellen Standpunkte die Rechtmäßigkeit
der Landesordnung von 1861 ganz correct zu beweisin im Stande sei? Das
Ministerium habe damit die frühere, gleichzeitig mit dem Octoberdiplom pu-
blicirte "aboctroyirt", ohne Rücksicht auf die Verheißung, daß von nun an
jede Octroyirung aufhören solle. Der Vorwurf, daß seine Partei auf einen
Staatsstreich warte, sei unpassend, da sich auch Dr. Wildauer auf einen sol¬
chen stütze. Ebenso unrichtig spreche dieser von einem Geist der Freiheit, der
wenigstens in Tirol "decembermäßig eingefroren", wenn er aber aus den
germanischen verweise, so sei dieser nicht der Geist der Centralisation, son¬
dern derjenige, der den einzelnen Völkern und Individualitäten das Recht
der Existenz und der Entwicklung in ihrer Art gestattet, so daß der Einzelne
in dessen Schutze sich kräftig fühle. Der moderne Geist habe nicht unsere
Väter beseelt und nicht ihre Großthaten in der deutschen Geschichte hervor-
gerufen.

Vor dem Schluß der Debatte verlas dann der Landeshauptmann eine
ihm von 16 Liberalen übergeben? Erklärung, worin sie mit Verwahrung
gegen die Morivirung des Comite's der Sieben feststellten, daß sie sich nur
an der Wahl n den verfassungsmäßigen Reichsrath auf Grund des Staats¬
grundgesetzes vom 21.Dcbr. 1867 und der Landesordnung vom 26. Febr. 1861
betheiligten.

Dr. Harum erläuterte hierzu, daß der staatsrechtliche Charakter einer
Vertretung blos durch die von competenter Seite erfolgte Einberufung und
die Verfassung, auf Grund deren die Wahl stattfinde, bestimmt werden
könne; alle Vorbehalte, Hinterthüren und Cautelen könnten an der
Sache nichts ändern. Die Erklärung diene zur Abwehr gegen die Zu-
muthung, als ob man die im Antrage enthaltenen Andeutungen nicht ver¬
standen hätte.

Der clericale Berichterstatter, Dr. Graf, suchte das Comite gegen den
Vorwurf zu schützen, daß die Begründung seines Antrags "verfassungswidrig"
sei. Man habe in den letzten zehn Jahren zuerst die Gegner des Reichs-
centralismus, dann jene des Dualismus als "Verfassungsfeinde" bezeichnet,
jener Ausdruck sei daher nichts als eine hohle Phrase. Die Opposition strebe
blos dahin, wieder auf den Boden der alten, von der centralisirenden Bareau-
cratie confiscirten, tirolischen Verfassung zu kommen, wenn auch Niemand
daran denke, sie genau so, wie sie war, wiederherzustellen. Alles geschehe
nur zur Befriedigung des ganzen Volkes. Wenn dem Reiche aufgeholfen


nur den eines Gottesackers, so bedanke er sich für solche konstitutionelle Frei-
heit. Sie, meinte er, werden sich nicht als willenlose Werkzeuge auf den
Bauch werfen und nachthun, was der moderne Liberalismus als Recht dic-
tirt. Den Professor Wildauer dachte er einfach mit der Frage zu schlagen,
wie er denn vom wahrhaft constitutionellen Standpunkte die Rechtmäßigkeit
der Landesordnung von 1861 ganz correct zu beweisin im Stande sei? Das
Ministerium habe damit die frühere, gleichzeitig mit dem Octoberdiplom pu-
blicirte „aboctroyirt", ohne Rücksicht auf die Verheißung, daß von nun an
jede Octroyirung aufhören solle. Der Vorwurf, daß seine Partei auf einen
Staatsstreich warte, sei unpassend, da sich auch Dr. Wildauer auf einen sol¬
chen stütze. Ebenso unrichtig spreche dieser von einem Geist der Freiheit, der
wenigstens in Tirol „decembermäßig eingefroren", wenn er aber aus den
germanischen verweise, so sei dieser nicht der Geist der Centralisation, son¬
dern derjenige, der den einzelnen Völkern und Individualitäten das Recht
der Existenz und der Entwicklung in ihrer Art gestattet, so daß der Einzelne
in dessen Schutze sich kräftig fühle. Der moderne Geist habe nicht unsere
Väter beseelt und nicht ihre Großthaten in der deutschen Geschichte hervor-
gerufen.

Vor dem Schluß der Debatte verlas dann der Landeshauptmann eine
ihm von 16 Liberalen übergeben? Erklärung, worin sie mit Verwahrung
gegen die Morivirung des Comite's der Sieben feststellten, daß sie sich nur
an der Wahl n den verfassungsmäßigen Reichsrath auf Grund des Staats¬
grundgesetzes vom 21.Dcbr. 1867 und der Landesordnung vom 26. Febr. 1861
betheiligten.

Dr. Harum erläuterte hierzu, daß der staatsrechtliche Charakter einer
Vertretung blos durch die von competenter Seite erfolgte Einberufung und
die Verfassung, auf Grund deren die Wahl stattfinde, bestimmt werden
könne; alle Vorbehalte, Hinterthüren und Cautelen könnten an der
Sache nichts ändern. Die Erklärung diene zur Abwehr gegen die Zu-
muthung, als ob man die im Antrage enthaltenen Andeutungen nicht ver¬
standen hätte.

Der clericale Berichterstatter, Dr. Graf, suchte das Comite gegen den
Vorwurf zu schützen, daß die Begründung seines Antrags „verfassungswidrig"
sei. Man habe in den letzten zehn Jahren zuerst die Gegner des Reichs-
centralismus, dann jene des Dualismus als „Verfassungsfeinde" bezeichnet,
jener Ausdruck sei daher nichts als eine hohle Phrase. Die Opposition strebe
blos dahin, wieder auf den Boden der alten, von der centralisirenden Bareau-
cratie confiscirten, tirolischen Verfassung zu kommen, wenn auch Niemand
daran denke, sie genau so, wie sie war, wiederherzustellen. Alles geschehe
nur zur Befriedigung des ganzen Volkes. Wenn dem Reiche aufgeholfen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/309>, abgerufen am 22.12.2024.