Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.
Kriegsbericht. Durch eine Woche ist in Deutschland als große Unsicherheit leidenschaft¬
Kriegsbericht. Durch eine Woche ist in Deutschland als große Unsicherheit leidenschaft¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124988"/> <quote> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l> Die Thurm und Mauern sind zerzerrt.<lb/> Dazu dein ganzes Land verheert<lb/> Du wirst kaum mehr genesen.</l> <l> O Metz, du sollst ein Spiegel sein<lb/> Mein deutsches Land, nun sieh darein<lb/> Und thu's gar wohl betrachten,<lb/> Und wenn auch dir geschehen sollt'<lb/> Daß dich wie Metz ein Fremder holt,<lb/> So wird man dich verachten.</l> <l> Der uns dies Liedlein hat gemacht,<lb/> Er hat's gedichtet bei der Nacht,<lb/> Wo ihm nit gelang zu schlafen.<lb/> Wir solln von unsern Sünden lan,<lb/> Womit wir Tag und Nacht umgan,<lb/> Gott möcht uns sonst auch strafen.</l> </lg> </quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Kriegsbericht.</head><lb/> <p xml:id="ID_863" next="#ID_864"> Durch eine Woche ist in Deutschland als große Unsicherheit leidenschaft¬<lb/> lich besprochen worden: Waffenstillstand mit oder ohne Verpflegung von<lb/> Paris? Auch die mildherzigsten Landsleute verweigerten entrüstet die Ver¬<lb/> pflegung. — Da wir von den Verhandlungen mit Thiers fast nur soviel erfahren,<lb/> als zufällige Privatmittheilung oder die Absichten des Bundeskanzlers der<lb/> Heimath zutragen, so begnügen wir uns hier mit den beiden Beobachtungen,<lb/> welche sich in diesen Tagen aufdrängten. Zuerst, daß Graf Bismarck als<lb/> ernste Nothwendigkeit betrachtet hat, den Vermittlungsversuchen der Neutralen<lb/> jeden Boden und Vorwand zu nehmen, daher die Geduld und zuvorkommende<lb/> Bereitwilligkeit, mit welcher er auf die Absichten des Herrn Thiers einging<lb/> und sich jeder provocirenden Bedingung enthielt. Ferner aber, daß es den<lb/> höchsten Autoritäten zu Versailles nicht unwillkommen sein mochte, durch die<lb/> Waffenstillstandsfrage die öffentliche.Meinung zu beschäftigen und die ungeduldige<lb/> Erwartung, mit welcher die Beschießung im Volk und wohl auch im Heer<lb/> erwartet wurde, hinzuhalten. Man darf daraus schließen, daß der Geschütz¬<lb/> angriff aus Paris aufgegeben oder auf die Tage verschoben ist, wo er ohne<lb/> regelmäßige Belagerungsarbeiten als Schreckmittel wirksam zu werden ver¬<lb/> spricht. Eine Kritik dieses Entschlusses steht uns nicht zu, denn wir sind ohne<lb/> jede genügende Kenntniß der Motive, aus denen er hervorgegangen ist.<lb/> Schwerlich ist die Unfertigkeit der vorbereitenden Arbeiten, der Anführer von<lb/> Geschütz und Munition Veranlassung des Aufschubs. Dagegen hätte die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0282]
Die Thurm und Mauern sind zerzerrt.
Dazu dein ganzes Land verheert
Du wirst kaum mehr genesen. O Metz, du sollst ein Spiegel sein
Mein deutsches Land, nun sieh darein
Und thu's gar wohl betrachten,
Und wenn auch dir geschehen sollt'
Daß dich wie Metz ein Fremder holt,
So wird man dich verachten. Der uns dies Liedlein hat gemacht,
Er hat's gedichtet bei der Nacht,
Wo ihm nit gelang zu schlafen.
Wir solln von unsern Sünden lan,
Womit wir Tag und Nacht umgan,
Gott möcht uns sonst auch strafen.
Kriegsbericht.
Durch eine Woche ist in Deutschland als große Unsicherheit leidenschaft¬
lich besprochen worden: Waffenstillstand mit oder ohne Verpflegung von
Paris? Auch die mildherzigsten Landsleute verweigerten entrüstet die Ver¬
pflegung. — Da wir von den Verhandlungen mit Thiers fast nur soviel erfahren,
als zufällige Privatmittheilung oder die Absichten des Bundeskanzlers der
Heimath zutragen, so begnügen wir uns hier mit den beiden Beobachtungen,
welche sich in diesen Tagen aufdrängten. Zuerst, daß Graf Bismarck als
ernste Nothwendigkeit betrachtet hat, den Vermittlungsversuchen der Neutralen
jeden Boden und Vorwand zu nehmen, daher die Geduld und zuvorkommende
Bereitwilligkeit, mit welcher er auf die Absichten des Herrn Thiers einging
und sich jeder provocirenden Bedingung enthielt. Ferner aber, daß es den
höchsten Autoritäten zu Versailles nicht unwillkommen sein mochte, durch die
Waffenstillstandsfrage die öffentliche.Meinung zu beschäftigen und die ungeduldige
Erwartung, mit welcher die Beschießung im Volk und wohl auch im Heer
erwartet wurde, hinzuhalten. Man darf daraus schließen, daß der Geschütz¬
angriff aus Paris aufgegeben oder auf die Tage verschoben ist, wo er ohne
regelmäßige Belagerungsarbeiten als Schreckmittel wirksam zu werden ver¬
spricht. Eine Kritik dieses Entschlusses steht uns nicht zu, denn wir sind ohne
jede genügende Kenntniß der Motive, aus denen er hervorgegangen ist.
Schwerlich ist die Unfertigkeit der vorbereitenden Arbeiten, der Anführer von
Geschütz und Munition Veranlassung des Aufschubs. Dagegen hätte die
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