Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.mit dem Deutschthum auf Alsen und dem benachbarten Sundewitt; aber ge¬ Was ferner die Behauptung anbetrifft, das Deutschthum habe in Nord- Allein selbst unter den dänischredenden Nordschleswigern zählen wir auch mit dem Deutschthum auf Alsen und dem benachbarten Sundewitt; aber ge¬ Was ferner die Behauptung anbetrifft, das Deutschthum habe in Nord- Allein selbst unter den dänischredenden Nordschleswigern zählen wir auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124984"/> <p xml:id="ID_853" prev="#ID_852"> mit dem Deutschthum auf Alsen und dem benachbarten Sundewitt; aber ge¬<lb/> rade diese Districte können ja aus strategischen Rücksichten am allerwenigsten<lb/> abgetreten werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_854"> Was ferner die Behauptung anbetrifft, das Deutschthum habe in Nord-<lb/> schleswig seit 1864 eher Rückschritte als Fortschritte gemacht, so muß ich auch<lb/> ihr aus einer langjährigen Anschauung der Verhältnisse entschieden wider¬<lb/> sprechen. So wurde z. B. noch Ende der fünfziger Jahre in manchen Fami¬<lb/> lien des nördlichen Angelus von den Großeltern eine Art Dänisch gesprochen,<lb/> das allerdings schon damals fast ebensoweit vom Dänischen wie vom Deut¬<lb/> schen entfernt war. Die Großeltern sprachen mit den Eltern ebendasselbe<lb/> Patois, diese unter sich vorwiegend, mit den Kindern aber ausschließlich<lb/> Deutsch. Jetzt ist das Plattdänische aus Angeln vollständig verschwunden.<lb/> Ich dächte, man dürfte aus dieser Analogie auch auf die weiter nördlichen<lb/> Striche schließen. Ein Verwandter des Einsenders, geborener Jütländer und<lb/> als solcher selbstverständlich dänisch gesinnt, spricht jetzt in seinem Hause nur<lb/> deutsch, die Kinder werden auf dem hiesigen deutschen Gymnasium erzogen. Ein<lb/> für Dänen bestimmtes deutsches Lesebuch hiesigen Verlages hat, ohne irgendwie<lb/> von oben begünstigt zu werden, fast alljährlich neue Auflagen erlebt. Nicht<lb/> blos in Hciderslcben. Apenrade. Christiansfeld, sondern auel in Tondern und<lb/> Sonderburg sind jetzt ausschließlich deutsche Magistrate von der Bürger¬<lb/> schaft frei gewählt, unter dem gewiß nichts weniger als strengen preußischen<lb/> Regiment?. In der Dänenzeit, wo man uns auf alle mögliche Weise drückte,<lb/> waren diese Stadtverwaltungen stets gemischt. Auf dem platten Lande nörd¬<lb/> lich von Flensburg war bis 1864 Kirchen- und Schulsprache überall dänisch.<lb/> Die preußische Regierung hat die deutsche Sprache nur dort wieder einge¬<lb/> führt, wo die Majorität der Ortsangesessenen darum gebeten. Obliga¬<lb/> torisch ist der deutsche Unterricht nirgends und Zwang der Einzelnen ist<lb/> seit Einführung der Verfassung nicht möglich. Wie anders als durch einen<lb/> spontanen Fortschritt des Deutschen ist es da zu erklären, wenn noch fort¬<lb/> während, bald hier bald dort, um deutsche Predigt und deutschen Unterricht<lb/> geradezu petitionirt wird? Und wenn das unter den ungünstigen Verhält¬<lb/> nissen des drohenden Provisoriums geschah, ist da nicht bei consolidirten Zu¬<lb/> ständen ein entschiedener Fortgang des deutschen Elementes unerzwungen zu<lb/> erwarten?</p><lb/> <p xml:id="ID_855" next="#ID_856"> Allein selbst unter den dänischredenden Nordschleswigern zählen wir auch<lb/> heut schon die Deutschgesinnten nach Tausenden, — daß in den Reichstag<lb/> beständig Dänen gewählt werden, liegt zum guten Theil an der Eintheilung<lb/> der Wahldistriete. Wie kann man da behaupten wollen, die Dänen Nord¬<lb/> schleswigs seien durchweg schlechtere Patrioten als die Polen von Posen, jene<lb/> schlügen sich im Heere nur gut unter der Wucht bewältigender Disciplin?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0278]
mit dem Deutschthum auf Alsen und dem benachbarten Sundewitt; aber ge¬
rade diese Districte können ja aus strategischen Rücksichten am allerwenigsten
abgetreten werden.
Was ferner die Behauptung anbetrifft, das Deutschthum habe in Nord-
schleswig seit 1864 eher Rückschritte als Fortschritte gemacht, so muß ich auch
ihr aus einer langjährigen Anschauung der Verhältnisse entschieden wider¬
sprechen. So wurde z. B. noch Ende der fünfziger Jahre in manchen Fami¬
lien des nördlichen Angelus von den Großeltern eine Art Dänisch gesprochen,
das allerdings schon damals fast ebensoweit vom Dänischen wie vom Deut¬
schen entfernt war. Die Großeltern sprachen mit den Eltern ebendasselbe
Patois, diese unter sich vorwiegend, mit den Kindern aber ausschließlich
Deutsch. Jetzt ist das Plattdänische aus Angeln vollständig verschwunden.
Ich dächte, man dürfte aus dieser Analogie auch auf die weiter nördlichen
Striche schließen. Ein Verwandter des Einsenders, geborener Jütländer und
als solcher selbstverständlich dänisch gesinnt, spricht jetzt in seinem Hause nur
deutsch, die Kinder werden auf dem hiesigen deutschen Gymnasium erzogen. Ein
für Dänen bestimmtes deutsches Lesebuch hiesigen Verlages hat, ohne irgendwie
von oben begünstigt zu werden, fast alljährlich neue Auflagen erlebt. Nicht
blos in Hciderslcben. Apenrade. Christiansfeld, sondern auel in Tondern und
Sonderburg sind jetzt ausschließlich deutsche Magistrate von der Bürger¬
schaft frei gewählt, unter dem gewiß nichts weniger als strengen preußischen
Regiment?. In der Dänenzeit, wo man uns auf alle mögliche Weise drückte,
waren diese Stadtverwaltungen stets gemischt. Auf dem platten Lande nörd¬
lich von Flensburg war bis 1864 Kirchen- und Schulsprache überall dänisch.
Die preußische Regierung hat die deutsche Sprache nur dort wieder einge¬
führt, wo die Majorität der Ortsangesessenen darum gebeten. Obliga¬
torisch ist der deutsche Unterricht nirgends und Zwang der Einzelnen ist
seit Einführung der Verfassung nicht möglich. Wie anders als durch einen
spontanen Fortschritt des Deutschen ist es da zu erklären, wenn noch fort¬
während, bald hier bald dort, um deutsche Predigt und deutschen Unterricht
geradezu petitionirt wird? Und wenn das unter den ungünstigen Verhält¬
nissen des drohenden Provisoriums geschah, ist da nicht bei consolidirten Zu¬
ständen ein entschiedener Fortgang des deutschen Elementes unerzwungen zu
erwarten?
Allein selbst unter den dänischredenden Nordschleswigern zählen wir auch
heut schon die Deutschgesinnten nach Tausenden, — daß in den Reichstag
beständig Dänen gewählt werden, liegt zum guten Theil an der Eintheilung
der Wahldistriete. Wie kann man da behaupten wollen, die Dänen Nord¬
schleswigs seien durchweg schlechtere Patrioten als die Polen von Posen, jene
schlügen sich im Heere nur gut unter der Wucht bewältigender Disciplin?
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