Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.bleibt, hat der wunderliche aber treffend urtheilende Sugenheim im Vorworte bleibt, hat der wunderliche aber treffend urtheilende Sugenheim im Vorworte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124977"/> <p xml:id="ID_835" prev="#ID_834" next="#ID_836"> bleibt, hat der wunderliche aber treffend urtheilende Sugenheim im Vorworte<lb/> zu seiner deutschen Geschichte in belustigender Weise dargethan. Hausier nun<lb/> dachte ganz seiner Natur gemäß, diesem Mangel unserer Historie müsse da¬<lb/> durch .geholfen werden, daß ein bedeutender Charakter seine sittlich geistige<lb/> Eigenart beherrschend in den chaotischen Stoff hineinergieße. Das eben war's,<lb/> was ihm bei seinem Lehrer Schlosser so theuer war, diese ihrer selbst frohe<lb/> Energie der subjektiven Behandlung, die Innigkeit der Beziehungen zum<lb/> Leben. Die Besprechungen der Schlosser'schen Geschichten, welche uns die<lb/> vorliegendende Sammlung darbietet, sind nicht eigentlich kritisch; allzusehr<lb/> überwiegt darin die hingebende Verehrung gegen den braven Lehrer, von<lb/> dessen gewaltigem Einflüsse auf seine Jünger auch Gervinus in Theorie und<lb/> Praxis so entschieden Zeugniß abgelegt hat. Hauffer aber war nicht geartet<lb/> und gesonnen, dabei stehen zu bleiben. Die unendliche Ueberlegenheit in<lb/> Methode und Kunst, der feinere und wenigstens wissenschaftlich reinere Sinn<lb/> bei Ranke entging doch seinem klaren Auge nicht. Wenn er sich in jenen<lb/> Lobreden auf Schlosser noch gar ungeberdig gegen die „diplomatische Historio¬<lb/> graphie", gegen die „gesinnungslose Objectivität" gewisser Richtungen erzeigt,<lb/> so athmen doch die Besprechungen von Ranke's deutscher und französischer<lb/> Geschichte nicht blos achtungsvolle Anerkennung, sondern hie und da sogar Be¬<lb/> wunderung, selbst mit der preußischen springt er glimpflich um. Es ist nicht<lb/> anders: auch der thatkräftige Mann, dem Leben weit über Kunst geht, wird<lb/> von dem Zauber wahrer Kunst unwillkürlich mächtig ergriffen; daß aber Ge¬<lb/> schichtschreibung eine Kunst sei, hat Hauffer niemals, wie es neuerdings wohl<lb/> geschehen, verleugnet. Nur war 'ihm auch hier Vergötterung, wie sie stets<lb/> nur von den äußerlichsten und dürftigsten Nachbetern ausgeht, aus tiefster<lb/> Seele verhaßt; er nimmt den fleißigen Lang gegen die Berliner Stimmen in<lb/> Schutz, welche eine Geschichte Karl's V. nach Ranke als eine IIig.8 xost Ho-<lb/> morum verschrieen, was der Meister selbst nie und nimmer mehr gethan<lb/> hätte, der immerdar jede treue Arbeit von jeglicher Seite, soweit sie Ertrag<lb/> bot, mit der unpersönlichsten Freude begrüßt hat. Sybel stellt einmal in<lb/> einer geistvollen Festrede über den Stand der neueren deutschen Geschicht¬<lb/> schreibung (gehalten zu Marburg 1836) Schlosser und Ranke als Pole nicht<lb/> der historiographischen Leistungen — niemand könnte das ernstlich — aber<lb/> der Bestrebungen dar und weist überzeugend nach, wie sich durch die<lb/> politische Entwicklung unseres Volkes diese Gegensätze von selber gemildert<lb/> haben, so daß schon in der folgenden Generation sich von beiden Seiten her<lb/> die Geschichtschreiber in einander angeglichenen Anschauungen, ja fast in<lb/> einem fest ausgebildeten historischen Stil begegnen. In diesem tüchtigen und<lb/> einflußreichen Centrum steht denn auch Hauffer, wie Sybel selbst nicht min¬<lb/> der. Man mag sie, die sich in der Behandlung desselben Hauptstoffes in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
bleibt, hat der wunderliche aber treffend urtheilende Sugenheim im Vorworte
zu seiner deutschen Geschichte in belustigender Weise dargethan. Hausier nun
dachte ganz seiner Natur gemäß, diesem Mangel unserer Historie müsse da¬
durch .geholfen werden, daß ein bedeutender Charakter seine sittlich geistige
Eigenart beherrschend in den chaotischen Stoff hineinergieße. Das eben war's,
was ihm bei seinem Lehrer Schlosser so theuer war, diese ihrer selbst frohe
Energie der subjektiven Behandlung, die Innigkeit der Beziehungen zum
Leben. Die Besprechungen der Schlosser'schen Geschichten, welche uns die
vorliegendende Sammlung darbietet, sind nicht eigentlich kritisch; allzusehr
überwiegt darin die hingebende Verehrung gegen den braven Lehrer, von
dessen gewaltigem Einflüsse auf seine Jünger auch Gervinus in Theorie und
Praxis so entschieden Zeugniß abgelegt hat. Hauffer aber war nicht geartet
und gesonnen, dabei stehen zu bleiben. Die unendliche Ueberlegenheit in
Methode und Kunst, der feinere und wenigstens wissenschaftlich reinere Sinn
bei Ranke entging doch seinem klaren Auge nicht. Wenn er sich in jenen
Lobreden auf Schlosser noch gar ungeberdig gegen die „diplomatische Historio¬
graphie", gegen die „gesinnungslose Objectivität" gewisser Richtungen erzeigt,
so athmen doch die Besprechungen von Ranke's deutscher und französischer
Geschichte nicht blos achtungsvolle Anerkennung, sondern hie und da sogar Be¬
wunderung, selbst mit der preußischen springt er glimpflich um. Es ist nicht
anders: auch der thatkräftige Mann, dem Leben weit über Kunst geht, wird
von dem Zauber wahrer Kunst unwillkürlich mächtig ergriffen; daß aber Ge¬
schichtschreibung eine Kunst sei, hat Hauffer niemals, wie es neuerdings wohl
geschehen, verleugnet. Nur war 'ihm auch hier Vergötterung, wie sie stets
nur von den äußerlichsten und dürftigsten Nachbetern ausgeht, aus tiefster
Seele verhaßt; er nimmt den fleißigen Lang gegen die Berliner Stimmen in
Schutz, welche eine Geschichte Karl's V. nach Ranke als eine IIig.8 xost Ho-
morum verschrieen, was der Meister selbst nie und nimmer mehr gethan
hätte, der immerdar jede treue Arbeit von jeglicher Seite, soweit sie Ertrag
bot, mit der unpersönlichsten Freude begrüßt hat. Sybel stellt einmal in
einer geistvollen Festrede über den Stand der neueren deutschen Geschicht¬
schreibung (gehalten zu Marburg 1836) Schlosser und Ranke als Pole nicht
der historiographischen Leistungen — niemand könnte das ernstlich — aber
der Bestrebungen dar und weist überzeugend nach, wie sich durch die
politische Entwicklung unseres Volkes diese Gegensätze von selber gemildert
haben, so daß schon in der folgenden Generation sich von beiden Seiten her
die Geschichtschreiber in einander angeglichenen Anschauungen, ja fast in
einem fest ausgebildeten historischen Stil begegnen. In diesem tüchtigen und
einflußreichen Centrum steht denn auch Hauffer, wie Sybel selbst nicht min¬
der. Man mag sie, die sich in der Behandlung desselben Hauptstoffes in
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