Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Das Vorherrschen der streng einheitlichenden Richtung erscheint einer Ludwig H ausser's Stellung unter unseren Historikern. Gesammelte Schriften von L. Hauffer. I. Bd. Zur Geschichts-Literatur. Berlin Man sagt wohl unsern größten Dichtern und Künstlern nach: was man Das Vorherrschen der streng einheitlichenden Richtung erscheint einer Ludwig H ausser's Stellung unter unseren Historikern. Gesammelte Schriften von L. Hauffer. I. Bd. Zur Geschichts-Literatur. Berlin Man sagt wohl unsern größten Dichtern und Künstlern nach: was man <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124972"/> <p xml:id="ID_823"> Das Vorherrschen der streng einheitlichenden Richtung erscheint einer<lb/> Rechtsform nicht günstig, die auf den ersten Anblick den Eindruck der<lb/> Halbheit hervorbringen kann und, wie nicht zu läugnen, ein Zugeständnis)<lb/> an die Sonderneigungen Bayerns enthalten würde. In dieser hochgehenden<lb/> Zeit, wo sich die höchsten kriegerischen Erwartungen nicht nur erfüllen, wo<lb/> sie weit übertroffen werden, wo die Nation wie auf einmal sich zusammen¬<lb/> schließt und die Einigung greifbare Gestalt gewinnt, in dieser Zeit ist es für<lb/> nicht wenige eine Thorheit, von Zugeständnissen zu sprechen und wenn sie<lb/> auch denen gemacht würden, mit denen wir als Brüder und wie Brüder<lb/> in dem neuen gemeinsamen Staatswesen leben wollen. Das gesteigerte na¬<lb/> tionale Verlangen läßt die werbende Kraft übersehen, die der norddeutsche<lb/> Bund, man sage was man wolle, in hohem Maße bewiesen hat, die der<lb/> deutsche Bund in noch höherem Maße beweisen wird. An den Grundfesten,<lb/> an den Grundlagen der Einigung darf nicht gerüttelt werden. Ein Bau,<lb/> der den Stürmen einer Weltpolitik trotzen soll und trotzen muß, darf nach<lb/> außen keine ungleiche Fuge, keinen losen Stein bleiben lassen. Aber ist es ebenso<lb/> unentbehrlich, daß das Innere überall ein und dasselbe Gesicht, eine und die¬<lb/> selbe Einrichtung zeigt? Ist es nicht natürlich, den innern einheitlichen Aus¬<lb/> bau erst nach und nach erfolgen zu lassen? Ist es nicht geboten, das Aeußere<lb/> zunächst mit Aufwand aller Kraft, unter Bringung aller irgend möglichen<lb/> Opfer der Vollendung zuzuführen, diese wegen im Verhältniß minder bedeu-<lb/> tender Bedenken über das Innere nicht aufzuhalten? Das Bewußtsein<lb/> unserer hochbegünstigten wie hochgefährdeten Lage ist überall rege. Die wich¬<lb/> tigste innere Tagesfrage, die Stellung Bayerns im Bunde, muß zu einer<lb/> gedeihlichen, Bund und Land dienlichen Lösung gelangen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Ludwig H ausser's Stellung unter unseren Historikern.</head><lb/> <p xml:id="ID_824"> Gesammelte Schriften von L. Hauffer. I. Bd. Zur Geschichts-Literatur. Berlin<lb/> Weidmannn'sche Buchhandlung. 1869.</p><lb/> <p xml:id="ID_825" next="#ID_826"> Man sagt wohl unsern größten Dichtern und Künstlern nach: was man<lb/> so ihre Werke nenne, darin gehe doch ihr Wesen und ihre Bedeutung noch<lb/> lange nicht aus; weit mehr als bei den ersten Geistern anderer Nationen<lb/> müsse man auch sonst noch nach ihren Meinungen, Entwürfen und Hand¬<lb/> lungen forschen; erst ihr Leben sei das ganze Kunstwerk, davon all ihre<lb/> wundervollen Leistungen auf dem Gebiete ihres Schaffens doch nur Stücke<lb/> darstellten. Mit den deutschen Gelehrten steht es meist anders; wie oft liegt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
Das Vorherrschen der streng einheitlichenden Richtung erscheint einer
Rechtsform nicht günstig, die auf den ersten Anblick den Eindruck der
Halbheit hervorbringen kann und, wie nicht zu läugnen, ein Zugeständnis)
an die Sonderneigungen Bayerns enthalten würde. In dieser hochgehenden
Zeit, wo sich die höchsten kriegerischen Erwartungen nicht nur erfüllen, wo
sie weit übertroffen werden, wo die Nation wie auf einmal sich zusammen¬
schließt und die Einigung greifbare Gestalt gewinnt, in dieser Zeit ist es für
nicht wenige eine Thorheit, von Zugeständnissen zu sprechen und wenn sie
auch denen gemacht würden, mit denen wir als Brüder und wie Brüder
in dem neuen gemeinsamen Staatswesen leben wollen. Das gesteigerte na¬
tionale Verlangen läßt die werbende Kraft übersehen, die der norddeutsche
Bund, man sage was man wolle, in hohem Maße bewiesen hat, die der
deutsche Bund in noch höherem Maße beweisen wird. An den Grundfesten,
an den Grundlagen der Einigung darf nicht gerüttelt werden. Ein Bau,
der den Stürmen einer Weltpolitik trotzen soll und trotzen muß, darf nach
außen keine ungleiche Fuge, keinen losen Stein bleiben lassen. Aber ist es ebenso
unentbehrlich, daß das Innere überall ein und dasselbe Gesicht, eine und die¬
selbe Einrichtung zeigt? Ist es nicht natürlich, den innern einheitlichen Aus¬
bau erst nach und nach erfolgen zu lassen? Ist es nicht geboten, das Aeußere
zunächst mit Aufwand aller Kraft, unter Bringung aller irgend möglichen
Opfer der Vollendung zuzuführen, diese wegen im Verhältniß minder bedeu-
tender Bedenken über das Innere nicht aufzuhalten? Das Bewußtsein
unserer hochbegünstigten wie hochgefährdeten Lage ist überall rege. Die wich¬
tigste innere Tagesfrage, die Stellung Bayerns im Bunde, muß zu einer
gedeihlichen, Bund und Land dienlichen Lösung gelangen.
Ludwig H ausser's Stellung unter unseren Historikern.
Gesammelte Schriften von L. Hauffer. I. Bd. Zur Geschichts-Literatur. Berlin
Weidmannn'sche Buchhandlung. 1869.
Man sagt wohl unsern größten Dichtern und Künstlern nach: was man
so ihre Werke nenne, darin gehe doch ihr Wesen und ihre Bedeutung noch
lange nicht aus; weit mehr als bei den ersten Geistern anderer Nationen
müsse man auch sonst noch nach ihren Meinungen, Entwürfen und Hand¬
lungen forschen; erst ihr Leben sei das ganze Kunstwerk, davon all ihre
wundervollen Leistungen auf dem Gebiete ihres Schaffens doch nur Stücke
darstellten. Mit den deutschen Gelehrten steht es meist anders; wie oft liegt
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