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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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nen der fünf Regimenter der Marinetruppen sind, welche zugleich als Colonial-
infanterie dienen, wie ja auch das Marineministerium mit dem der Colonien
identisch ist. Die vier größeren dieser Häfen entsprechen zugleich den vier
Haupthafen für die Handelsmarine: Cherbourg liegt unweit des Havre,
des Haupthandelshafens für das Seinegebiet, Brest unweit von Nantes
und dessen eigentlichem Hafenort Se. Nazaire (Loiregebiet), Rochefort (bei
der bekannten Festung La Rochelle) unweit von Bordeaux als Haupthafen
des Garonnegebiets, und Toulon nahe bei Marseille, dem Haupthafen des
Rhonegebiets -- die beiden letzteren sind die einzigen größeren Mittelmeer¬
häfen. Diese unsere Parallelisirung der Kriegs- und der Handelshafen, gegen
deren Richtigkeit man nicht viel wird einwenden können, trifft nur diejenigen
vier Kriegshafen, in welchen die vier Marineinfanterieregimenter statio-
niren und läßt den fünften Kriegshafen Lorient in der Bretagne (zwischen
Brest und Cherbourg), wo das Marineartillerieregiment stationirt, außer
dem Spiele; Boulogne ist nicht Kriegshafen, sondern würde blos als Aus¬
gangspunkt für eine Transportflotte mit Truppen gegen England in Be¬
tracht kommen.

Von allen französischen Krtegshäfen ist seiner Lage nach Brest am
meisten von der Natur begünstigt; eine Art langer Föhrde mit mehrfachen
zackigen Windungen, die in ein steiles Hochplateau eingeschnitten ist, bildet
einen vorzüglich gegen fast alle Winde geschützten Hafen, der sich durch das
Kreuzfeuer der auf den Spitzen liegenden Batterien leicht vertheidigen läßt.

Ganz im Gegentheil zu Brest ist Cherbourg, welches als echter Offen¬
sivhafen trotz der Ungunst der Verhältnisse gerade aus der Spijze, die Eng¬
land zunächst liegt, angelegt worden ist, nur durch die Kunst zu einem guten
Hafen umgeschaffen worden. In einer flach muschelförmigen Ausbuchtung
der steilen Felsküste liegt auf dem ziemlich breiten Vorstrande die Stadt
Cherbourg mit den theilweise in den Felsen gehauenen Bassins: als Hinter¬
grund der Stadt, von der See aus gesehen, erheben sich im Halbkreis die
schroffen hohen Felswände, von Forts gekrönt, und namentlich die beiden
Enden des Halbkreises tragen starke Werke. Als Sehne des Halbkreises aber
ist mitten in der See quer durch die Bucht die colossale äiZue aufgeschüttet,
ein wuchtiger massiver Wall aus gigantischen Quaderblöcken, der erst unter
dem jetzigen Kaiser vollendet, mit schönen Steinquadern verkleidet und auf
der Mitte wie auf jedem Ende (an der schmalen Einfahrt, die er jederseits
offen läßt) von einem Thurmfort gekrönt worden ist.

Noch pittoresker als Cherbourg liegt Toulon, seewärts am Fuße eines
mächtigen grauröthlichen Felsgebirges, dessen drei Nadelspitzen lebhast an die
Abbildungen von Gibraltar erinnern, um so mehr, als auch die üppige Vege¬
tation durchaus südeuropäisch ist und die freundliche, baumreiche Stadt selbst


nen der fünf Regimenter der Marinetruppen sind, welche zugleich als Colonial-
infanterie dienen, wie ja auch das Marineministerium mit dem der Colonien
identisch ist. Die vier größeren dieser Häfen entsprechen zugleich den vier
Haupthafen für die Handelsmarine: Cherbourg liegt unweit des Havre,
des Haupthandelshafens für das Seinegebiet, Brest unweit von Nantes
und dessen eigentlichem Hafenort Se. Nazaire (Loiregebiet), Rochefort (bei
der bekannten Festung La Rochelle) unweit von Bordeaux als Haupthafen
des Garonnegebiets, und Toulon nahe bei Marseille, dem Haupthafen des
Rhonegebiets — die beiden letzteren sind die einzigen größeren Mittelmeer¬
häfen. Diese unsere Parallelisirung der Kriegs- und der Handelshafen, gegen
deren Richtigkeit man nicht viel wird einwenden können, trifft nur diejenigen
vier Kriegshafen, in welchen die vier Marineinfanterieregimenter statio-
niren und läßt den fünften Kriegshafen Lorient in der Bretagne (zwischen
Brest und Cherbourg), wo das Marineartillerieregiment stationirt, außer
dem Spiele; Boulogne ist nicht Kriegshafen, sondern würde blos als Aus¬
gangspunkt für eine Transportflotte mit Truppen gegen England in Be¬
tracht kommen.

Von allen französischen Krtegshäfen ist seiner Lage nach Brest am
meisten von der Natur begünstigt; eine Art langer Föhrde mit mehrfachen
zackigen Windungen, die in ein steiles Hochplateau eingeschnitten ist, bildet
einen vorzüglich gegen fast alle Winde geschützten Hafen, der sich durch das
Kreuzfeuer der auf den Spitzen liegenden Batterien leicht vertheidigen läßt.

Ganz im Gegentheil zu Brest ist Cherbourg, welches als echter Offen¬
sivhafen trotz der Ungunst der Verhältnisse gerade aus der Spijze, die Eng¬
land zunächst liegt, angelegt worden ist, nur durch die Kunst zu einem guten
Hafen umgeschaffen worden. In einer flach muschelförmigen Ausbuchtung
der steilen Felsküste liegt auf dem ziemlich breiten Vorstrande die Stadt
Cherbourg mit den theilweise in den Felsen gehauenen Bassins: als Hinter¬
grund der Stadt, von der See aus gesehen, erheben sich im Halbkreis die
schroffen hohen Felswände, von Forts gekrönt, und namentlich die beiden
Enden des Halbkreises tragen starke Werke. Als Sehne des Halbkreises aber
ist mitten in der See quer durch die Bucht die colossale äiZue aufgeschüttet,
ein wuchtiger massiver Wall aus gigantischen Quaderblöcken, der erst unter
dem jetzigen Kaiser vollendet, mit schönen Steinquadern verkleidet und auf
der Mitte wie auf jedem Ende (an der schmalen Einfahrt, die er jederseits
offen läßt) von einem Thurmfort gekrönt worden ist.

Noch pittoresker als Cherbourg liegt Toulon, seewärts am Fuße eines
mächtigen grauröthlichen Felsgebirges, dessen drei Nadelspitzen lebhast an die
Abbildungen von Gibraltar erinnern, um so mehr, als auch die üppige Vege¬
tation durchaus südeuropäisch ist und die freundliche, baumreiche Stadt selbst


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[0026] nen der fünf Regimenter der Marinetruppen sind, welche zugleich als Colonial- infanterie dienen, wie ja auch das Marineministerium mit dem der Colonien identisch ist. Die vier größeren dieser Häfen entsprechen zugleich den vier Haupthafen für die Handelsmarine: Cherbourg liegt unweit des Havre, des Haupthandelshafens für das Seinegebiet, Brest unweit von Nantes und dessen eigentlichem Hafenort Se. Nazaire (Loiregebiet), Rochefort (bei der bekannten Festung La Rochelle) unweit von Bordeaux als Haupthafen des Garonnegebiets, und Toulon nahe bei Marseille, dem Haupthafen des Rhonegebiets — die beiden letzteren sind die einzigen größeren Mittelmeer¬ häfen. Diese unsere Parallelisirung der Kriegs- und der Handelshafen, gegen deren Richtigkeit man nicht viel wird einwenden können, trifft nur diejenigen vier Kriegshafen, in welchen die vier Marineinfanterieregimenter statio- niren und läßt den fünften Kriegshafen Lorient in der Bretagne (zwischen Brest und Cherbourg), wo das Marineartillerieregiment stationirt, außer dem Spiele; Boulogne ist nicht Kriegshafen, sondern würde blos als Aus¬ gangspunkt für eine Transportflotte mit Truppen gegen England in Be¬ tracht kommen. Von allen französischen Krtegshäfen ist seiner Lage nach Brest am meisten von der Natur begünstigt; eine Art langer Föhrde mit mehrfachen zackigen Windungen, die in ein steiles Hochplateau eingeschnitten ist, bildet einen vorzüglich gegen fast alle Winde geschützten Hafen, der sich durch das Kreuzfeuer der auf den Spitzen liegenden Batterien leicht vertheidigen läßt. Ganz im Gegentheil zu Brest ist Cherbourg, welches als echter Offen¬ sivhafen trotz der Ungunst der Verhältnisse gerade aus der Spijze, die Eng¬ land zunächst liegt, angelegt worden ist, nur durch die Kunst zu einem guten Hafen umgeschaffen worden. In einer flach muschelförmigen Ausbuchtung der steilen Felsküste liegt auf dem ziemlich breiten Vorstrande die Stadt Cherbourg mit den theilweise in den Felsen gehauenen Bassins: als Hinter¬ grund der Stadt, von der See aus gesehen, erheben sich im Halbkreis die schroffen hohen Felswände, von Forts gekrönt, und namentlich die beiden Enden des Halbkreises tragen starke Werke. Als Sehne des Halbkreises aber ist mitten in der See quer durch die Bucht die colossale äiZue aufgeschüttet, ein wuchtiger massiver Wall aus gigantischen Quaderblöcken, der erst unter dem jetzigen Kaiser vollendet, mit schönen Steinquadern verkleidet und auf der Mitte wie auf jedem Ende (an der schmalen Einfahrt, die er jederseits offen läßt) von einem Thurmfort gekrönt worden ist. Noch pittoresker als Cherbourg liegt Toulon, seewärts am Fuße eines mächtigen grauröthlichen Felsgebirges, dessen drei Nadelspitzen lebhast an die Abbildungen von Gibraltar erinnern, um so mehr, als auch die üppige Vege¬ tation durchaus südeuropäisch ist und die freundliche, baumreiche Stadt selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/26>, abgerufen am 23.12.2024.